Untersuchungsausschuss: Zeugen stellen klar, dass Hausspitze im Ministerium nicht eingebunden war

29.01.2018 
Von: schl
 
Redaktion
 
Die Vorsitzende des U-Ausschusses, Sabine Kurtz, und ihr Stellvertreter Rainer Podeswa. Foto: dpa

Die Vorsitzende des U-Ausschusses, Sabine Kurtz, und ihr Stellvertreter Rainer Podeswa. Foto: dpa

Stuttgart. Der Untersuchungsausschuss zur Zulagenaffäre an der Verwaltungshochschule Ludwigsburg hat an diesem Montag weitere Vertreter des Wissenschaftsministeriums befragt. Die Zeugen wurden zu Fragen des Informationsflusses innerhalb des Ministeriums gehört.

Für Verärgerung bei Vertretern des Untersuchungsausschusses hatte im Dezember die Tatsache gesorgt, dass Vertreter des Ministeriums, die als Zeugen vorgeladen waren, sich vorab ausgetauscht hatten - im Beisein des ständigen Vertreters des Wissenschaftsministeriums im Ausschuss, also des Mannes, der alle Zeugenaussagen und Dokumente kennt. Zeugen dürfen bis sie ihre Aussage gemacht haben, nicht an den öffentlichen Sitzungen des U-Ausschusses teilnehmen. Im Dezember hatten bereits Ausschussvertreter gefordert, nun auch den ständigen Vertreter des Wissenschaftsministeriums auf die Zeugenliste zu setzen, um Klarheit über die Vorgänge zu bekommen.

Aus der Antwort des Wissenschaftsministeriums auf einen Landtagsantrag des FDP-Obmanns im Ausschuss, Nico Weinmann, wird deutlich, dass das Ministerium in dem Vorgang nichts ungewöhnliches sieht. Da einer der Zeugen bereits seit mehreren Jahren im Ruhestand war, liege eine entsprechende Vorbereitung auch im Interesse der "objektiven Wahrheitsfindung durch den Untersuchungsausschuss". Auch sei es selbstverständlich, "dass im Wege der erforderlichen strategisch-inhaltlichen Begleitung des Untersuchungsausschusses" sich die Mitarbeiter, die mit dem Gegenstand befasst seien, auch völlig losgelöst von ihrer Eigenschaft als Zeugen, "im regelmäßigen Austausch zu den Vorgängen an der Hochschule" befänden.

Unterschiedliche Bewertung der Ausschussmitglieder zum Treffen im Dezember

Nach Angaben des damals im Ministerium zuständigen Referatsleiters - er arbeitet heute in einem anderem Bereich im Ministerium - nahmen an dem Treffen er selbst, sein Abteilungsleiter, der Mitarbeiter, der direkt für die Hochschule zuständig war und bereits im Dezember befragt worden war, sowie der ständige Vertreter des Wissenschaftsministeriums im Untersuchungsausschuss teil. Von wem die Einladung ausgegangen ist, konnte er allerdings nicht mehr sagen. Auch hatte das Treffen für ihn keine besondere Bedeutung gehabt. Er sprach von einem "Klassentreffen".  Er konnte sich auch nicht erinnern, wie lange das Treffen gedauert hatte. Der Abteilungsleiter sagte danach aus, dass das Gespräch etwa drei Stunden gedauert habe. Das Gespräch habe der Orientierung gegolten, über das was damals passiert ist. Man habe versucht zur rekonstruieren, was damals passiert sei und was nicht mehr aus den Akten ersichtlich sei, etwa warum ein Schreiben lange gedauert habe, bis es verschickt worden sei. Der Zeuge meinte sich daran zu erinnern, dass dies mit Krankheitsausfällen und Abstimmungsprozessen im Ministerium zu tun gehabt hätte. Auch hat der ständige Vertreter des Wissenschaftsministeriums im Untersuchungsausschuss nach Angaben des Abteilungsleiters nicht über Inhalte aus dem Untersuchungsausschuss gesprochen, sondern lediglich das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss erläutert.

