Stuttgart. Im ersten Leben war Theo Keck Gruppenführer beim Spezialeinsatzkommando der Polizei. Bis er 1994 nach einem schweren Unfall in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. Seit Mitte Januar führt der 54-Jährige den Landeselternbeirat. Mit dem Staatsanzeiger sprach er über Aufgaben und Herausforderungen seiner Tätigkeit.
Staatsanzeiger: Waren Sie ein guter Schüler?
Theo Keck: Ehrlich gesagt, war ich ein relativ mittelmäßiger Schüler, auch wenn ich von manchen Lehrern immer wieder gehört habe, ich sei begabt. Zur Gymnasialempfehlung hat’s gereicht. Ich bin aber dennoch zunächst auf die Realschule, weil meine Freunde auch auf die Realschule gegangen sind, und später dann aufs Wirtschaftsgymnasium.
Werden Sie in Ihrer Arbeit an Ihre Schulzeit erinnert?
Es gibt Klagen von Eltern, da denke ich mir, das ist ja wie früher. Zum Beispiel wenn es darum geht, dass Lehrer ihre Lieblinge in der Klasse besser behandeln. Das hat natürlich einen Einfluss auf die Leistungsbereitschaft der Mitschüler. Die Zuwendung ist zentral für einen gelingenden Unterricht. Dass sich in 40 Jahren in der Professionalität der Berufsausübung da und dort so wenig getan hat, das ist schade.
Sie vertreten rund eineinhalb Millionen Eltern von Schulkindern im Land. Das klingt nach einer Herkulesaufgabe.
So verschieden wie die Schülerschaft sind auch die Eltern. Es ist die große Fragestellung dieser Tage, wie auf diese Verschiedenheit reagiert werden soll. Natürlich nehme ich alle Hinweise von Eltern ernst. Das ist ein Spagat, aber es gehört zu meiner Aufgabe.
Eine Aufgabe, für die sie beim Faktencheck der CDU-Landtagsfraktion zur Gemeinschaftsschule von Teilen des Publikums sogar persönlich angegriffen haben?
Ich nehme wahr, dass es zum Thema Gemeinschaftsschule emotional sehr aufgeladene Veranstaltungen gibt. Elterninitiativen, die für den Erhalt der Schulstrukturen sind, verstehen die Gemeinschaftsschule als Angriff. Ich bedauere sehr, dass ein rationaler Austausch von Argumenten manchmal nicht mehr möglich ist. Man kann sich den Mund fusselig reden, es bringt aber wenig, weil offenes Zuhören nicht stattfindet. Bei der von Ihnen angesprochenen Veranstaltung wurde sogar dem Landeselternbeirat die demokratische Legitimation abgesprochen. Das geht natürlich zu weit ...
...hatte aber einen Grund: den, bei einer Enthaltung, einstimmigen Beschluss des Landeselternbeirats für die Gemeinschaftsschule.
Dieses Ergebnis hat mich selbst überrascht. Wir können für uns in Anspruch nehmen, dass wir uns sechs oder sieben Stunden intensiv mit dem Gesetzentwurf der grün-roten Landesregierung befasst haben. Es gab Zweifel, es gab Fragen, zum Beispiel zur Ausstattung mit Lehrkräften oder zur Ausbildung. Aber wahr ist auch: Je tiefer wir eingestiegen sind, umso überzeugter wurden wir, dass da ein vielversprechender Weg beschritten wird, um der Heterogenität gerecht zu werden. Vielleicht ist das der Schlüssel, um die Skeptiker zu erreichen: Man muss sich einfach intensiv mit dem Konzept beschäftigen.
Soll das im Umkehrschluss heißen, viele, nicht zuletzt Bildungspolitiker der Opposition, hätten sich zu wenig mit dieser neuen Art des Lernen und Lehrens auseinander gesetzt?
Auf jeden Fall muss die Bildungspolitik weg von der parteipolitischen Zuspitzung. Die Landespolitiker könnten sich da wirklich ein Beispiel an der kommunalen Ebene nehmen. Dort wird pragmatisch nach Lösungen entlang der Sache gesucht.
Nach dem Gesetz berät der Landeselternbeirat das Kultusministerium. Fühlen Sie sich gehört und ernstgenommen?
Wir haben mit dem Kultusministerium eine sehr offene Gesprächsatmosphäre. Es hat uns allerdings ziemlich geärgert, dass der Weg zum neunjährigen Gymnasium so gewählt wurde, dass wir nicht gehört werden mussten. Das war falsch, auch weil wir als Elternvertreter hätten sagen können, dass die 44 Standorte niemals reichen werden. Jetzt ist das Wehklagen groß.
Ist da die Büchse der Pandora geöffnet worden?
Das ist eine wirklich gute Frage. Die Situation an den Gymnasien ist ziemlich verfahren, weil seit Jahren eine Entschlackung der Bildungspläne versprochen wird. Es ist aber keineswegs überall dazu gekommen. Solange es auf die Frage der Stofffülle keine überzeugende Antwort gibt, stimmen die Eltern mit den Füßen ab. Was natürlich nicht heißt, dass es nicht auch achtjährige Gymnasien gibt, die die Umstellung geschafft haben, aber es gibt sie eben nicht flächendeckend. Und die zeitliche Belastung bekommt das Kultusministerium auch mit der Entschlackung der Pläne nicht weg.
Sie haben sich vom Konzept der Gemeinschaftsschule überzeugt. Wird das nicht durch G 9 kannibalisiert, weil den Eltern eine weitere Alternative zu G 8 geboten wird?
Das ist grundsätzlich richtig. Wir hatten auch den Verdacht, dass Schülerströme in Richtung Gemeinschaftsschule gelenkt werden sollen und es auch deshalb nur 44 Standorte für G 9 gibt. Aber man muss sehen, dass die Gemeinschaftsschule für eine schnelle Lösung nicht taugt, weil sie in Schritten eingeführt wird. Eltern suchen aber jetzt eine Lösung für ihre Kinder und nicht irgendwann. Viele Eltern agieren sehr selbstbewusst und fordernd.
Wie kann dieses Engagement genutzt werden?
Auch ein Argument für die Gemeinschaftsschule. In keiner anderen Schulart werden Eltern so umfangreich in die Prozesse an der Schule mit einbezogen. Viele Studien belegen klar, dass konstruktives Elternengagement, viel Positives zum Schulklima beiträgt. Die Schüler fühlen sich ernstgenommen und wertgeschätzt.
Der Landeselternbeirat kann auch initiativ werden …
...wenn unsere Ausstattung so wird, dass diese Arbeit über die Beratung hinaus geleistet werden kann. Wir wollen initiativ werden zum Beispiel in Sachen Lernmittelfreiheit. Die frühere Opposition hat der CDU immer vorgehalten, dass die Lernmittelfreiheit dauernd ignoriert wird. Jetzt sind Grüne und SPD selber an der Regierung und können einen Knopf dran machen. Außerdem müssen wir uns um die Jungen kümmern. Die sind in der Schule und in der Kita strukturell benachteiligt, und darüber muss offen gesprochen werden.
Stichwort Grün-Rot. Wie sollte die Bildungslandschaft am Ende dieser Legislaturperiode in vier Jahren aussehen?
Ich komme auf den Anfang des Gesprächs zurück. Es muss Ruhe und Konstanz in die Diskussionen kommen, und vor allem muss das parteipolitische Gezerre aufhören. Die Eltern erwarten weniger Aufgeregtheit und mehr Beständigkeit. Es wäre toll, wenn das geschafft würde.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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