Ingenieurmangel an der Wurzel gepackt

29.09.2010 
Redaktion
 
Bundesweit einmalige Technik-Kooperation setzt bei Dreijährigen an
Foto: Daniela Reichart

Physik, Mathe, Technik – bei vielen Kindern sind dies Angstfächer. Spätestens nach der Grundschule fürchtet sich laut Forsa jeder dritte Schüler davor. Dagegen startete im Februar eine Offensive: „Technikfreundliches Süßen“ führt vom Kindergartenkind bis zum Schulabgänger spielerisch an Naturphänomene und Technik heran. Ein Zwischenstand.

Die Konzeption des Pilotprojekts „Technikfreundliches Süßen“ ist so stimmig, dass der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (Südwestmetall) sie über drei Jahre mit 180000 Euro fördert. Mit dem Geld wird ein Projektkoordinator finanziert, der von den Leiterinnen der kommunalen und kirchlichen Kindergärten über die Schulleiter bis zum Bürgermeister und den Chefs führender Unternehmen die Interessen aller lokalen Akteure bündelt.

Dimension und Unterstützung des Projekts wurden am 16. September deutlich: Im Rathaus trafen sich zur ersten Zwischenbilanz 20 Schulleiter, Fachlehrer und Leiterinnen von Kindergärten mit Bürgermeister Marc Kersting, Bernd Forstreuter von der Heldele-Stiftung, Professor Helmut von Eiff von der Hochschule Esslingen, Standort Göppingen und Karin Nagel von der Beruflichen Bildung (BBQ) der Südwestmetall. Dass in Süßen alle die Vision teilen, das Technikkonzept mit Leben zu füllen, machte die fast dreistündige Veranstaltung im Rathaus deutlich. Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen erzählten, dass die bisherigen Erfahrungen vielversprechend seien, sie aber häufig noch Informations- und Abstimmungsbedarf hätten, wer was macht. Dafür gibt nun eine Koordinierungsstelle im Kulturhaus der Stadt Süßen.
Das Ziel des dreijährigen Projekts: Erfahrungen sammeln, Schnittstellen definieren, Schwächen eliminieren, Überzeugungsarbeit bei Pädagogen leisten und Standards schaffen, so dass die Konzeption bundesweit nahezu beliebig überallhin übertragbar wird.

Projekt ist noch in der Anlaufphase - erste Erfolge zeigen sich aber schon

„So kann unsere Gesellschaft es schaffen, möglichst alle Kinder und Jugendlichen spielerisch an Naturwissenschaft und Technik heranzuführen“, ist Bürgermeister Marc Kersting überzeugt. Über kindliche Neugierde könnten sich Mädchen und Jungen für Naturphänomene begeistern. Und so bringe das Land mittelfristig die Facharbeiter und Ingenieure in den Mengen hervor, die die Republik brauche, um ihr ökonomisches Überleben zu sichern. „Besonders in unserer industriestraken Region leben wir vom Know-how, nicht von Rohstoffen“, so der Süßener. Ziel der Offensive ist es, dass andere Städte sie aufgreifen.

Selbst wenn Jugendliche früher erkennen, dass ihre Zukunft nicht in einem technischen Beruf liegt, sei auch viel erreicht, sagt Südwestmetall-Geschäftsführer Stefan Küppers angesichts einer Abbrecherquote von 25 Prozent in naturwissenschaftlichen Studiengängen. Dass sich sein Arbeitgeberverband im württembergischen Süßen mit seinen 10000 Einwohnern so exemplarisch engagiert, „liegt an der Konstellation der Akteure, den historisch gewachsenen Strukturen und der Vorarbeit der Heldele-Stiftung.“ Diese wurde 2001 gegründet, um Projekte zu initiieren und zu unterstützen, die das Technikinteresse und -verständnis junger Menschen im Kreis Göppingen fördert.

Die Abbrecherquote in naturwissenschaftlichen Studiengängen ist überdurchschnittlich hoch

Die gemeinnützige Heldele-Stiftung ist dabei, damit Technikbegeisterung entflammt und am Brennen gehalten wird: Von „Technolino“ für Drei- bis Achtjährige über die „First Lego League“ für Sechst- bis Neuntklässler bis zur Schüler-Ingenieur-Akademie in der gymnasialen Oberstufe. Insgesamt 21 Bausteine bis hin zur Elternfortbildung, der Weiterbildung von Erzieherinnen und Lehrern, der außerschulischen Begabtenförderung oder der Ferienbetreuung mit naturwissenschaftlichen Inhalten reicht das Spektrum.

Das Konzept ist so überzeugend, dass die Göppinger Hochschule längst Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter, Studenten, Know-how und Equipment einbringt. Gymnasien in Donzdorf und Eislingen ziehen auch bereits mit, denn dort gehen rund 280 Süßener zur Schule. Heimische Großbetriebe wie die Kunstgießerei Strassacker stellen mittlerweile Referenten, Werkstätten oder Praktika-Plätze unbürokratisch per Zuruf bereit. Das Ziel, Jugendlichen damit gute berufliche Perspektiven zu bieten, den Firmen den Nachwuchs zu sichern und der Kommune ein unverwechselbares Profil zu verleihen, scheint somit nicht mehr fern.


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