Stuttgart. Die von Grün-Rot in der Bildungspolitik bereits umgesetzten und geplanten Reformen spalten weiterhin den Landtag. Bei der Haushaltsberatung des Etats des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport wies Ministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) an diesem Freitag auf die Vorteile der neuen Schul- und Bildungspolitik hin. „Die Gemeinschaftsschule ist das Vehikel für eine moderne Pädagogik. Das dreigliedrige Schulsystem hat sich überholt“, sagte die Ministerin. Baden-Württemberg sei bildungspolitisch nicht auf der Höhe der Zeit.
Redner von CDU und FDP kritisierten dagegen den Wandel. „Sie hören auf Eltern, Schüler und Lehrer nur dann, wenn es in Ihre Ideologie passt“, kritisierte Georg Wacker (CDU), bis zum Regierungswechsel im vergangenen Frühjahr Staatssekretär im Kultusministerium. Ähnlich bewertete Timm Kern (FDP) die Entwicklung: „Grün-Rot stellt die Bildungspolitik ins Weltbild ihrer Ideologie.“ Das erfolgreiche baden-württembergische Schulmodell werde umgegraben.
Der Einzelplan des Kultusministeriums beläuft sich auf 9,23 Milliarden Euro, 312 Millionen Euro oder 3,5 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Dies sind 23,81 Prozent des gesamten Landeshaushalts. 53,52 Prozent der Landesbediensteten zählen zum Kultusministerium. Grün-Rot erhöht im laufenden Jahr unter anderem die Mittel für allgemeinbildende und berufliche Schulen (212 Millionen Euro), für Schulen in freier Trägerschaft (27,9 Millionen Euro) und für die Sprachförderung der Drei- bis Sechsjährigen (11 Millionen Euro).
„In jedem Kindergarten des Landes bekommen Kinder jetzt Sprachförderung“, nannte Warminski-Leitheußer einen Vorteil. Die neue Landesregierung ermögliche den Lehrern, auch quer zu denken. „Das war bei der alten Regierung nicht möglich.“ Diese Freiheit habe eine unheimliche pädagogische Energie freigesetzt. Auch die Kultusministerin wies auf Finanzlöcher und leere Versprechen von Schwarz-Gelb hin: „226 Millionen Euro sind von CDU und FDP nicht ausfinanziert worden.“ Auch die von den Lehrern notgedrungen angesammelten Überstunden sei eine versteckte Kreditaufnahme. Zur Kritik, Grün-Rot hätte mehr Geld in den Bildungsbereich stecken müssen, entgegnete die SPD-Politikerin: „Es wurde noch nie so viel investiert wie von uns.“
Dies sahen Georg Wacker und Timm Kern anders. Wacker sieht eine Belastung der weiterführenden Schulen durch Grün-Rot, der Aufbau von G9 belaste das G8. Die Personalausstattung für die Gemeinschaftsschulen kritisierte er als zu üppig, gleichzeitig kämen 200 neue Lehrerstellen nicht in die Unterrichtsversorgung in den Realschulen. Auch der Klassenteiler werde lediglich in den Gemeinschaftsschulen gesenkt. Wacker forderte die Gleichbehanldung aller Schularten. Außerdem bräuchten Gymnasien und Realschulen durch die Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung Verstärkung. Er warnte auch vor der bevorstehenden Anspannung auf dem Lehrer-Arbeitsmarkt in fünf bis sieben Jahren. Kern hätte sich von Grün-Rot eine bessere Schüler-Lehrer-Relation und einen „beherzten Ausbau des beruflichen Schulwesens“ gewünscht. Die 44 Genehmigungen für G9-Gymnasien seien bloß ein Feigenblatt.
Zustimmung kam aus den Fraktionen von Grünen und SPD. Im neuen Konzept stehe die individuelle Förderung und mehr Durchlässigkeit im Vordergrund, lobte Sandra Boser (Grüne). Sprachförderung gebe es jetzt vom ersten Kindergartenjahr an. „Sprache ist wichtig, um zu verstehen und zu lernen.“ Positiv bewertete die Grüne den Pakt mit den Kommunen, der diesen 326 Millionen Euro für die Kleinkindbetreuung und Sprachförderung sichert. Auch die Zuschüsse zur Schulsozialarbeit seien aufgestockt worden (15 Mio. Euro). Zudem werde die Krankheitsvertretung von 1,5 auf 2,5 Prozent aufgestockt.
Christoph Bayer (SPD) kritisierte die CDU für deren Begriff der „Einheitsschule“: „Warum sollen wir eine gute Schulgemeinschaft nicht Gemeinschaftsschule nennen?“, fragte er in Richtung Opposition. Auch Wacker hatte in der Debatte diesen Terminus verwendet. In anderen Ländern seien Gemeinschaftsschulen längst eine Selbstverständlichkeit. Die weitere Senkung des Klassenteilers wäre für Bayer wünschenswert, aber sei momentan finanziell nicht machbar. Das neue Schulsystem von Grün-Rot setze Akzente; die Regierung gehe diesen Weg auch, um drohende soziale Benachteiligungen zu begegnen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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