„Wir brauchen eine öffentliche Verantwortung für Krankenhäuser“

10.03.2011 
Redaktion
 
Interview
Matthias Einwag, der Verbandsdirektor der BWKG, im Gespräch
Matthias Einwag, der Verbandsdirektor der BWKG. Foto: Privat

Matthias Einwag, der Verbandsdirektor der BWKG. Foto: Privat

Die Krankenhäuser in Baden-Württemberg stehen allesamt unter Druck, meint Matthias Einwag. Der Verbandsdirektor der BWKG fordert daher für sie bessere Rahmenbedingungen.

staatsanzeiger.de: manche Kritiker sagen, der Staat wird für den Betrieb von Krankenhäusern nicht gebraucht, weil der Markt das viel besser kann. Warum brauchen wir öffentliche Krankenhäuser?

Matthias Einwag: Es ist nötig, dass wir eine öffentliche Verantwortung für die Krankenhäuser haben. Die Krankenhausversorgung ist ein Stück weit Daseinsvorsorge. Sie ist ein spezielles Gut. Wenn solche Güter nur über den Marktmechanismus bereitgestellt werden, dann führt dies zu Marktversagen und damit zu Unterversorgung.

Die stärker werdende private Konkurrenz und die Einführung der Fallpauschalen haben den Wettbewerb unter den öffentlichen Häusern verstärkt. Wird das Kliniksterben weitergehen?

Der Wettbewerb hat sich verschärft, weil die Leistungen der Krankenhäuser jetzt klarer definiert sind. Das System der Fallpauschalen hat eine viel größere Transparenz gebracht. Dadurch werden diese Leistungen vergleichbar. Die Folge ist ein enormer Wettbewerb. Er entsteht auch dadurch, dass in diesem Finanzierungssystem ein Mechanismus implementiert wurde, der dazu führt, dass diejenigen begünstigt werden, die Mengensteigerungen erzielen, also die mehr Patienten behandeln. Jene Häuser, denen das nicht gelingt, auf die steigt der Druck besonders.

Daher prognostizieren Studien einen anhaltenden Rückgang der Zahl der Krankenhäuser.

Solche Studien sind mit Vorsicht zu genießen. Da werden oftmals Zahlen der letzten Jahre einfach fortgeschrieben. Man sieht aber, dass der Bettenabbau bundesweit zum Stillstand gekommen ist. In Baden-Württemberg haben wir von 2008 auf 2009 noch einen leichten Rückgang. Die Frage ist, ob das so weitergeht. Dagegen spricht die demografische Entwicklung, die tendenziell mehr Patienten in die Krankenhäuser bringen wird. Die Anzahl der Älteren steigt auf absehbare Zeit. In den nächsten 20 Jahren werden wir daher mehr Patienten bekommen. Zudem macht der medizinische Fortschritt mehr Behandlungen möglich: was heute an Operationen bei über 80-Jährigen möglich ist, daran hätte man vor 20 Jahren niemals denken können. Das alles führt dazu, dass auf die Häuser ein zusätzlicher Bedarf zukommt.

Also brauchen Krankenhäuser keine Devise zum Überleben?

Die Verantwortlichen in den Häusern müssen unternehmerisch handeln können. Das ist auch eine Frage an die Träger, dies zu ermöglichen. Es ist aber auch ein Thema für die Politik. Ein Unternehmer kann handeln, wenn er stabile Rahmenbedingungen hat. Doch wir erleben alle ein bis zwei Jahre eine mittelgroße Gesundheitsreform. Wir haben also ständig neue Spielregeln, die den Verantwortlichen die Arbeit erschweren.

Solitärkrankenhäuser und kleine Kliniken haben es immer schwerer, zu überleben. Ist das ein Auslaufmodell?

Ob ein Krankenhaus als Flächenversorger mit breitem Versorgungsauftrag solitär überleben kann, ist tatsächlich die Frage. Wenn man alles anbieten muss und dann nicht entsprechende Fallzahlen hat, ist das schwer. In so einem Fall ist zu überlegen, ob man sich nicht zu größeren Einheiten zusammenschließt.

Welche Rolle spielen hier Verbünde zwischen Krankenhäusern?

Sie spielen eine zunehmend wichtigere Rolle und ich kann mir vorstellen, dass diese Entwicklung noch weitergeht. Verbünde bieten gute Möglichkeiten zwei Anforderung zu erfüllen: Auf der einen Seite ökonomische, nämlich wo es geht, Synergie-Effekte zu nutzen. Und auf der anderen Seite eine Flächenversorgung sicherzustellen. Verbünde können einiges erreichen über Zentralisierung, über Abstimmung von Leistungsspektren, über einen gemeinsamen Einkauf oder eine gemeinsame Personalpolitik. Wir haben einige erfolgreiche Verbünde im Land. Und weil sie erfolgreich sind, diskutiert man das auch in anderen Regionen.

Der Krankenhaussektor leidet an chronischer Unterfinanzierung. Den Krankenkassen dagegen geht es derzeit außerordentlich gut. Sehen Sie da Handlungsbedarf?

Die Spargesetze für die Krankenhäuser für 2011 und 2012 sind unter der Prämisse eines erwarteten riesigen Defizits in der Gesetzlichen Krankenversicherung verabschiedet worden. Wir beobachten jetzt aber, dass diese Defizitprognosen immer weiter zurückgenommen werden. Inzwischen hat sich die Finanzlage der gesetzlichen Kassen dramatisch verbessert. Ende dieses Jahres werden sie nicht etwa Defizite, sondern Rücklagen in Milliardenhöhe aufweisen. Auf der anderen Seite wurde den Krankenhäusern Geld genommen, das sie dringend gebraucht hätten. Wir arbeiten daraufhin, dass die Einschränkungen für die Krankenhäuser zumindest ab 2012 zurückgenommen werden. Das Ziel ist, dass wir die Personalkostensteigerungen für 2012 finanziert bekommen.

Zumindest auf der Investitionsseite ist Geld da wie nie zuvor: Nach den Finanzspritzen aus den Konjunkturpaketen hat das Land seine Mittel für Krankenhausinvestitionen auf über 330 Millionen Euro deutlich aufgestockt. Ist der Investitionsstau damit erst einmal beseitigt?

Der Investitionsstau ist ein Stück weit zurückgegangen gerade auch durch die Konjunkturpakete. Wir nehmen auch anerkennend zur Kenntnis, dass sich das Land in diesem wichtigen Bereich der Daseinsvorsorge engagiert. Der Investitionsstau liegt aber nach wie vor bei einer Milliarde Euro. Daher fordern wir ein Sonderinvestitionsprogramm in der Größenordnung von 600 Millionen Euro auf die nächsten vier Jahre verteilt. Zusätzlich zu dem, was jetzt zur Verfügung gestellt wurde.


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