Stuttgart. Im Februar präsentieren sich 35 soziokulturelle Zentren in Baden-Württemberg mit dem Schaufenster „Spotlight Soziokultur – Kultur im ganzen Land“ mit zahlreichen Veranstaltungen. Dietrich Birk (CDU), Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, sagt, welche Rolle die Soziokultur im Land spielt.
staatsanzeiger.de: Warum sind Sie Schirmherr bei „Spotlight Soziokultur“?
Dietrich Birk: Die ersten Soziokulturellen Zentren wurden in den sechziger und siebziger Jahren gegründet und sind heute nicht mehr aus dem Land wegzudenken. Sie bilden eine wichtige Säule der Kultur, gerade für den ländlichen Raum. Gut die Hälfte dieser Zentren im Land befinden sich in Städten mit bis zu 50 000 Einwohnern. In manchen Orten sind sie das einzige Kulturangebot. Mit ihren Angeboten für Kinder und Jugendliche fördern sie den frühen Zugang zur Kultur und die kulturelle Bildung. Das ist uns, wie in der Kulturkonzeption 2020 formuliert, ein besonderes Anliegen.
Diese Zentren entwickelten sich aus den neuen sozialen Bewegungen. Als Modelle für andere gesellschaftliche Arbeits- und Lebensformen jenseits des bürgerlichen, traditionellen Kulturbetriebs waren sie nicht in der Politik beliebt, die sie nun fördert. Wie viel Alternativkultur steckt noch in der Soziokultur?
Das Publikum kommt heute aus allen Gruppen unserer Gesellschaft. Die Zentren sind der Humus einer lebendigen Kultur. Junge Nachwuchskünstler bekommen ein öffentliches Podium und Probenräume. Die Bandbreite der Programme reicht von Kleinkunst über Musik, Theater und Tanz bis hin zu Literatur und Podiumsdiskussionen. Der Zugang zur Kultur ist leichter als bei manchem institutionalisierten Angebot, die Hemmschwellen sind niedriger. Die Zentren spielen auch eine wichtige Rolle als Spielorte und Experimentierfelder für die Freie Szene der zeitgenössischen Tanz- und Theatermacher, von denen viele innovative, kreative Impulse ausgehen.
Nicht nur in Stuttgart wünscht sich die Freie Szene einen eigenen Spiel- und Produktionsort ...
Das Land fördert den Landesverband der freien Theater nach einer Aufstockung nun mit über 1,5 Millionen Euro im Jahr. Die Ensembles im Land machen hochspannendes, innovatives Theater - auch in der Sparte Tanz. Um dies fortsetzen zu können, steht für das Land nicht die Frage der Spielstätten im Vordergrund, sondern jene der Arbeitsbedingungen, des Personals und des Inhalts. Das hat für uns Vorrang.
Das Land hat seine Zuschüsse für die Soziokultur auf 1,933 Millionen Euro erhöht. Doch das Budget ist knapp bei manchen Zentren auch aufgrund kommunaler Kürzungen. Was erwarten Sie von Kommunen?
Die Kommunen müssen ihren Auftrag zur Kulturförderung ernst nehmen – und sie wissen auch um den Stellenwert der Soziokulturellen Zentren für die Menschen vor Ort. Wir brauchen die Kommunen als starke Partner, um die Kultur mitzufinanzieren. Während manche Kommunen ihre Zuschüsse zurückgefahren haben, hat das Land in den letzten beiden Jahren die Mittel nicht gekürzt. Durch zwei Millionen Euro aus den Konjunkturprogrammen von Bund und Land — ein Viertel sind Landesmittel — können nun vier Zentren in Esslingen, Heidelberg, Freiburg und Karlsruhe dringend nötige Umbau- und Sanierungsmaßnahmen durchführen. Zur Zeit überlegen wir, die Förderung der Soziokultur neu zu justieren.
In welcher Form?
Bisher fördern wir anteilig Umbau und Sanierung, Erstausstattung, Projekte und die laufende Programmarbeit. Wir denken daran, für den Bau oder Umbau bestimmte Begrenzungen einzuführen und dafür mehr Geld in die Programm- und Projektarbeitarbeit umzuschichten. Dazu sind wir mit allen Beteiligten im Gespräch.
Die Landesgelder gingen bisher nur an einen Teil der darin organisierten Mitglieder. Ist diese Deckelung, dieser „closed shop“ dann Vergangenheit?
Die Landesmittel werden nicht von der LAKS, sondern vom Kunstministerium verteilt; die LAKS macht dafür Vorschläge. Auch Einrichtungen, die ihr nicht angehören, werden gefördert. Dank der Mittelsteigerung für die Soziokultur um 17 Prozent innerhalb von drei Jahren ist der „closed shop“ Vergangenheit. Ab diesem Jahr können mehr Kulturinitiativen und Zentren in die Landesförderung aufgenommen werden. In der LAKS sind 54 Zentren organisiert, im vergangenen Jahr wurden landesweit 52 Kulturinitiativen und Soziokulturelle Zentren gefördert.
Manche Zentren überleben nicht zuletzt auch, weil sie viele Ehrenamtliche haben. Wird es einmal ohne gehen?
Ohne Ehrenamt wird es nicht gehen. Und warum sollen im Zuge des demografischen Wandels nicht auch an Kultur interessierte ältere Menschen dort mitarbeiten? Man ist nie zu alt für Soziokultur.
Wo sehen Sie die Soziokultur in Zukunft?
Ich sehe hier viele Aufgabenfelder, neben generationsübergreifenden Ansätzen und kultureller Bildung auch Themen wie interkulturelle Bildung und Integration. Ich denke an Kooperationsprojekte mit Schulen und Kommunen etwa über das Jugendbegleiterprogramm. Ebenso gut kann ich mir Projekte mit etablierten Kulturinstitutionen wie Staatsoper, Theater oder Ballett vorstellen. Hier darf es keine Konkurrenzsituation bei der Förderung geben. In der Freien Szene gibt es viele genreübergreifende Ideen gerade auch mit neuen Medien. Von Seiten des Landes dürfen wir uns hier nicht abschotten. Zumal auf diese Weise auch etablierte Einrichtungen ein jüngeres Publikum gewinnen könnten.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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