"Der Kopf ist rund, damit sich die Gedanken drehen können"

13.12.2019 
 
Redaktion
 
Oberbürgermeister Daniel Rapp (Mitte) mit Studierenden der Verwaltungshochschule Ludwigsburg und Chefredakteurin Breda Nußbaum. Foto: Sarah Fritz

Die Studierenden der Verwaltungshochschule Ludwigsburg sprechen im Interview mit Daniel Rapp (CDU), Oberbürgermeister von Ravensburg, zum Thema Klimaschutz in Ravensburg. Den ersten Teil des Interviews können Sie im aktuellen Staatsanzeiger lesen.

 

Was sagt denn Ihr Kämmerer zu der Idee mit dem Freibad - auch im Hinblick auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit?

OB Rapp: Das ist tatsächlich ein finanzielles Minus. Es handelt sich um einen finanziellen Beitrag für den Klimaschutz. Ich saß erst mit meinem Kämmerer zusammen, um Flächen auf der Gemarkung unserer Stadt zu identifizieren, auf denen wir Wälder wieder wachsen lassen können. Das kostet natürlich Geld. Das ist eine Quersubventionierung. Zum Beispiel, wenn wir das Parken teurer machen dann haben wir wieder eine Einnahme. Wir müssen aber darauf achten, dass wir die Gelder zweckerhalten und nicht damit den Kindergarten finanzieren.

 

Ein weiterer Aspekt ist die Akzeptanz der Ravensburger Bürger, da einige Ihrer Projekte die Bürger hautnah betreffen, da stellt sich uns natürlich die Frage, ob Sie ab und an auch auf Widerstand stoßen und wie Sie mit diesem umgehen?

Ich glaube, auch mal über Ravensburg hinaus betrachtet, dass die Bürger zu einem großen Teil weiter sind, als die Politik glaubt. Ebenfalls habe ich auch den Eindruck, dass die Bürgerschaft und zwar egal in welchem Alter, zum Teil weiter ist, als die Politik, da diese in der Demokratie oft von der Angst der Abwahl getrieben ist. Genau deswegen sagen diese erstmal bei jeder Veränderung „Ohje, was sagen da die Bürger, wenn sie jetzt mit dem Auto nicht mehr auf den Platz fahren dürfen? Oder was passiert, wenn wir dies und jenes machen?“. Ich sehe das positiv.

Ebenfalls ist das ein Grund, warum wir die Bürger in diesem Losverfahren miteinbinden, damit es von den Bürgern miterarbeitet worden ist. Man darf nicht vergessen, dass es wie bei jedem Thema einen Teil der Bevölkerung gibt, die komplett andere Meinung ist. Wichtig finde ich, dass man dann sagt, ja auch das ist zulässig. Wir können die Leute nicht überzeugen, indem wir sagen, du hast nicht Recht, sondern müssen ihnen praktische Lösungen anbieten.

Befürchten Sie keine wachsende Gegenbewegung?

Es wird dann immer noch eine Gegenbewegung übrigbleiben, wie die Gelbwestenproteste in Frankreich gezeigt haben. Das ist eben das Thema der sozialen Abfederung für den Klimaschutz, das nur der Bund lösen kann. Es darf nicht so sein, dass der Klimaschutz dazu führt, dass sich nur die Vermögenden ihn leisten können. Wichtig ist, darauf aufzupassen, dass es sozial abgefedert ist. Hierfür gibt es verschiedene Modelle, wie beispielsweise in der Schweiz, wo man die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung den Bürgern wieder zurückgibt. Somit hat derjenige, der sich besonders klimafreundlich verhält, einen Vorteil.

Ich halte es in einer Industrienation wie Deutschland für sinnvoller zu sagen, wir müssen diese Einnahmen aus der CO2-Bepreisung konsequent nutzen für den Klimaschutz, zum Beispiel für den Umweltverbund. Das Attraktivste wären natürlich viele kostenlose Angebote, wie zum Beispiel den kostenlosen ÖPNV. Ein anderes Beispiel wäre, dass man die CO2- Einnahmen nutzt, um den Strom billiger zu machen.

