Stuttgart. Wenn Mitte Oktober die Höhe der EEG-Umlage für 2018 bekannt gegeben wird, müssen auch die Netzentgelte feststehen. Diese werden wohl steigen, wie Christoph Müller, Geschäftsführer von Netze BW, sagt. Grund sind viele staatliche Umlagen. Bereits heute machen die Netzentgelte 25 Prozent des Strompreises aus.
Der Bundestag hat vor der Sommerpause das Netzentgeltmodernisierungsgesetz verabschiedet. Ziel der Reform ist es, die Übertragungsnetzentgelte bundesweit zu vereinheitlichen und sie so in Regionen mit einem hohen Ausbau erneuerbarer Energien zu vermindern. Außerdem werden die vermiedenen Netznutzungsentgelte für nicht steuerbare Wind- und Solaranlagen bis 2020 abgeschafft. Sie haben bislang die Netzumlage be- und die EEG-Umlage entlastet.
„Es gilt abzuwarten, ob die verabschiedeten Neuregelungen auch tatsächlich die gewünschten Effekte haben werden“, heißt es im Umweltministerium Baden-Württemberg. Unabhängig davon ist die Landesregierung der Auffassung, dass die Bundesregierung das Thema Netzentgelte erneut aufgreifen muss. „Aus unserer Sicht sollte es keine weiteren Einzelmaßnahmen geben, sondern eine umfassende Neuregelung entwickelt werden“, so ein Ministeriumssprecher.
Auch bei der EnBW-Tochter Netze BW ist man skeptisch. „Ein paar Punkte wurden zwar verbessert, aber noch hat niemand überprüft, ob die Maßnahmen sinnvoll ineinander greifen. Das wäre dringend notwendig“, sagt Geschäftsführer Christoph Müller. Doch auch wenn die vermiedenen Netzentgelte ab 2020 teilweise wegfallen, gehen die Netzbetreiber davon aus, dass die Netzentgelte im kommenden Jahr wieder steigen werden. Denn ein Teil der Kosten ist durch Umlagen der Energiewende begründet.
Müller ärgert es, dass die Politik „Kosten der Energiewende in den Netzentgelten versteckt“. Denn die Netzkosten werden in der Stromrechnung nicht detailliert aufgeschlüsselt. „Und so gehen die Kosten neuer politischer Maßnahmen ungesehen und unbeachtet in den Netzkosten auf.“ Und davon werde umfassend Gebrauch gemacht. Dies mache inzwischen rund ein Fünftel der Netzentgelte oder 3,7 Milliarden Euro aus (siehe Grafik).
Allein mit Blick auf die Versorgungssicherheit sind hier über verschiedene Umlagen Kraftwerksreserven einberechnet. Dazu zählen die Netzreserve, die Kapazitätsreserve, besondere technische Betriebsmittel und die Sicherheitsreserve.
In der Netzreserve finden sich vor allem Kohle- und Gaskraftwerke, deren Betrieb sich bei den aktuellen Marktpreisen nicht mehr rechnet. Wenn die Betreiber sie stilllegen wollen, muss dies jedoch von der Bundesnetzagentur genehmigt werden. Sind sie jedoch für die Versorgungssicherheit notwendig, dürfen sie nicht abgeschaltet werden. Sie kommen in die Netzreserve.
Bei Bedarf kann der Übertragungsnetzbetreiber sie als Reservekraftwerke aufrufen. Er muss alle Kosten, die dem Kraftwerksbetreiber entstehen, ersetzen. Das summiert sich inzwischen auf 290 Millionen Euro. Die EnBW hat inzwischen neun Blöcke in der Reserve. Im vergangenen Winter wurden Reservekraftwerke laut Umweltministerium zur Versorgung benötigt.
Falls es für Netzstabilität und Versorgungssicherheit notwendig ist, können die Übertragungsnetzbetreiber auch noch weitere Kraftwerke hinzuziehen. Sie bilden die Kapazitätsreserve. Im besonderen Fall können die Übertragungsnetzbetreiber auch noch eigene Kraftwerke bauen. Das fällt unter die besonderen netztechnischen Betriebsmittel.
Hinter der Sicherheitsreserve verbergen sich stillgelegte Braunkohlekraftwerke. Damit wurde vor allem der RWE die Entscheidung erleichtert, die Kraftwerke im Norden abzuschalten. Die Kosten dafür werden auf alle Kunden umgelegt, die Netzreserve hingegen zahlen nur die Kunden, in deren Netzgebiet die Kraftwerke liegen. Nach Angaben Müllers werden die Kosten für Netzreserve, Kapazitätsreserve und Sicherheitsreserve in den kommenden Jahren steigen.
Hinzu kommt noch das Thema Redispatch. Dies betrifft Ausgleichszahlungen für Kraftwerke, die trotz eines Überangebots – beispielsweise an Windstrom aus Norddeutschland – im Süden trotz negativer Preise an der Börse weiterlaufen müssen, um das Stromnetz stabil zu halten. Über das Einspeisemanagement werden bei einem Überangebot an Strom auch Erneuerbare-Energien-Anlagen abgeregelt. Auch diese Verluste müssen den Anlagenbetreibern erstattet werden.
Weitere Kosten fallen für die Anbindung von Offshorewindparks an. Diese werden über die Offshore-Netzanbindung umgelegt. Dieser Posten wird jedoch ab 2019 aus den Netzentgelten herausgelöst und in eine separate Umlage überführt. Noch nicht berücksichtigt sind die Kosten für die Erdverkabelung der neuen großen Stromtrassen von Nord nach Süd. Nach Ansicht Müllers sind angesichts der vielen, zum Teil steigenden Umlagen bei den Netzentgelten keine Preissenkungen zu erwarten, ganz gleich, welche Effizienzanstrengungen die Netzbetreiber unternehmen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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