Stuttgart. Im zweiten Teil des Interviews spricht Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann über Haushalt und Netto-Null-Verschuldung, über die Endlagersuche und die Chancen ihrer eigenen Partei im Hinblick auf die nächste Landtagswahl. Den ersten Teil des Interviews lesen Sie an diesem Freitag in der Print-Ausgabe des Staatsanzeigers.
Staatsanzeiger: Es sollen nun deutlich weniger Lehrerstellen eingespart werden, als ursprünglich geplant. Was bedeutet das denn für einen nachhaltigen Haushalt und die für 2016 geplante Netto-Null-Verschuldung?
Edith Sitzmann: Wir haben uns von Anfang an auf die Fahnen geschrieben, dass wir den Haushalt zum einen konsolidieren wollen. Wir haben einen gigantischen Schuldenberg mit über 40 Milliarden Euro von der CDU übernommen. Hinzu kam noch ein Schattenschuldenberg, nämlich der Sanierungsstau in vielen Bereichen wie zum Beispiel den Landesstraßen oder Brücken-. Zum anderen ist klar, dass wir, in wichtige Bereiche investieren. Dazu gehört unter anderem die Bildung oder auch die Infrastruktur. Und das tun wir bereits kräftig beispielsweise beim Pakt mit den Hochschulen Perspektive 2020. In Bezug auf die Entwicklung der Lehrerstellen haben wir von Anfang an gesagt, dass wir die Zahl der Lehrerstellen anpassen, je nachdem wie sich die Schülerzahlen entwickeln. Aufgrund der Prognose des Statistischen Landesamts von 2010 sind wir davon ausgegangen, dass die Zahl der Schüler bis 2020 um 20 Prozent sinken wird. Dann, haben wir gesagt, können wir zehn Prozent der Lehrerstellen wegfallen lassen. So würden immer noch in Relation zur Schülerzahl mehr Lehrer im System bleiben – also ein Plus an Lehrern. Wenn sich nun die Prognosen verändern, müssen wir die Zahl der Lehrer entsprechend an die Zahl der Schüler anpassen. Denn eine gute Unterrichtsversorgung ist das A und O und die werden wir in jedem Fall sicherstellen.
Aber was bedeutet das jetzt im Hinblick auf die geplante Netto-Null?
Wir werden auch in Zukunft investieren, sanieren und den Haushalt konsolidieren“. Der Finanzminister hat angekündigt, dass er 2016 keine neuen Kredite aufnehmen will. Das wäre dann - nach 2011 und 2012 - das dritte Jahr in der grün-roten Regierungszeit, in dem keine neuen Schulden gemacht würden. Wir haben außerdem vereinbart, dass wir bereits 2015 die Nettokreditaufnahme absenken werden. Das geht alles gut zusammen.
Sie hatten immer gefordert, dass die Netto-Null keine Eintagsfliege bleiben dürfe. Aber nach 2016 wird es durchaus wieder Schulden geben.
Den Konsens, den wir jetzt haben, kann man überschreiben mit: Nach Gut kommt Besser. Denn wir haben auch die Perspektive, dass nach 2016 weniger Schulden aufgenommen werden als geplant. Auf der einen Seite kann man nicht immer genau voraussagen, wie sich die Einnahmen, insbesondere die Steuereinnahmen entwickeln werden. Auf der einen Seite haben wir auch Risiken. Wir hatten jetzt etwa die Unwägbarkeit eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs bezüglich einer Altersdiskriminierung bei Beamten. Dafür gab es Rückstellungen; Oder die Unklarheit, wie sich die Zahl der Flüchtlinge in Baden-Württemberg entwickeln wird. Für den Haushalt ergeben sich da einige Fragezeichen. Je nachdem wie sich Einnahmen und Ausgaben künftig entwickeln, werden wir selbstverständlich, so wenig neue Schulden aufnehmen wie möglich. Ich bin mir aber sicher, dass wir die Schuldenbremse einhalten und die Null in 2020 hinkriegen.