Haben Sie mit wachsendem Erfolg der Grünen Angst um Ihre Wiederwahl?

Die Grünen sind im Gemeinderat eine ganz wichtige Säule für mich und auch die stärkste Fraktion in Ravensburg. Wie jeder kluge Bürgermeister, übe ich mein Amt völlig parteineutral aus. Ich sehe die Erfolge der Grünen auch auf der kommunalen Ebene, als Zeichen dafür, dass es auch Themen gibt, die nicht nur von „Fridays for Future“ getragen werden, sondern auch von einem großen Teil der Bevölkerung.

Wichtig ist, dass nicht nur die Grünen hinter der Transformation stehen, sondern auch die anderen Parteien. Auch bin ich gegen den Klimanotstand, da dieser nicht zur Einsparung eines einzigen Mikrogramms CO2 führt. Vielmehr wäre ich für einen Klimakonsens, den wir im Gemeinderat und in der Klimakommission erreichen wollen und hoffe, dass eine Mehrheit der Bevölkerung sagt, gut, das verstehe und akzeptiere ich, da bin ich nicht dagegen. Das wäre schon mal ein großer Fortschritt. Die Erwartung, in einer Demokratie 100 % Zustimmung zu bekommen, ist eine Illusion, die gibt es nicht, aber man sollte versuchen, alle mitzunehmen und zumindest eine Mehrheit hinter den Beschlüssen zu haben.

Wie sollten Land und Bund die Kommunen stärker beim Klimaschutz unterstützen?

Wie viele Städte hat auch die Stadt Ravensburg das Thema Doppik bis zum letzten Tag aufgeschoben. Dies führt eben dazu, dass offensichtlich wird, dass viele der Kommunen chronisch unterfinanziert sind. Auch für so reiche Kommunen wie Ravensburg mit hohen Gewerbesteuern, starker Wirtschaftskraft und Vollbeschäftigung, sieht man, dass vor allem die Oberzentren, die viele überörtliche Aufgaben zu erledigen haben, jedoch keine regionalen Einnahmen haben.

Aber auch Gemeinden die eine große Fläche haben, somit ein großes Vermögen vorweisen, aber versuchen müssen die Abschreibungen zu erwirtschaften. Wir haben also aufgrund der Konjunkturschwäche sinkende Steuereinnahmen und gleichzeitig müssen wir die Abschreibungen erwirtschaften. Selbst wir, die äußerlich reiche Stadt Ravensburg, bekommt es nicht hin, die Abschreibungen voll zu erwirtschaften. Den Ausgleich werden wir laut Finanzplan auch in den kommenden drei Jahren nicht schaffen.

Also in anderen Worten, uns fehlt das Geld. Der Erfolg von Politik wird sich künftig sehr stark auf kommunaler Ebene entscheiden: Klimaschutz, Integration von Neubürgern, Wachstumsgestaltung, Digitalisierung, Bildung und so weiter, das machen in erster Linie nicht Land und Bund, sondern das hängt alles an den Städten und Gemeinden. Wir brauchen mehr Geld oder wir stagnieren eben in diesem Bereich. Lange Rede, kurzer Sinn, die Städte benötigen mehr Geld von Bund und Land in Form von Zuschüssen oder Steueranteile, idealerweise wäre natürlich die Umschichtung der CO2-Bepreisung.

Wie schätzen Sie Ihren persönlichen Fußabdruck ein?

Hier bin ich ein Stückweit ein „Mixprodukt“. Ich wohne quasi in einem hochökologischen Haus mit Pelletheizung, also was Wärme angeht bin ich echt super. Aber ich bin jetzt nicht der OB der nur mit dem Fahrrad herumfährt. Ich fahre natürlich selbst und gerne Auto. Vor kurzem bin ich umgestiegen auf einen Hybrid. In meinem individuellen Fall ist der Hybrid etwas Sinnvolles, da die Bürgermeister vor allem in ihrem eigenen Städtle herumfahren wodurch, ich hauptsächlich elektrisch fahren kann.

 

Das Gespräch führten Sarah Fritz und Felix Deininger


 

 

 

 

 


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