Interview mit Ernst Messerschmidt

03.10.2010 
Redaktion
 
Landespolitik

Stuttgart. Der Innovationsrat Baden-Württemberg hat in dieser Woche nach drei Jahren seine Tätigkeit abgeschlossen. Über dessen Bilanz, die Innovationskraft Baden-Württembergs und noch zu lösende Probleme, äußerte sich der Vorstand des Gremiums, der Stuttgarter Physiker und frühere Astronaut, Ernst Messerschmidt im Gespräch mit staatsanzeiger.de

staatsanzeiger.de: Herr Professor Messerschmidt, spätestens seit dem McKinsey-Gutachten wird die Innovationskraft Baden-Württembergs sehr unterschiedlich beurteilt. Wo steht das Land aus Ihrer Sicht?

Ernst Messerschmidt: Von den Kennzahlen her stehen wir sehr gut da, auch im Vergleich zu unseren internationalen Mitkonkurrenten. Wir wenden 4,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Wissenschaft und Forschung auf. Aber man ist nie gut genug, dass man nicht besser sein könnte. Gerade bei der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft kann der Wirkungsgrad noch verbessert werden.

Was schlägt der Innovationsrat vor, um die Zusammenarbeit zu verbessern?

Wir haben verschiedene Konzepte entwickelt, beispielsweise „Industry on Campus“. Da werden in einem gemeinsamen Gebäude gemeinsam Inhalte entwickelt und gemeinsam geforscht. Oder ein Personaltausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, bei dem wir von der Marktinformation der Unternehmen profitieren können, wenn wir unsere Prototypen in Richtung Produkt weiterentwickeln wollen. Oder umgekehrt, wenn die Wirtschaft durch den Austausch erfährt, wo sich was tut auf technologischem Gebiet. Es gibt ja Beispiele, wo wir hätten schneller sein können, etwa bei der Speicherung von elektrischer Energie. Da fangen wir jetzt zwar an, uns auf hohem Niveau zu beschleunigen. Doch das hätten wir auch schon vor fünf Jahren machen können.

Sind sie mit der Arbeit und den Ergebnissen des Innovationsrates zufrieden?

Ich bin von der Vorgehensweise des Innovationsrates ganz angetan. Die Ansiedlung im Staatsministerium, die Unterstützung der wichtigsten Ministerien und die Zusammensetzung des Rates mit Vertretern aus vielen Bereichen hat die Arbeit sehr effektiv gemacht. Das war auch für mich eine einmalige Situation. Eine Menge von dem was wir vorgeschlagen haben, ist bereits umgesetzt. Der Rest wird folgen, auch wenn es diesen Innovationsrat jetzt nicht mehr gibt.

Der Innovationsrat hat eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen erarbeitet. Reicht diese Politik der kleinen Schritte, um die bestehenden Defizite zu beheben?

Es geht nicht nur um die unmittelbar für die Umsetzung der Vorschläge eingesetzten Mittel, sonder auch um die Mittel und die Anstrengungen, die zwangsläufig folgen. Innovation findet ja hauptsächlich im Kopf statt. Und das muss ja auch in die Köpfe der Politiker gehen, wie das zu organisieren ist. Die Förderung von Innovation kann ja auch bestehenden Budgets der Ministerien vorangetrieben werden.

Braucht es neben den klassischen Schlüsselbranchen Baden-Württembergs ganz neue Felder, um das Land zukunftsfähig zu halten?

Man kann sich ein Engagement nicht auf allen Feldern leisten. Deshalb haben wir ja gerade die Mobilität als besonders drängenden Punkt auf den Schirm gehoben, weil das eben der wichtigsten Bereich für das Land ist. Man muss aber natürlich aufpassen, dass man nicht nur auf ein Pferd setzt. Wir haben uns aus diesem Grund auch nicht auf einzelne Themen, auf einzelne Technologien festgelegt.

Sie kritisieren eine gewisse Technikfeindlichkeit in der Bevölkerung. Was müsste denn passieren, um ein Umdenken in Gang zu setzen?

Die Technik und deren Nutzen muss noch stärker herausgestellt werden. Die Jugend macht das ja mit ihren I-Phones und anderen Geräten. Wir müssen das demonstrieren, auch in großen Projekten wie Stuttgart 21. Das ist für mich das Gesicht Stuttgarts des 21. Jahrhunderts. Wir brauchen neue Symbole. Aber wir müssen das auch besser kommunizieren. Da hätte man mehr tun sollen. Ich hätte aber große Probleme damit, wenn der Staat in dieser Sache jetzt nicht Beharrlichkeit zeigt. Ich kann mit Parteien nichts anfangen, die ihre Meinung ändern, weil einige Wenige auf die Straße gehen.


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