Stuttgart. Seit Oktober 2009 arbeitet im Land eine Enquete-Kommission daran, die Aus und Weiterbildungsangebote im Land zu bewerten. Die konkreten Handlungsempfehlunegn stellt Andrea Krueger (CDU), Vorsitzende der Enquete-Kommission „Fit fürs Leben in der Wissensgesellschaft - berufliche Schulen, Aus- und Weiterbildung“, nächste Woche vor. Am Donnerstag sollen die Vorschläge dann im Landtag diskutiert werden.
staatsanzeiger.de: An den beruflichen Schulen im Land gibt es rund 50 000 ausländische Schüler. Mit Migrationshintergrund sind es noch einige mehr. Sprachprobleme sind da im Unterricht nicht selten. Haben Sie sich auch darüber Gedanken gemacht?
Andrea Krueger: Das betrifft aber nicht nur Jugendliche mit Migrationshintergrund, sondern generell bildungsferne Schichten. Natürlich treten Sprachprobleme, Konzentrationsprobleme oder Defizite bei der Sozialkompetenz auf. Dazu werden wir Empfehlungen machen. Eine ist, das Berufsvorbereitungs- und das Berufseinstiegsjahr zu dualisieren. Sprich: sich stärker am beruflichen Alltag zu orientieren. Die jungen Leute sollen nicht einfach noch ein Jahr in die Schule gehen, sondern zusätzlich zwei bis drei Tage in der Woche im Betrieb arbeiten. Das ist für die Lernmotivation hilfreicher, weil sie dann wissen, wofür sie eine Ausbildung machen. Die Wirtschaft hat ihre Mitwirkungsbereitschaft bereits signalisiert, weil auch der Wirtschaft klar ist, dass man versuchen muss, auch die Leistungsschwachen in eine duale Ausbildung zu bekommen und sie als Fachkräfte zu gewinnen.
Gibt es solche Möglichkeiten auch auf dem Land?
Standortsicherung, Berufsschulzentren als Kompetenzzentren und als Standortfaktor in der Region ist ein wichtiges Thema der Enquete. Es gibt eine Reihe von kleineren Schulstandorten, die wir stärken wollen. Zum Beispiel dadurch, dass wir dort die Möglichkeit anbieten wollen, das Abitur an einem beruflichen Gymnasium zu machen. Auch die Betriebe brauchen diese Kompetenz der beruflichen Schulen. Zum einen für die Ausbildung, aber natürlich auch um ihren Mitarbeitern Fort- und Weiterbildungen anbieten zu können. Werden die Berufsschulzentren weniger, haben auch die Betriebe keinen Ansprechpartner mehr vor Ort. Dann ist es eine reine Frage der Zeit wann die Betriebe dort nicht mehr ausbilden. Die beruflichen Schulen in der Fläche zu halten, ist deshalb auch eine Frage der Infrastrukturpolitik in einem Flächenland.
Trotz der vielen Bildungsmöglichkeiten beklagt die Wirtschaft häufig, dass die Fähigkeiten der Jugendlichen nicht den Anforderungen entsprechen. Wie gehen Sie damit um?
Die sogenannte Ausbildungsreife ist ein schwieriges Kapitel, weil die Frage ist, was ist eigentlich ausbildungsreif? Da haben die Betriebe zum Teil sehr unterschiedliche Vorstellungen. Ich finde es richtiger zu fragen, woran es klemmt. Ist ein Jugendlicher nicht ausbildungsreif weil er Schwächen beim Lesen, Rechnen und Schreiben hat? Oder weil es an den Sozialkompetenzen fehlt? Das sind ja höchst unterschiedliche Dinge, denen man mit unterschiedlichen Maßnahmen entgegenwirken kann. Aber gerade bei der Sozialkompetenz kann eine duale Ausbildung besonders wirkungsvoll sein. Das gilt insbesondere in kleinen Betrieben, wo der Azubi unmittelbar mit dem Ausbilder konfrontiert ist. Das hilft oft mehr, als in der Schule nochmals eine Runde zu drehen.
Wollen die Betriebe diese Aufgabe denn übernehmen?
Natürlich muss man die Betriebe dafür gewinnen und sie brauchen dafür Unterstützung. Aber andererseits gewinnen sie so Fachkräfte. Und dieser Druck wächst bei weniger werdenden jungen Menschen. Damit wird das Interesse der Betriebe zwangsweise wachsen, sich auch stärker dieser Personengruppe zu öffnen.
Bleibt das Problem, bestimmte Bevölkerungsgruppen für Aus- und Weiterbildung zu motivieren.
Bildungsberatung muss heute sicherlich anders erfolgen. Man kann heute nicht erwarten, dass jemand aus bildungsferner Schicht an eine Volkshochschule marschiert und fragt, welche Bildungsmöglichkeiten es im Angebot gibt. Man muss sich vor Ort überlegen, wie man an spezielle Gruppen heran kommt. Dazu wollen wir auch eine Empfehlung abgeben.
Wie soll die aussehen?
Das Problem muss in jeder Region individuell gelöst werden, weil auch die Rahmenbedingungen in jeder Region anders sind. Die Träger müssten überlegen, in welcher Art und Weise sie eine aufsuchende Bildungsberatung machen können. Wichtig daran ist, dass sie trägerübergreifend und trägerneutral erfolgt. Wie das konkret aussieht, wissen die Betroffenen besser als die Enquete. Wir wollen vorhandene Strukturen stärken und die Aufgabe stellen, eine aufsuchende Bildungsberatung einzurichten.
Das ist sicherlich eine Frage der Finanzierung.
Wir haben im Bereich Weiterbildung generell eine gute Infrastruktur, müssen aber dafür Sorge tragen, dass diese Angebote auch in der Fläche gesichert sind. Das muss seinen Niederschlag in der Förderung finden. Wir glauben, dass sie so ausgestaltet sein muss, dass Träger in der Fläche Weiterbildungsangebote machen können. Es wäre ein wichtiges Signal an die Träger, dass im Landeshaushalt nicht nur im schulischen Bereich sondern auch im Weiterbildungsbereich nicht gekürzt wird.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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