Lebenswelten verschiedener Generationen zusammenführen

25.07.2012 
Redaktion
 
Generationenpolitik
Foto: MEV

Bad Boll. In einer älter werdenden Gesellschaft gewinnt die Solidarität zwischen den Generationen an Bedeutung. Jede Altersgruppe muss in einer Gemeinschaft Verständnis und Akzeptanz für die Belange anderer Altersgruppen aufbringen können. Eine Herausforderung, der eine nachhaltige Generationenpolitik künftig gerecht werden muss, wie die Fachtagung „Perspektiven des Landes im Dialog der Generationen“ in der Evangelischen Akademie Bad Boll zeigte.

Im Zuge des demografischen Wandels wird die Gestaltung von Generationenbeziehung künftig stärker in zielgruppenspezifische Politikfelder, wie die Kinder-, Jugend-, Familien-, Senioren- oder Gleichstellungspolitik, hineinwirken, wie Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) an diesem Montag in Bad Boll betonte.

Die Entwicklung einer Generationenpolitik, die bereits bestehende Politikbereiche miteinander verknüpft, sei deshalb wichtig. Denn eine Herausforderung des demografischen Wandels bestehe darin, dass sich die Generationenbeziehungen deutlich und nachhaltig verändern werden.

Ministerin: „Wer nicht miteinander redet entfremdet sich“

Die Zahl von älteren Menschen, die ohne Kinder und Enkel leben, steige. Diese Personen hätten in ihrem Alltag und persönlichen Umfeld nicht die Möglichkeit die Lebensrealität und Sichtweise nachwachsender Generationen kennenzulernen. Das könne in der Folge die Bildung negativer Stereotype fördern. „Wer nicht miteinander redet entfremdet sich“, sagte Altpeter. Die Lebenswelten junger und alter Menschen haben sich der Ministerin zufolge zunehmend separiert.

Daher ist es laut François Höpflinger vom Soziologischen Institut der Uni Zürich notwendig, die Lebens- und Erfahrungswelten verschiedener Generationen zusammenzuführen sowie die intergenerationelle Dialogbereitschaft zu fördern.

Vom Mit- und Nebeneinander von Jung und Alt

Eine generationenfreundliche Gesellschaft zeichnet sich dem Forscher zufolge unter anderem durch eine gute Kombination des Mit- und Nebeneinanders von Jung und Alt aus. Dazu gehöre auch die sozialpolitische Entlastung belasteter Familie, um zu verhindern, dass sich Armut intergenerationell fortsetzt. Ein wechselseitiges Generationenlernen muss laut Höpflinger ebenso gefördert werden, wie die Entwicklung einer altersneutralen Gesellschaft in der es weder Altersprivilegien gibt, noch eine Diskriminierung aufgrund der Lebensjahre von Menschen.

Kommunen und Einrichtungen, die generationenübergreifende Begegnungen und Dialoge fördern wollen, müssen Höpflinger zufolge beachten, dass die Kontakte zwischen Jung und Alt gerade von der Alters- und Generationendifferenz leben. Erfahrungen und Lebenshintergründe müssten thematisiert und nicht verwischt werden. Denn intergenerationell angelegte Projekte könnten nur dann gelingen, wenn ein wechselseitiges Lernen möglich wäre. Dies sei die Basis, um über Altersgrenzen hinweg Brücken zu schlagen, die Verständnis schaffen und den Bedürfnissen unterschiedlicher Generationen gerecht werden.

Demografiesensible Kommunalpolitik umsetzen

Städte und Gemeinden die eine demografiesensible Kommunalpolitik entwickeln wollen, können das im Rahmen von Zukunftswerkstätten tun. Dabei handelt es sich um ein Angebot der FamilienForschung des Statistischen Landesamts. Mit ihm lassen sich lokale Akteure wie Vereine, Organisationen, Verbände, Verwaltung oder Bürger einbinden und die Wünsche und Bedürfnisse verschiedener Altersgruppen mit Blick auf eine generationenfreundliche Kommune erheben.

