Mannheim. Georg Bitter ist an der Universität Mannheim Professor am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Bank- und Kapitalmarkt- und Insolvenzrecht.Im Interview spricht er unter anderem über die Deckelung der Boni-Zahlungen und deren Auswirkungen.
Herr Bitter, Deckelung der Boni-Zahlungen ab 2014 – was heißt das für Baden-Württemberg?
Georg Bitter: Für Baden-Württemberg heißt es das gleiche, was es für die gesamte Europäische Union bedeutet: dass dieses Recht umzusetzen ist. Sprich: dass unmittelbar jede Bank, die in Baden-Württemberg ansässig ist, dann an diese Regelungen gebunden sein wird und entsprechend ihre Bonus-Zahlungen gestalten muss.
Werden in Baden-Württemberg überhaupt diese hohen Boni gezahlt, die die EU begrenzen will?
Boni-Zahlungen sind vor allem in den Investment-Banken ein Problem. Viel mehr als in den Banken, die normale Kreditgeschäfte betreiben. Hier sind die Boni normalerweise nicht so hoch. Investment-Banken sind in Deutschland überwiegend in Frankfurt angesiedelt, so dass davon auszugehen ist, dass sich die neuen Regeln vor allem dort auswirken werden, weniger in Baden-Württemberg.
Die Sparkasse in Offenburg, die Volksbank in Reutlingen – für die spielt der EU-Beschluss keine Rolle?
Davon gehe ich im Grundsatz aus. Die normalen Geschäftsbanken betreiben ja vor allem Einlagengeschäfte, wo man Gelder entgegennimmt und sie als Kredite wieder ausgibt. Das ist der Alltag der Volksbanken, der Sparkassen und der kleineren Geschäftsbanken. Bei den Investment-Banken geht es dagegen darum, Unternehmen an die Börse zu bringen und Handel mit Wertpapieren zu betreiben. Dort sind die großen Chancen. Wenn man das gut macht, wenn man da auf die richtigen Papiere setzt, dann kann man sehr viel verdienen. Dann sind die Boni auch entsprechend hoch.
Und das gibt es in Baden-Württemberg nicht?
Sicher weniger. Viele der Investment-Banken sind jedenfalls in Frankfurt angesiedelt und noch mehr in London. Es kann schon sein, dass es am Standort Stuttgart auch einzelne Institute für Investment-Banking gibt, weil die Börse in Stuttgart ja auch relativ stark im Bereich der Derivate und ähnlicher Papiere ist. Aber ich vermute eher, dass die größte Musik da in Frankfurt spielt.
Dann braucht man keine Angst haben, dass Baden-Württemberg bald nur noch Banker aus der zweiten Reihe bekommt?
Nein. Weil ich glaube, dass sich das eher in dem Bereich der Investment-Banken bewegt. Und mir ist bislang auch keine Bank aus Baden-Württemberg bekannt, die Boni-Zahlungen getätigt hätte, die als besonders anstößig empfunden wurden.
Was halten Sie denn grundsätzlich davon, dass die EU die Boni deckeln will?
Generell halte ich es für richtig, Entwicklungen zu stoppen, die aus meiner Sicht ausgeufert sind. Bei den Exzessen, die da jetzt korrigiert werden sollen, geht es ja um hochstellige Millionen-Beträge, die Leute teilweise kassiert haben. Weil sie eben entsprechende, noch höhere Millionen-Beträge für ihre Unternehmen reingeholt haben. Teilweise war es ja manchmal so, dass einzelne Händler einen höheren Bonus gehabt haben als der Chef der ganzen Bank. Das sind manchmal Zahlen, die außerhalb jeglicher Vorstellungen sind. Aber man muss bei diesem Risikogeschäft auch sehen: Es gibt zu mindestens 50 Prozent auch das Risiko, dass es genau anders herum ausgeht. Dann wären erhebliche Verluste entstanden, und dann ist es ja nicht so, dass man negativ sagt: Jetzt musst du uns aber 60 Millionen bezahlen. Das wäre ja eigentlich normal. Denn wenn man Risikogeschäfte macht, müsste man auf der einen Seite die Chance haben, 60 Millionen zu gewinnen. Aber wenn es schief geht, müsste man auch die 60 Millionen zahlen. Aber das passiert natürlich bei den Boni nicht. Deswegen finde ich es im Grundsatz schon richtig, dass man das begrenzt.