Nach der letzten Umfrage, würde es, wenn heute gewählt würde, für SPD und Grüne nicht mehr reichen. Könnten Sie sich auch eine Koalition mit einer anderen Partei vorstellen?
Die Umfrage hat nur gezeigt, dass das Rennen für die Landtagswahl 2016 offen ist. Wir haben ein ganz klares Ziel: Zusammen mit der SPD auch nach 2016 weiter zu regieren. – natürlich mit einem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Wir wollen diese Koalition fortsetzen, aus inhaltlichen Gründen.
Wenn man jetzt Fukushima und Stuttgart 21 abzieht - wie groß ist dann das Potenzial der Grünen im Land?
Es gab seit der Landtagswahl mehrere Umfragen. Da lagen wir manchmal deutlich über dem Wahlergebnis, aber insgesamt sind wir als Grüne stabil, obwohl wir auch die eine oder andere Entscheidung treffen mussten, die nicht bei allen zu Hurra-Rufen geführt hat. Das gehört mit zum Regieren. Wenn ich mir anschaue, wie zufrieden die Baden-Württemberger mit Winfried Kretschmann und seiner Arbeit sind, dann haben wir da Werte von über 60 Prozent. Und selbst bei den CDU-Wählern sind über 50 Prozent der Ansicht, dass er einen guten Job macht. Wir machen gute Politik für das Land und seine Menschen. Das kommt in der Fläche an. Wir sind für die Landtagswahl gut aufgestellt und hoffen, dass es kein Fukushima mehr gibt.
Ein großer Erfolg von Ministerpräsident Kretschmann war es, dass in die festgefahrene Endlagersuche wieder Bewegung kam. Könnten Sie es ihrer eigenen Partei vermitteln, wenn dabei ein Standort in Baden-Württemberg in die engere Wahl käme?
Es ist gelungen, dass sich alle Fraktionen im Bundestag auf ein Endlagersuchgesetz geeinigt haben. Das war eine schwierige Aufgabe und es ist der Verdienst von t Winfried Kretschmann dass dies gelungen ist. Das ist wirklich ein sehr großer Erfolg. Und es ist bemerkenswert, dass gerade Regierungen unter Grüner Führung oder Beteiligung sich ihrer Verantwortung stellen, obwohl wir Grüne immer gegen die gefährliche Atomtechnologie gekämpft haben. Es ist ein starkes Stück, dass nun gerade die CDU in Baden-Württemberg, die Atompartei schlechthin, einem Aus für das Endlager in Gorleben widerspricht. Es ist verantwortungslos und doppelzüngig, dass Thomas Strobl dem Gesetz im Bundestag zustimmt, aber als Landesvorsitzender schweigt, wenn die CDU-Fraktion im Landtag fordert, die Castoren, die zurückgenommen werden müssen doch in Gorleben zu lagern. Die Landesregierung hat zu dieser Frage klar Stellung bezogen. Baden-Württemberg wird sich einem Zwischenlager nicht in den Weg stellen.
Aber könnten Sie ein mögliches Endlager in Baden-Württemberg in Ihrer Partei vermitteln?
Wer Verantwortung übernimmt, kann sich einem Verfahren zur Endlagerung nicht verschließen. Mit dem Endlagersuchgesetz soll der sicherste Standort gefunden werden. Die Sicherheit eines Endlagers ist das entscheidende Kriterium Selbstverständlich haben wir haben über das Endlagersuchverfahren auch in der Partei und der Fraktion diskutiert. Und wenn ich sage, die Grünen sind verantwortungsbewusst, dann gilt das nicht nur für die Spitzenebene, sondern für die ganze Partei.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
Wissenswertes zu kommunalpolitischen Themen für Sie als Gemeinderat/Gemeinderätin mit einem wöchentlichen Newsletter direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Abonnieren Sie jetzt den
Kommunal-Newsletter.