Stuttgart. Ob korrupte Deals eingefädelt, faule Eier im Regal verkauft werden oder Software illegal auf Firmenrechnern installiert wird: Wenn ein Unternehmen gegen Gesetze verstößt, richtet sich die Strafe meist gegen die handelnden Mitarbeiter. Das Strafrecht sieht nur die Bestrafung einzelner Schuldiger vor, nicht aber von Unternehmen. Damit künftig häufiger auch Firmen zur Kasse gebeten werden können, hat Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) nun eine Handlungsanleitung an die 17 Staatsanwaltschaften im Land geschickt - und darin an das „Ordnungswidrigkeitengesetz“ erinnert. Wirtschaftsverbänden aus dem Südwesten passt das gar nicht.
Mit dem Gesetz kann eine Geldbuße auch gegen Firmen als Ganzes beantragt werden, wenn deren Manager gegen Pflichten verstoßen. Nicht nur die handelnden Menschen sollen zur Verantwortung gezogen werden, „sondern auch die Unternehmen, aus denen heraus oder in deren Interesse kriminell gehandelt wurde“, so Stickelberger.
Wirtschaftsvertreter kritisieren den Vorstoß des Ministers. „Wir sehen das äußerst kritisch. Es ist ein weiterer Baustein in Richtung pauschaler Kriminalisierung der Wirtschaft“, sagte ein Sprecher der IHK Region Stuttgart stellvertretend für den baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertag. Doch Stickelberger widerspricht: „Prinzipiell geht es nicht darum, die Wirtschaft unter einen Generalverdacht zu stellen.“
Auch der Dachverband der baden-württembergischen Arbeitgeberverbände, hält nichts vom Vorstoß des Ministers: „Die Absicht, bei krummen Machenschaften Unternehmensgewinne abschöpfen zu wollen, ist für uns nicht nachvollziehbar“, sagte ein Sprecher.
Kriminelle Handlungen seien ein Fall für das Strafrecht, womit die einzelnen Mitarbeiter zur Rechenschaft gezogen würden. Einer Kollektivbestrafung von Unternehmen bedürfe es nicht, finden die Arbeitgeber. „Auch wenn der Justizminister die Unternehmen nicht unter Generalverdacht stellen will, liegt hier doch eine unzulässige Kriminalisierung der Firmen vor, die wir entschieden zurückweisen“, sagte der Sprecher.
Auch aus dem politischen Lager hagelt es Kritik am Vorstoß des Ministers: „Zusatzstrafen für Unternehmen zu verhängen, lehnt die FDP entschieden ab“, erklärte der FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer am Montag. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen berge eine solche „doppelte Bestrafung“ einige Gefahren. Damit werde das Prinzip der persönlichen Verantwortlichkeit aufgeweicht. Zuspruch bekommt der Minister von der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Der Vorstoß sei „eine tolle Sache“, sagte ein Sprecher.
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