Tuttlingen. Am Donnerstag ist Stefan Bär, zuvor 18 Jahre lang Bürgermeister von Fridingen an der Donau und für die Freien Wähler im Kreistag, in das Amt als Landrat des Kreises Tuttlingen eingeführt worden. Die besonderen Probleme des Ländlichen Raums wie die Stärken des Landkreises und sein Ziel der Schuldenreduzierung erörterte er im Interview mit Christoph Müller.
Im neuen Amt wollen Sie ein “Anwalt des Ländlichen Raums“ sein. In welchen Maßnahmen wird sich das konkret zeigen?
Der Ländliche Raum steht vor gewaltigen Herausforderungen. Der Demographische Wandel führt nicht nur zu sinkenden Einwohnerzahlen, sondern in der Folge auch zur Gefährdung von örtlicher Infrastruktur, wie beispielsweise auch Arztpraxen. Außerdem stellen wir ja auch einen Rückzug von Behörden aus der Fläche fest.
Ich sehe die Aufgabe des Landkreises darin, dass wir die Gemeinden nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern gemeinsam unsere Stimme erheben. Baden-Württemberg ist gut damit gefahren, dass es neben starken Zentren und Metropolen eben auch starke Ländliche Räume gibt. Auch viele international erfolgreich tätige Mittelständler sind hier zuhause. Wir werden deshalb ein offenes Ohr für die Anliegen der Gemeinden haben und diese unterstützen, wo immer es nur geht. Dies gilt insbesondere bei der Sicherung und Schaffung neuer Arbeitsplätze im Zuge von gewerblichen Vorhaben.
Was wollen sie nach 100 Tagen als Landrat erreicht haben?
Die sprichwörtlichen 100 Tage dienen primär der Einarbeitung. In den nächsten Tagen und Wochen stehen viele Gespräche zum Kennenlernen innerhalb der Landkreisverwaltung, aber natürlich auch Antrittsbesuche bei Institutionen, Behörden und Einrichtungen in unserer Nachbarschaft an. Ich möchte mir in dieser Zeit einen breiten Überblick verschaffen und darauf aufbauend, dann die Prioritäten meiner Arbeit für die nächsten Monate definieren.
Was ist in Ihren Augen die Besonderheit des Landkreises Tuttlingen?
Wir sind ein sehr wirtschaftsstarker Kreis mit einem breiten Angebot an hervorragenden Firmen, davon viele Weltmarktführer in ihren Bereichen. Dies wird uns in vielen externen Studien immer wieder bestätigt. Hinzu kommen intakte Gemeinden mit einem großen bürgerschaftlichem Engagement und schaffigen Einwohnern. Wir sind aber auch ein familienfreundlicher Landkreis mit zahlreichen Betreuungs- und Hilfeangeboten. Und wir haben landschaftliche Schönheiten mit dem Heuberg oder dem Donautal vorzuweisen, die keinen Vergleich zu scheuen brauchen. Kurz gesagt: Wir sind ein Landkreis, in dem sich nicht nur gut arbeiten, sondern vor allem auch sehr gut leben lässt. Sie möchten die beiden Kliniken in öffentlicher Trägerschaft erhalten.
Ist das angesichts der Rahmenbedingungen realistisch?
Es hat noch niemand den Nachweis erbracht, dass privat betriebene Kliniken per se wirtschaftlich erfolgreicher sind. Auch öffentliche Häuser haben ihre Berechtigung und unterstreichen dies auch in vielen Fällen. Richtig ist, dass die Rahmenbedingungen schwieriger geworden sind, gerade für kleinere Häuser wie wir sie haben. Wir werden deshalb bereits in wenigen Wochen ein Zukunftskonzept in Auftrag geben, auf dessen Grundlage wir dann über die strukturellen Maßnahmen entscheiden können, die für die Sicherung unseres Klinikums notwendig sind. Sie wollen die Schulden des Kreises abbauen.
Wo soll denn eingespart werden?
Wir haben in den letzten Jahren viel investiert und können uns nun auch eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. Konkrete Maßnahmen kann ich Ihnen heute an meinem 7. Arbeitstag noch nicht nennen. Wir werden aber spätestens zu den Haushaltsplanberatungen im Herbst eine Neubewertung der künftigen Schwerpunkte vornehmen und dann auch konkrete Vorschläge vorlegen.
An eine frühere Bildungsoffensive im Landkreis möchten Sie anknüpfen. Wie?
Wir haben starke, breit aufgestellte Berufsschulen und mit dem Hochschulcampus Tuttlingen ein einzigartiges Modell, das auch landesweit für Aufsehen sorgt. Unser Ziel ist es, auf die Anforderungen und Bedürfnisse unserer Unternehmen mit passgenauen Bildungsgängen und Profilen in unseren Berufsschulen zu reagieren. Wir werden künftig aber auch der Weiter- und Fortbildung größeres Augenmerk schenken müssen. Ein weiterer Schwerpunkt wird gerade wegen des Nachwuchskräftemangels sein, dass wir keinen Schulabgänger verloren geben und eine für ihn passende Tätigkeit finden. Dazu brauchen wir ein breites Netzwerk aller Bildungsträger im Landkreis. Mehr als 60 Jahre stellte stets die CDU den Landrat im Kreis.
Erschwert es Ihre Arbeit als Landrat, dass sie anderer politischer Couleur sind?
Ich glaube nicht. Die Arbeit im Kreistag war in den letzten Jahren immer von einer sachlichen Atmosphäre geprägt. Wir haben die allermeisten Themen gemeinsam über Fraktionsgrenzen hinweg mit breiten Mehrheiten, oft sogar einstimmig, entschieden. Da hat die Parteizugehörigkeit keine Rolle gespielt. Es mag in den ersten Wochen das eine oder andere Geplänkel geben. Ich bin aber überzeugt, dass wir sehr schnell zu einem guten Miteinander finden werden.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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