Im Rahmen der Zukunftswerkstätten wird laut dem Statistiker Jens Ridderbusch in einer Ist-Analyse erhoben, welche Angebote beispielsweise im Bereich der Kinder-, Jugend-, Senioren- und Familienfreundlichkeit bestehen. Anhand von Ausgangsfragen werden in dem mehrstufigen Bürgerbeteiligungsverfahren zukünftige Handlungsfelder lokalisiert, die helfen Ideen und Maßnahmen zu entwickeln, die zu mehr Generationenfreundlichkeit und damit Lebensqualität in der jeweiligen Kommune führen. Bestehende Angebote können damit laut Ridderbusch weiterentwickelt, neue gestaltet und besser am tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung ausgerichtet werden.

Begegnungen zwischen verschiedenen Generationen schaffen

Ein Beispiel dafür, ist das Richard Bürger Heim für Demenzkranke in Stuttgart-Feuerbach. Das Pflegeheim befindet sich in der zweiten Etage des Burgenlandzentrums, in dem unter anderem auch  die Stadtteilbücherei, ein Kindergarten, eine Jugendmusikschule, Geschäfte, Büros und Eigentumswohnungen angesiedelt sind. In diesem Kontext ist es der Heimleitung gelungen Begegnungen zwischen verschiedenen Generationen zu schaffen und ältere Menschen sozial zu integrieren.

Heimleiterin Eva Trede-Kretzschmar berichtet, dass es anfangs zu Konflikten mit Bewohnern des Zentrums kam, weil eine Demenzpatentin oft sehr laut schrie. Deshalb begannen sie und ihre Kollegen über Demenz und die Verhaltensänderungen die sie bewirkt aufzuklären. So ist den Mitarbeitern des Richard Bürger Heims gelungen Konflikte auszuräumen, Verständnis zu schaffen und Bewohner für das ehrenamtliche Engagement im Heim zu gewinnen.

Im Kontakt mit Betroffenen lernen Azubis Verständnis für Belange anderer zu entwickeln

Das Richard Bürger Heim bildet auch junge Menschen aus. Ein Ausbildungsberuf ist der des Servicehelfers, der in Kooperation mit der Robert-Bosch-Stiftung initiiert wurde und sich an Schüler mit schlechtem oder gar keinem Hauptschulabschluss richtet. Sie lernen laut Trede-Kretzschmar im Kontakt mit Demenzkranken ihr eigenes Verhalten zu reflektieren und so zu verändern, dass ihr soziales Umfeld sie versteht. Im Kontakt mit den Betroffenen lernen die Azubis damit erfolgreich Beziehungen zu gestalten und Verständnis für die Belange anderer zu entwickeln.

Das zeige das Beispiel eines jungen Kosovaren, der im Jugoslawienkrieg mich sechs Jahren seinen Vater verlor und mit elf Jahren seine Mutter. Der junge Mann sei auf die schiefe Bahn geraten, wäre verurteilt worden und auf Umwegen ins Richard Bürger Heim gekommen, wo er die Ausbildung zu Servicehelfer durchlief und sich nun zum Altenpfleger ausbilden lässt. Sein Beispiel zeige, dass Menschen mit brüchigen Biografien im Umgang mit Demenzkranken ihre sozialen Kompetenzen ausbauen und neue Perspektiven entwickeln.

 

Bis zum Jahr 2050 wird der Anteil der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung in Baden-Württemberg von heute etwa 20 Prozent auf circa 16 Prozent schrumpfen, wie Ivar Cornelius bei der Fachtagung „Perspektiven des Landes im Dialog der Generationen“ in der Evangelischen Akademie in Bad Boll deutlich machte. Der Leiter des Referats Bevölkerungsstand und –bewegung, Gesundheitswesen beim Statistischen Landesamt führte aus, dass der Anteil der 20- bis unter 60-Jährigen von etwa 55 Prozent im Jahr 2010 auf 47 Prozent im Jahr 2050 sinken wird. Im selben Zeitraum werde der Bevölkerungsanteil derjenigen die 60 Jahre und älter sind von 25 Prozent auf 37 Prozent steigen. Die Zahl Pflegebedürftiger wird angesichts dieser Entwicklung zwischen 2009 und 2030 um voraussichtlich 43 Prozent steigen, so Cornelius.

 


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