Stuttgart. Die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras hat die AfD-Fraktion im Umgang mit ihrem Mitglied Wolfgang Gedeon zu einer „Null-Toleranz”-Politik aufgefordert. „Antisemitismus darf in unserem Land und in unserem Parlament keinen Platz haben“, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch in Stuttgart einer Mitteilung zufolge. „Ich hätte mir gewünscht, dass die AfD die Reißleine zieht”, sagte die türkischstämmige Politikerin angesichts der Antisemitismus-Vorwürfe gegen Gedeon.
Die Erklärung Gedeons, wegen der Vorwürfe seine Mitgliedschaft in der Fraktion ruhen zu lassen, habe rechtlich keine Folgen. Eine solche Möglichkeit gebe es weder nach dem Fraktionsgesetz noch nach der Geschäftsordnung des Landtags. „Grundsätzlich wird Gedeon weiterhin als fraktionsangehöriger Abgeordneter behandelt”, unterstrich Aras.
Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Grimmer, bekräftigte hingegen, dass Gedeon behandelt werde, als sei er ausgeschlossen. Genutzt werde dafür „ein fraktionsinternes Gestaltungsrecht“. Einen Rauswurf Gedeons hatte die Fraktion abgelehnt.
Die Grünen-Fraktion rief die AfD zum Verzicht auf die Zuschüsse von monatlichen mehreren 1000 Euro für Gedeon auf. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz verwies darauf, dass selbst AfD-Chef Jörg Meuthen Gedeons Aussagen als „antisemitisch” kritisiert hatte. Deshalb solle die 23-köpfige Fraktion auch auf das Geld für das Mitglied verzichten. „Alles andere wäre scheinheilig“, sagte Schwarz.
Die Politiker Gedeon behält nach Darstellung von Landtagspräsidentin Aras seine Rechte. So könne er wie jeder Abgeordnete Kleine Anfragen stellen und Abgeordnetenbriefe schreiben.
Die AfD-Fraktion will nun durch ein Gutachten klären lassen, ob ihr Mitglied in seinen Schriften den Massenmord an den Juden verharmlost hat. Eine Gutachterfindungskommission aus sieben Abgeordneten - ohne Gedeon - kam am Mittwoch zusammen, wie ein Sprecher der Fraktion sagte. Zu den Ergebnissen äußerte er sich nicht. AfD-Chef Meuthen, der Leiter der Findungskommission ist, hatte sich dafür ausgesprochen, dass auch ein Experte jüdischen Glaubens daran mitarbeitet.
Dem Vernehmen nach sollen die Namen erst genannt werden, wenn die Gutachter auch zugestimmt haben. Es geht demnach um ein Gutachten aus Beiträgen von drei Fachleuten. Gedeon, ein früherer Arzt aus dem Wahlkreis Singen, sieht sich über die Landesgrenzen hinaus Kritik ausgesetzt, Holocaust-Leugner zu unterstützen.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland kritisierte die Gutachterkommission als „unsinnig und überflüssig“, wie „die tageszeitung“ („taz“, Donnerstag) berichtet. „Wer die Shoa relativiert und Holocaust-Leugner als Dissidenten bezeichnet, ist eindeutig antisemitisch. Da muss nichts mehr geprüft werden“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster dem Blatt.
Gedeon hatte am Dienstag nach einer Krisensitzung seiner Fraktion erklärt, seine Mitgliedschaft in der Fraktion bis September ruhen zu lassen. Bis dahin soll das Gutachten vorliegen. Auf dessen Grundlage will die Fraktion erneut über seinen Ausschluss beraten.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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