Brüssel. Alle EU-Bürger sollen bis 2013 Zugang zu einem Breitband-Internet-Anschluss haben können. Das ist eins der Ziele der so genannten Digitalen Agenda der EU, ein bis 2020 reichender Strategie-Plan, der zurzeit von den EU-Einrichtungen in seinen letzten Details ausformuliert wird.
In Deutschland und Baden-Württemberg gibt es bereits Strategien und Fördermöglichkeiten, die Durchdringung der gesamten Bundesrepublik mit schnellem Internet voranzutreiben. Problematisch sind oft dünn besiedelte Gebiete, also der ländliche Raum. Hier fehlt es oft an Investoren, um die nötigen Voraussetzungen für schnelle Netzverbindungen zu schaffen. Was dagegen zu tun sei, und welche Probleme die Eigeninitiative von Kommunen machen können, war Thema bei einer Podiumsdiskussion am Dienstag in der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Brüssel. Die Stichwörter hießen „Deutsche Breitbandstrategie“ und „Baden-Württembergische Breitbandinitiative“. Mit dabei war auch der Daniel Caspary (CDU), Europaabgeordneter aus Nordbaden. Staatsanzeiger-Korrespondent Kay Wagner hat mit ihm gesprochen.
Staatsanzeiger: Herr Caspary, ist die EU daran schuld, dass es schnelles Internet noch nicht überall in Baden-Württemberg gibt?
Daniel Caspary: Nein, ganz im Gegenteil: Die Europäische Union versucht ja wirklich, die Breitbandversorgung in den ländlichen Räumen voranzubringen und zu fördern. Dass dabei aber natürlich Wettbewerbsrecht eingehalten werden muss, ist klar.
Wie hängt das zusammen, Wettbewerbsrecht und fehlende Breitbandanbindungen?
Das europäische Wettbewerbs- oder Beihilferecht schreibt folgendes vor: Wenn mit öffentlichen Geldern die Breitbanderschließung einer Kommune gefördert wird, müssen bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Dazu gehört zum Beispiel die öffentliche Ausschreibung, um die Angebote von verschiedenen Wettbewerbern prüfen zu können. Das ist sinnvoll um sicherzugehen, dass mit Steuergeldern sinnvoll umgegangen wird.
Aber was geschieht, wenn die Kommune keinen Investor findet, ihren Bürgern aber trotzdem Internetanschluss bieten möchte?
Dann kann die Kommune im Rahmen der öffentlichen Daseinsfürsorge hier selbst tätig werden. Dieser Weg ist jedoch zugegebenermaßen sehr schwierig.
Wollte ich sagen: Weil das doch problematisch ist, da es schnell als Beihilfe gewertet wird.
Es ist dann nicht problematisch, wenn die einschlägigen Bestimmungen eingehalten werden. Ich rate den Kommunen in solchen Fällen jedoch dringend, vorher mit der Europäischen Beihilfebehörde Kontakt aufzunehmen. Wenn das vernünftig gemacht wird, sollte es keine Probleme geben. Denn ich habe den Eindruck, dass in der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission erkannt ist, dass die Breitbandversorgung im ländlichen Raum höchste Priorität hat.
Dann gibt es aus Ihrer Sicht gar keine Probleme mit der EU auf diesem Gebiet?
Bei den Fällen, die mir bekannt sind, war weniger das europäische Beihilferecht das Problem, sondern die Frage, ob die Höhe des angesetzten Zuschusses ausreichte, um die Mehrkosten des Netzes im ländlichen Raum zu finanzieren. Dort ist ja die Bevölkerungsdichte niedriger, die oft langen Strecken, die mit Kabel verlegt werden müssen, kosten mehr Geld. Der finanzielle Deckel der Zuschüsse war also eher das Problem, und weniger das Beihilferecht.
Wer ist für den finanziellen Deckel in Baden-Württemberg verantwortlich?
Das ist immer eine Frage der einzelnen Programme. Ist die Kommune bereit, mit Geld aus dem eigenen Haushalt das Projekt zu unterstützen? Sind Landesgelder, Bundesgelder, europäische Gelder im Spiel? Ich glaube, ein Problem dabei ist, dass alle vier genannten Ebenen, also von der kommunalen bis zur europäischen Ebene, eigene Förderprogramme aufgestellt haben. Ich fände es sinnvoller, wenn wir hier eine Konsolidierung der Förderprogramme erreichen könnten.
Grundsätzlich meinen Sie aber, dass es genug Geld für den Ausbau schneller Internetnetze gibt?
Man muss sich darum bemühen. Es stehen Zuschüsse auf Landes- und Bundesebene zur Verfügung. Im Europäischen Parlament würden wir gerne das Budget für den Breitbandausbau gerne erhöhen. Die Frage ist, machen die Mitgliedsstaaten mit? Unser Ziel im Europäischen Parlament ist es zumindest, dass spätestens in drei Jahren, im Jahr 2013, jeder Bürger und jedes Unternehmen technisch die Möglichkeit haben muss, seinen Computer, seinen Laptop an einen Breitbandanschluss anzuschließen.
Sei es über Kabel oder drahtlos?
Genau. Eine Bezuschussung darf nicht abhängig sein vor der Art des Anschlusses. Sondern wichtig ist auch hier, dass den Anbietern im Wettbewerb frei gestellt wird, wie sie sich bewerben. Sie müssen eben bestimmte technische Spezifikationen sicherstelle. Ich denke da vor allem an die Frage der Geschwindigkeit, die Frage der Sicherheit der Netze, Versorgungs- und Datensicherheit. All diese Dinge können im Rahmen der Ausschreibung durch die entsprechende Gemeinde sichergestellt werden.
Wie setzen Sie sich persönlich in Brüssel dafür ein, dass alle Gemeinden, auch in Ihrem Wahlkreis, mit schnellem Internet versorgt werden?
Für mich ist wichtig, dass das Beihilferecht keine Steine in den Weg legt. Ich habe den Eindruck, dass das nicht der Fall ist, will das aber weiter beobachten. Außerdem setze ich mich dafür ein, dass die Mittel für Breitbandausbau auf der europäischen Ebene erhöht werden. Das kommt dann auch den Gemeinden in Baden-Württemberg zu Gute.
Warum ist gerade im dortigen ländlichen Raum das Breitband so wichtig?
In Baden-Württemberg haben wir die glückliche Situation, dass in den ländlichen Räumen immer noch alle Generationen leben, die Jungen wie die Alten. Zweitens haben wir bei uns in Baden-Württemberg in den ländlichen Räumen viele Industrie- und Gewerbebetriebe, kleine und mittelständische Unternehmen auch im Dienstleistungsbereich, die auf schnelle und zuverlässige Datenanbindungen angewiesen sind. Wenn wir es nicht schaffen, bald die Datenversorgung durch die Breitbandversorgung sicherzustellen, dann wird das für die ländlichen Räume nicht gut sein.
Wird die EU es schaffen, jedem Bürger bis 2013 die Möglichkeit eines Breitbandanschlusses für Internet bereitzustellen?
Dafür müssen die Finanzierung und der Rahmen stimmen. Erstens auf Ebene der Europäische Union. Daran arbeiten wir. Zweitens gehört aber auch dazu, dass die Mitgliedsstaaten und die europäischen Regionen, in Deutschland die Bundesländer, ihre Verpflichtungen umsetzen. Für Baden-Württemberg bin ich recht optimistisch. Ich glaube, wir sind auch dank guter Initiativen der Landesregierung vielen anderen Bundesländern zwei oder drei Jahre voraus, wenn man sich die Versorgungsdichte anschaut.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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