Stuttgart. „Es ist die Fortsetzung von Klientelpolitik auf anderem Niveau“, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Franz Untersteller die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Diese wurde zwar von der Bundesregierung beschlossen, aber auch von der FDP-CDU-Koalition im Land bereits seit Jahren gefordert. Die Grünen hatten die aktuelle Debatte im Landtag am Donnerstag zu dem Thema beantragt. Denn für Untersteller ist klar: Eine stichhaltige Begründung für die Laufzeitverlängerung sei bis heute nicht geliefert worden.
Im Gegenteil: Der von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenrat für Umweltfragen habe in einem Gutachten in diesem Frühjahr bereits dargelegt, warum die Laufzeiten nicht verlängert werden dürften und dass diese dem Ausbau der erneuerbaren Energien schaden würden. Auch auf die Strompreisentwicklung hätte eine Laufzeitverlängerung keine Auswirkungen, verwies Untersteller auch auf das von der Bundesregierung selbst für das Energiekonzept eingeholte Gutachten vom Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln (EWI). Auch dem Umweltschutz diene eine Laufzeitverlängerung nicht, da durch den Emissionshandel die Obergrenzen für den Kohlendioxidausstoß in Europa festgelegt seien.
Er verwies auf eine Studie der LBBW vom September dieses Jahres wonach allein für den Energieversorger EnBW durch die Laufzeitverlängerung 22 Milliarden an Mehrerträgen zu erwarten seien, von denen jedoch lediglich acht Milliarden abgeschöpft würden. Wenn man dann noch die Brennelementesteuer abziehe, blieben noch etwa 30 Prozent für die Förderung erneuerbarer Energie übrig, kritisierte Untersteller. Damit sei man weit von der zuvor von FDP und CDU im Land geforderten Abschöpfung von mindestens 50 Prozent entfernt.
Dies wollte Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) so nicht stehen lassen. „Wir schöpfen mehr als 50 Prozent ab“, so Gönner. In dem Gutachten seien lediglich die Werte berücksichtigt, die bereits festgelegt seien, nicht jedoch die weitere geplante Abschöpfung ab dem Jahr 2016.
Paul Nemeth (CDU) wies darauf hin, dass mit der Laufzeitverlängerung neue Mittel generiert würden, um die Energiewende überhaupt zu finanzieren. Die Laufzeitverlängerung sei keineswegs zum Schaden der erneuerbaren Energien, deren Vorrang sei durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz gesichert. Gerade die Stadtwerke würden von der Laufzeitverlängerung profitieren, so Nemeth. Außerdem warf er den Grünen vor, grundsätzlich gegen alles zu sein, gegen Atomkraft ebenso wie gegen Kohlekraftwerke oder Pumpspeicherkraftwerke.
„Was Sie gemacht haben, war ein Bärendienst für die Energiewirtschaft“, sagte Thomas Knapp (SPD) an die Adresse von Christdemokraten und Liberalen gewandt. Er verwies auf die Kritik der Stadtwerke an der Laufzeitverlängerung. Diese haben nach Angaben von Untersteller als Folge des im Jahr 2000 zwischen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und den Atomkraftwerksbetreibern vereinbarten Atomausstieg mehr als 12 Milliarden Euro an Investitionen in Angriff genommen, von denen sechs Milliarden bereits realisiert seien. Die weiteren Investitionen lägen nun zunächst in der Schublade. Die Laufzeitverlängerung habe nichts mit Verlässlichkeit und Sicherheit für Investitionen zu tun, kritisierten Vertreter von Grünen und SPD. „Rot-Grün hatte eine saubere Linie des Ausstiegs festgelegt. Sie haben sie ohne Not aufgekündigt“, so Knapp.
Heftig debattiert wurde auch die Frage der Sicherheit. Knapp sprach unter Verweis auf das Energiekonzept von einer Deckelung der Sicherheitsausgaben auf 500 Millionen Euro. Dieses wurde von Hans-Ulrich Rülke (FDP) bestritten: Es dürfe durchaus über diesen Betrag hinaus in ein Kernkraftwerk investiert werden. Bloß werden dann weniger an Gewinnen abgeschöpft. Umweltministerin Gönner betonte, dass die Sicherheit der Kernkraftwerke im Land gewährleistet sei. Diese hätten bei internationalen Bewertungen hervorragend abgeschnitten. Die EnBW hatte alle ihre Atomkraftwerke von der Internationalen Atomaufsichtsbehörde begutachten lassen.
Gönner sprach davon, dass die Laufzeitverlängerung der Stabilität der Strompreise ebenso wie der Versorgungssicherheit diene. Sie wies darauf hin, dass die EEG-Umlage dieses jahre acht Milliarden Euro betragen habe, für das kommende Jahr werde mit 13 Milliarden gerechnet.
Auch gebe es nun endlich ein Energiekonzept. Die rot-grüne Koalition habe damals versäumt, eines aufzustellen. Unter Verweis auf das Gutachten des Umweltrats, bei dem im Hinblick auf Speicherkapazitäten für Erneuerbare Energien vor allem auf einen Leitungsausbau nach Norwegen und die Nutzung dortiger Wasservorkommen gesetzt wird, sagte Gönner: „Ich finde es schwierig, dass ein Konzept darauf aufgebaut wird, dass wir die Speicherkapazitäten in andere Ländern benötigen.“
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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