Aus Sicht Rainer Podeswas (AfD) erschütterte es die Glaubwürdigkeit des Referenten, dass er sich nicht mehr näher an das Treffen, das vor knapp zwei Monaten stattgefunden habe, erinnerte. Auch Sascha Binder (SPD) und Nico Weinmann (FDP) zeigten sich darüber verwundert. Nach Angaben Weinmanns sei immer noch unklar, was bei dem Treffen im Dezember eigentlich im Ministerium besprochen wurde. Er zeigte sich überzeugt, dass auch eine Zeugenbeeinflussung stattgefunden habe. Dem widersprachen allerdings die drei an diesem Tag angehörten Zeugen, die bei dem Treffen dabei waren. Binder betonte, dass der Referent aus dem Wissenschaftsministerium sich an ein Treffen vor rund zwei Monaten kaum erinnern konnte, sehr wohl aber Aussagen im Detail zu länger zurückliegenden Dingen hätte machen können. Thomas Hentschel (Grüne) hingegen hatte keinerlei Zweifel an den Aussagen des Zeugen. Der Begriff "Klassentreffen" habe gezeigt, dass es sich bei dem Treffen im Dezember eben nicht um ein organisiertes Treffen gehandelt habe.

Abteilungsleiter: Ministeriumsspitze nicht in rechtliche Aufarbeitung eingebunden

Nach Angaben von Marion Gentges (CDU) hat die Zeugenbefragung keine wesentlichen neuen Erkenntnisse zum Sachstand gebracht. Über die Kommunikation im Ministerium konnte der Zeuge keine neuen Angaben machen. Man habe miteinander gesprochen. Klar wurde dabei, dass es aus Sicht der Zeugen nicht notwendig war, die Amtsspitze einzuschalten. Zumal zunächst auch nicht klar gewesen sei, was die Gutachten ergeben würden, die zur Zulagenpraxis an der Hochschule in Auftrag gegeben worden waren. Der Abteilungsleiter machte deutlich, dass es sich aus seiner Sicht um eine rechtliche Frage gehandelt habe. Bei so etwas werde die Hausspitze nicht eingeschaltet.

Es sei deutlich geworden, dass der Fall der Zulagen auf der Verwaltungsebene abzuhandeln war und dort auch abgehandelt wurde, so Hentschel. Es sei auch nicht Sache des Ministeriums, das zu tun, was die Hochschule tun müsse. Der Referatsleiter hatte betont, dass von Anfang an klar gewesen sei, dass das Rektorat der Hochschule für das Thema Zulagen, eine Rücknahme der Zulagen oder auch eine Umdeutung zuständig gewesen sei. Auch der Abteilungsleiter im Wissenschaftsministerium, der im Anschluss befragt wurde, erklärte, dass es aus seiner Sicht um komplexe rechtliche Fragen gegangen sei, für deren Aufarbeitung die Hochschule zuständig gewesen sei.

Der Vorgang war für die Mitarbeiter im Ministerium nach einem Schreiben der damaligen Rektorin der Hochschule, wonach die Fälle alle geheilt und umgedeutet seien, abgeschlossen. Die Hausspitze des Ministeriums war nach Angaben des Abteilungsleiters in den Vorgang nicht weiter eingebunden. Anders habe es beim Thema Führungskrise an der Hochschule ab 2014 ausgesehen. Da habe man sich von Anfang an eng mit der Hausspitze abgestimmt und diese sei einbezogen gewesen. Denn ein Eingriff in interne Strukturen einer Hochschule komme nur als Ultima ratio in Betracht, wenn die Hochschule selbst nicht mehr in Lage sei, die Probleme zu lösen. In diesem Fall sei die Stratthaus-Kommission eingesetzt worden. Diese habe in vielen Gesprächen festgestellt, dass ein tiefgreifendes Zerwürfnis an der Hochschule bestand, das nicht mehr durch Gespräche oder Moderation zu lösen sei. Maßstab des Handelns sei die Funktionsfähigkeit der Hochschule gewesen. Man habe die Möglichkeiten ausgelotet, wie die Führungskrise zu überwinden sei. Die Kommission hatte dann festgestellt, dass die Rektorin die Führungskrise nicht überwinden könnte und schlug vor, dass sie von ihrem Amt zurücktreten solle.