Ist die Maßnahme, auf die sich die EU geeinigt hat, dafür der richtige Ansatz?
Da bin ich eben skeptisch. Wenn man sagt: Man darf nur 100 Prozent Boni auf das Grundgehalt draufzahlen, dann werden die Banken in vielen Bereichen die Grundgehälter anheben. In dem Sektor besteht ja ein weltweiter Marktdruck. Es geht darum, die richtigen Leute zu bekommen, die richtigen Köpfe. Wenn man mit einer Bank in Singapur konkurrieren muss, wird man ein Angebot machen, das vergleichbar ist und dafür in der EU dann das Festgehalt hochsetzen. Oder andere Wege finden, zum Beispiel über Aktienoptionsprogramme, die man den Leuten gibt und somit Anreize schafft.
Also bringt das alles eigentlich gar nichts?
Ich finde es gesellschaftspolitisch eigentlich eine richtige Entwicklung zu sagen: Man macht da irgendwann mal Schluss. Es gibt bestimmte Grenzen dessen, was moralisch an Gehalt noch vertretbar ist. Jedenfalls für einen Angestellten. Denn es ist ja etwas anderes, wenn man mit seinem eigenen Geld spekuliert, oder ob man das mit dem Geld einer Bank, also eines anderen, macht. Wenn Sie Geld haben und Sie investieren das in ein Papier, wo es eine 50:50 Chance gibt, dann ist das Ihr eigenes Risiko: Wenn Sie gewinnen, haben Sie das Doppelte, und wenn Sie verlieren, dann haben Sie halt gar nichts mehr. Aber es war Ihr eigenes Geld. Darin sehe ich den Unterschied bei den Boni: Wenn Sie mit dem Geld der Bank Geschäfte machen, können Sie im Gewinnfall einen hohen Bonus kassieren. Im Verlustfall – ja, dann müssen Sie allenfalls das Haus verlassen, das heißt Sie gehen woanders hin, aber der Verlust bleibt da. Das finde ich nicht ausgeglichen.
Die Schweiz will ja jetzt die Managergehälter allgemein begrenzen, in der EU will man dem eventuell nacheifern. Ist das ein Modell für Baden-Württemberg?
Das ist so wie mit vielen Themen, die wir heute haben und wo es um globale Entwicklungen geht. Wenn man überall eine Einigung hinbekommt, auch über Europa hinaus, dann kann das funktionieren. Wenn ein Manager aber weiß: Ich kann von Deutschland nach Frankreich oder in die USA wechseln, um der Regelung auszuweichen, dann ist das meistens schwierig. Deswegen kriegen sie in diesen Bereichen eigentlich nur eine Lösung hin, wenn die relativ flächendeckend gilt oder zumindest in einem sehr großen Gebiet.
Nehmen Sie zum Beispiel die Finanztransaktionssteuer: Da kann man in Europa etwas auf den Weg bringen, oder nur in Deutschland oder ein paar Ländern. Dann verschwinden die Leute einfach in das nächste Land, manchen dort die gleichen Geschäfte und man hat nichts erreicht. Im Gegenteil: Man hat auch noch die Wirtschaft in seinem eigenen Land ruiniert, weil das Geschäft jetzt woanders gemacht wird. In globalen Märkten braucht man immer auch globale Lösungen. Diese über nationalstaatliche Grenzen hinweg durchzusetzen ist die Aufgabe, vor der die Politik in der Zukunft steht.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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