Stuttgart. Zu einer Bilanz der vergangenen fünf Jahre wurde die von der CDU beantragte aktuelle Debatte über „Aufbruch 2016 – Baden-Württemberg gestalten, nicht verwalten“. Die Vorsitzenden der Oppositionsfraktionen griffen vor allem die Bildungs- und Verkehrspolitik sowie die Polizeireform der Regierung an. Diejenigen von Grünen und SPD sowie Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) konterten, das Land stehe nach fünf Jahren Grün-Rot so gut da wie nie zuvor - gerade auch bei den Kriterien, die die CDU selbst zu Beginn der Legislaturperiode zum Maßstab erklärt habe.
CDU-Herausforderer Guido Wolf warf der grün-roten Koalition am Mittwoch im Landtag vor, in der Bildungspolitik, der Verkehrspolitik und der Sicherheitspolitik versagt zu haben. „Wir wollen, dass in Baden-Württemberg wieder eine Aufbruchsstimmung spürbar ist.“ Nötig sei das beispielsweise in der Bildungspolitik. Die Gemeinschaftsschule müsse weiterentwickelt, die Realschulen gestärkt und die Qualität der Gymnasien verbessert werden.
Der Innenminister habe in der Kriminalstatistik nur die Zahlen veröffentlicht, die Erfolge beim Kampf gegen Wohnungseinbrüche zeigten. Diese seien im Übrigen auch nicht so groß: in immerhin 24 Landkreisen sei diese Zahl gestiegen.
In der Verkehrspolitik seien bis 2015 weder Landesstraßen noch kommunale Straßen neu gebaut worden. Und der Verkehrsminister mache überdies ausgerechnet die Autoindustrie schlecht, die so viele Arbeitsplätze in Baden-Württemberg sichere.
Baden-Württemberg müsse wieder Zukunftsland werden. „Es darf nicht länger das Land der Bedenken, sondern muss wieder das Land der Hoffnungsträger werden“, schloss Wolf: „Wir wollen es wieder zur Marke, zum Innovationsbundesland Nummer eins machen - zu einem Land, das Politik nicht verwaltet, sondern gestaltet.“ Und wenn die Gemeinschaftsschule und die Polizeireform solche Erfolge wären, wie die Regierung behaupte - warum plakatiere sie diese dann nicht im Wahlkampf?
Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann sagte, es gebe in Baden-Württemberg keine Stimmung für einen politischen Wechsel. "Wir haben Baden-Württemberg fünf Jahre lang gut verwaltet und gestaltet." Und das solle auch so bleiben. Grün-Rot habe Vieles auf den Weg gebracht: bei der Kleinkindbetreuung, bei der Gemeinschaftsschule, bei der Windkraft.
Sie wandte sich auch direkt an den Oppositionsführer: „Ein klarer Kurs im Landtag war und ist bei ihnen nicht zu erkennen“, sagte sie zu Wolf: „Sie halten die falsche Rede am falschen Ort. Der Aufbruch hat längst stattgefunden und wir haben viele gute Ergebnisse vorzuweisen.“
Laut SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel baut der Titel der Debatte einen falschen Gegensatz auf. „Auch wer nur verwaltet, gestaltet.“ Eben das habe die CDU einst getan. Bei Regierungsübernahme 2011 habe es große Defizite bei der Kleinkindbetreuung und den Ganztagsschulen gegeben. „Das war eine bewusste Politik von ihnen“ sagte er zur CDU, und sei Ausfluss eines rückwärtsgewandten Familienbilds gewesen. Und auch jetzt noch wolle die CDU auf Landesebene ein Betreuungsgeld für Kinder einführen, die nicht in die Kita gingen, sondern zu Hause betreut würden. Das aber schade gerade Kindern aus sozial schwachen Familien.
„Es ist ihnen in fünf Jahren Opposition nicht gelungen, den Blick zu weiten für die gesellschaftliche Wirklichkeit“, so Schmiedel an die Adresse der CDU: „Deshalb sind ihre Rezepte für die Zukunft auch von gestern.“ Die grün-rote Koalition dagegen habe „Rezepte für heute und für morgen.“
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte, es sei „Aufgabe der Regierung, die Sicherheit zu gewährleisten, die die Menschen haben möchten“. Nur so könne verhindert werden, dass Radikale in den Landtag hineingewählt würden. In diesem Politikfeld sei die Bilanz von Grün-Rot schlecht. Beispiel Polizeireform. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft habe das so geschildert: Der Innenminister hat einen gesunden Mann auf den Operationstisch gelegt und ein kranker Mann ist davon aufgestanden. Dem sei nichts hinzuzufügen.
Die Gemeinschaftsschule steht nach Ansicht Rülkes kurz vor dem Scheitern. Das zeigten die Zahlen: nicht einmal zehn Prozent der Kinder mit Gymnasialempfehlung wechselten auf diese Schulform. Im Bereich der Arbeitsmarkpolitik kritisierte Rülke Bund und Land. Grün-Rot habe unnötigerweise auch noch ein Tariftreue- und Mindestlohngesetz für das Land verabschiedet und auf den Einwand, dass sei angesichts des Bundesgesetzes doch überflüssig, entgegnet, ein Verband wolle es so. „Sagen sie uns noch einmal etwas über Klientelpolitik“, kritisierte der FDP-Vorsitzende.
„Sie sagen, es gebe keine Wechselstimmung“, wandte sich Rülke an Frau Sitzmann: „Warum hat ihre Regierung dann in Umfragen keine Mehrheit mehr?“
„Das war kein Aufbruch, das war eine glatte Bruchlandung“, kommentierte Schmid (SPD) als Vertreter der Regierung die Rede Wolfs. In fünf Jahren Opposition habe die CDU nur „Pleiten, Pech und Pannen“ geboten. Anders grün-rot: „Das Land ist bei uns in besten Händen“, sagte Schmid. Baden-Württemberg stehe so gut da wie nie zuvor. Die Arbeitslosigkeit sei gegenüber 2011 noch einmal gesunken, die Jugendarbeitslosigkeit sei so gering wie nirgendwo in Deutschland und Baden-Württemberg sei europaweit die Innovationsregion Nummer eins.
Eine „einzigartige Erfolgsgeschichte“ sei auch die von Grün-Rot eingeführte Gemeinschaftsschule. „Baden-Württemberg vermisst Sie und die CDU an der Regierung kein bisschen“, sagte Schmid zu Wolf.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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