Unterschiedliche Situation in Ludwigsburg und Konstanz

Auf die Frage, warum das Ministerium als Rechtsaufsichtsbehörde nicht eingeschritten sei, nachdem in Gutachten die Rechtswidrigkeit der Zulagen festgestellt worden sei, erklärte der ehemalige Referatsleiter, dass es - anders als in Konstanz - dafür zunächst keinen Anlass gegeben habe. Denn die neue Rektorin habe das Problem erkannt, habe die Gutachten eingefordert und das Thema vorangetrieben. An der Hochschule in Konstanz hatte das Ministerium im vergangenen Jahr deutlich früher eingegriffen. Das lag nach Zeugenangaben auch daran, dass in diesem Fall der amtierende Rektor möglicherweise von dem Sachverhalt betroffen war. In Ludwigsburg hatte das Vorgängerrektorat die Zulagen vergeben und auch die entsprechende Richtlinie erlassen. Auch ein Disziplinarverfahren gegen einen Rektor, der bereits in Ruhestand sei, sei schwieriger als gegen Beamte, die noch im Dienst seien.

Für Podeswa war allerdings nicht ersichtlich, warum das Ministerium dem Fall in Ludwigsburg nicht eine höhere Bedeutung beigemessen hatte. Der Referatsleiter hatte von einem "mittleren Aufreger" gesprochen. Denn es waren Berufungsleistungszulagen gezahlt worden, obgleich die 13 Professoren bereits seit Jahren an der Hochschule tätig waren, also auch nicht neu berufen worden waren. Auch Binder zeigte sich verwundert, dass das Thema Berufungszulage im Regierungsbericht keine große Rolle gespielt habe.

Der Abteilungsleiter im Ministerium machte deutlich, dass gerade beim Thema Berufungszulagen klar gewesen sei, dass diese nicht rechtmäßig gewesen seien. Die Frage sei jedoch gewesen, ob diese nichtig oder rechtswidrig seien. Und welche Konsequenzen daraus folgten. Wenn eine Umdeutung in den Fällen erfolge, seien keine weiteren Schritte der Rechtsaufsicht notwendig. Er erläuterte zugleich, dass wenn ein rechtswidriges Verhalten an einer Hochschule festgestellt werde, diese zunächst dafür zuständig sei, diesen Zustand zu ändern. Im Fall Ludwigsburg habe eine Beanstandung durch das Ministerium keinen Sinn gemacht, da die Hochschule bereits dabei gewesen sei, die Dinge rechtlich aufzuarbeiten.

SPD beantragt Ermittlungsbeauftragten für Hochschule

Aufgrund der Vorwürfe, die von Professoren über die Vorgänge an der Hochschule erhoben wurden, hat die SPD beantragt, einen Ermittlungsbeauftragten an die Verwaltungshochschule in Ludwigsburg zu schicken. Dieser solle im Zuge der Zulagenaffäre vor Ort ermitteln und diversen Vorwürfen nachgehen, die Zeugen im Untersuchungsausschuss erhoben haben. Denn der Ausschuss könne nicht unendlich neue Zeugen laden, so die SPD. Deshalb schlägt sie vor, einen Beauftragten einzusetzen. Dieser solle herausfinden, wie die Zustände an der Hochschule tatsächlich sind. Die Landtagsverwaltung hat nun den Auftrag bekommen, festzustellen welche Möglichkeiten es gibt. Der Ausschuss will sich im Februar erneut mit dem Thema befassen.

Im Kern geht es in dem Ausschuss um die Frage, ob Professoren der Hochschule zu Recht Zulagen gewährt und von diesen angenommen wurden. Auch soll geklärt werden, ob Rektorat und Professoren Zweifel an der Praxis hätten bekommen können. Die Opposition will erfahren, ob sich Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) möglicherweise pflichtwidrig verhalten hat und wie ihr Krisenmanagement ausfiel. Es ist die zehnte Sitzung des Ausschusses. Er wurde eingerichtet, nachdem bekannt geworden war, dass die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Untreue und Beihilfe dazu erhoben hatte. Das Ministerium war nach Angaben der Zeugen auf Grund eines Schreibens der Rektorin davon ausgegangen, dass alle Fälle entsprechend umgedeutet waren. Erst deutlich später sei dann bekannt geworden, dass nur vier der Fälle umgedeutet worden waren. In 13 Fällen waren die Zulagen auf Grund von Vertrauensschutz weitergezahlt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Fristen, zu denen die Zulagen noch hätten zurückgenommen werden können, bereits verjährt.


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