Kommune und Landesregierung streiten über Maßnahmen gegen Flächenverbrauch

08.01.2014 
Redaktion
 

Stuttgart. Städte und Gemeinden laufen Sturm gegen Vorgaben von Grün-Rot zur Eindämmung des steigenden Flächenverbrauchs in Baden-Württemberg. Der Städtetag stößt sich an neuen Rechenformeln aus Stuttgart, mit denen das Land den Flächenverbrauch stärker als bisher vom tatsächlichen Bedarf abhängig machen will. „Wir sehen darin einen Angriff auf unsere kommunale Planungshoheit“, sagte Dezernent Gerhard Mauch und kündigte Widerstand an. Die neuen Regeln lehnten die Städte „kategorisch“ ab, und beim Landkreis- und beim Gemeindetag sehe man das ähnlich.

Statt zu sinken, steigt der Flächenverbrauch in Baden-Württemberg. Fast zehn Fußballfelder Tag für Tag sind im abgelaufenen Jahr wieder zur Bebauung verplant worden. Bei der Suche nach Mitteln dagegen steht Grün-Rot einmal mehr zwischen den Stühlen: Auf der einen Seite die verärgerten Kommunen, auf der anderen die Umweltverbände, die sich von ihrer grün-geführten Regierung mehr versprochen hatten.

Kommunen stören sich an Plausibilitätsprüfung

Im Jahr 2012 wurde täglich eine Fläche von 6,7 Hektar im Südwesten für Baumaßnahmen verplant.  Das entspricht einem Jahreszuwachs an Siedlungs- und Verkehrsfläche von rund 3500 Fußballplätzen, mehr als neun pro Tag. Ende der 1990er Jahre lag der tägliche Verbrauch bei 12 Hektar. Auch kleine Orte tragen zum Flächenfraß bei: Die Gruppe der Gemeinden mit 3500 bis 10 000 Einwohner trägt 35 Prozent des Zuwachses. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat inzwischen einen Anteil von 14,3 Prozent an der Landesfläche. Der Bund hat 2002 unter Rot-Grün das Ziel vorgegeben, den täglichen Flächenverbrauch bis zum Jahre 2020 bundesweit auf 30 Hektar zu beschränken. Für Baden-Württemberg wären das 3 Hektar am Tag.

Stein des Anstoßes ist die sogenannte Plausibilitätsprüfung, bei der Grün-Rot einen Rechenfaktor zur Bedarfsermittlung von 0,5 auf 0,3 gesenkt hat. „Der Bedarf kann aber höher sein, als da dann rechnerisch rauskommt“, sagte Mauch, sprach von „realistischem Bedarf“ und verwies auf die besondere Lage im Südwesten mit eher steigenden Bevölkerungszahlen durch Zuzüge aus wirtschaftlich schwächeren Regionen. „Die Planungshoheit liegt bei uns.“

Freie Flächen sind ein knappes Gut, mit dem verschwenderisch umgegangen werde, und das Grün-Rot mit aller Macht schützen müsse, lautet hingegen die Position der Umweltverbände BUND und Nabu. Vom langfristigen Ziel, den Verbrauch auf Netto-Null zu senken, sei das Land weiter entfernt als zu Beginn der Legislaturperiode. Freie Äcker und Wiesen würden vor allem als Baulandreserven angesehen.

Flächenverbrauch nahm 2012 wieder zu

Tag für Tag wurden im Jahr 2012 Gebäude, Straßen und Parks auf einer Fläche von umgerechnet 6,7 Hektar verplant. Damit hat der Flächenverbrauch erstmals seit Jahren wieder zugenommen. Ihn - stärker als bisher - vom tatsächlichen Bedarf abhängig zu machen, hält Nabu-Landeschef Andre Baumann daher für „sehr klug“. Die Plausibilitätsprüfung stamme ja auch schon aus schwarz-gelben Zeiten, Grün-Rot habe sie aber jetzt in einigen Punkten konkretisiert und diesem Instrument damit endlich „Leben eingehaucht“.

Günther Oettinger (CDU) hatte 2006 als Ministerpräsident sogar die Netto-Null als Ziel vorgegeben. Eine Entwicklung der Siedlungen sollte möglich sein, ein Wachstum der Siedlungsfläche aber aufgehalten werden. Ziele, an denen Grün-Rot gerne anknüpfen würde. „Wir müssen mit unseren Flächen sparsamer umgehen“, betonte Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne). Sie sieht sich derzeit etlichen Landtagsanfragen der CDU-Fraktion zu möglichen negativen Auswirkungen der Plausibilitätsprüfungen auf Kommunen in den einzelnen Wahlkreisen ausgesetzt. Unter Schwarz-Gelb seien sich alle einig gewesen, sagte Splett. „Den Widerstand der kommunalen Spitzenverbände bekommen jetzt allein wir zu spüren.“ Vorrang müsse die Innenentwicklung haben, wie es auch im Baugesetzbuch stehe.

Grün-Rot wolle die Genehmigungen bei den vier Regierungspräsidien bündeln, sagte Splett. Die Förderprogramme mit dem Ziel, Flächen zu gewinnen, sollen weiterlaufen. „Gute Anträge haben da weiter gute Chancen.“ Zudem wolle Grün-Rot weiter bei den Kommunen dafür werben, weniger Flächen zu verbrauchen. Wichtige Entscheidungen müssten aber in Berlin getroffen werden, etwa bei der Überarbeitung der Gesetze zur Grundsteuer oder zur Grunderwerbssteuer. „Da werden bislang eindeutig falsche Anreize gegeben - und keine dafür, mit Flächen sparsam umzugehen“, sagte Splett.


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