Stuttgart. Von einer Erfolgsgeschichte sprechen Landesregierung und Opposition, wenn es um das Jugendbegleiterprogramm geht. In der Landtagsdebatte an diesem Mittwoch forderte die FDP mit Unterstützung der CDU, einen geeigneten Rahmen für die Kooperation von Ganztagsschulen und außerschulischen Partnern zu schaffen. Grüne und SPD warnten davor, Professionalität durch Ehrenamt zu ersetzen. Über Details der Weiterentwicklung des Programms müsse noch diskutiert werden. Im zweiten Quartal werden neue Evaluationsergebnisse erwartet.
Ganztägige Betreuungsangebote werden seit Februar 2006 an Schulen in Baden-Württemberg erprobt. Die Rahmenvereinbarung zum Jugendbegleiterprogramm haben das Land, die drei kommunalen Landesverbänden und rund 80 Verbände, Organisationen und Kirchen unterzeichnet. Mit 242 Schulen begann die Modellphase, zum Schuljahr 2011/2012 die Regelphase. Derzeit nehmen rund 1500 Schulen teil. Jugendbegleiter sollen ein zentrales Element der Ganztagesschule sein. Sie kommen aus dem schulischen Umfeld, Vereinen, Organisationen oder Kirchen vor Ort und bieten Aktivitäten an wie Hausaufgabenbetreuung, Bewerbertraining, Computerkurse, Sport, Musik- und Theaterspielen, Natur- und Technikkurse. 30.000 Betreuungsstunden werden so von mehr als 17.000 Jugendbegleitern abgedeckt. Je nach wöchentlicher Stundenzahl der Betreuer bekommt jede Schule ein Förderbudget vom Land.
Dass die Landesregierung den Ausbau fortsetze, sei der FDP ein wichtiges Anliegen, betonte Timm Kern. Für die Kooperation zwischen Schulen und Jugendbegleitern sei ein Rahmen erforderlich: „Das Jugendbegleiterprogramm muss einen unbürokratischen Rahmen haben. Das Budgetprinzip weißt in die richtige Richtung, aber viele Schulen klagen über einen hohen Verwaltungsaufwand.“ Grüne und SPD hätten sich in der Vergangenheit kritisch geäußert. „Es ging um Qualität. Aber Qualität ist nicht nur gegeben, wenn Schule rein staatlich organisiert ist“, sagte Kern. Auch mit bürgerlichem Engagement könne Begeisterung weitergeben werden. Fraglich sei, ob die niedrige Aufwandsentschädigung für Betreuer ausreiche, wenn gleichzeitig Qualität erwartet werde. Auch Monika Stolz (CDU) betonte, dass das Programm erfolgreich eingeführt wurde, qualitätsgesichert sei, dynamisch wachse – „eine kleine Erfolgsgeschichte“. Die Regierung habe „ein Chaos in der Schulpolitik angerichtet. Hier nicht, wir können froh darum sein“. Dennoch fordere die CDU ein Programm, das seinen Namen verdient und bei der Diskussion um die Ganztagsschule nicht unter den Tisch fällt.
„Wir haben kein Problem damit, dass das Ganztagsangebot durch diese Elemente ergänzt wird“, sagte Sandra Boser (Grüne). Das Jugendbegleiterprogramm habe aber nicht dazu geführt, dass zusätzlich Qualität in den Schulen stattfindet. So sollten für die Hausaufgabenbetreuung Professionelle, also Lehrer eingesetzt werden. „Das ist ein wichtiges Programm, wenn es als Ergänzung gesehen wird“, betonte Christoph Bayer (SPD). „Es ist aber keine tragende Säule. Das Ehrenamtliche soll die Kür darstellen, das pädagogische Sahnehäubchen.“ Es solle nicht darum gehen, die Kernbereiche möglichst kostengünstig abzudecken. Es sei eine falsche Weichenstellung, wenn Professionalität durch Ehrenamt ersetzt werde. „Nur 19 Prozent der Jugendbegleiter kommen von außen, aus Verbänden, rund 80 Prozent haben Schulbezug. Bisher besteht eher ein Übergewicht zugunsten der Betreuung und zulasten der Erziehung“, sagte Bayer. Vor einer Änderung brauche es Evaluationsergebnisse, man müsse das zweite Quartal 2012 abwarten.
Die Ergebnisse will auch Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) abwarten. Der Ausbau der Ganztagsschule sei eine gesellschaftliche Herausforderung, es gehe um einen rhythmisierter Betrieb zwischen Lernen, Beaufsichtigung und Freizeit. Auch sie betonte: „Niemand wird daran gehindert, Wissen einzubringen. Aber wir brauchen mehr pädagogischen Sachverstand.“ Über Details müsse noch diskutiert werden. Bereits sicher sei der Aufbau einer Datenbank. „Sie wird diesen Sommer ans Netz gehen. Interessierte können sich dort einbringen, zueinander finden. Das wird sicher dazu beitragen, dass noch mehr passiert“, so die Kultusministerin
Gemütlich abzuwarten könne sich Baden-Württemberg nicht leisten. „Verbände, Kirchen und Vereine stehen doch vor der Türe und brauchen Verlässlichkeit. Wir nehmen die Anliegen ernst und meinen, ein neues Rahmenprogramm zu brauchen“, sagte Jochen Haußmann (FDP). Sie seien bereit zur Kooperation, aber Grüne und SPD hätten „ein tiefes Misstrauen gegenüber Ehrenamtlichen“. Das Jugendbegleiterprogramm werde aktuell so weitergeführt, beendete Christoph Bayer die Debatte. „Es bringt die Zivilgesellschaft an Schulen. Es ist keine Säule, sondern ein Baustein in der Architektur der Bildungslandschaften.“ Zur Systematisierung brauche es Struktur, in die Richtung wolle man gehen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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