„Holzbaupflicht würde gegen Vergaberecht verstoßen“

17.06.2019 
Von: Jürgen Schmidt
 
Redaktion
 

Foto: Schmidt

STUTTGART/TÜBINGEN. Um die selbstgesteckten Klimaziele einzuhalten, hat Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) angekündigt, Bauherren künftig zu verpflichten, mit Holz zu bauen. Bei Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) erntet er dafür Lob. Die Bauwirtschaft dagegen hält das für nicht praktikabel.

„Ich möchte die Holzbauweise in Tübingen bis 2030 zur Pflicht machen“, hatte Tübingens Rathauschef Boris Palmer in einem Interview mit dem „Schwäbischen Tagblatt“ angekündigt. Damit hat er ein überregionales Medienecho ausgelöst. Der Grünen-Politiker hatte seinen Vorstoß im Rahmen eines Zehn-Punkte-Plans für eine klimaneutrale Stadt gemacht. Mit Holzbau werde der Atmosphäre Kohlendioxid entzogen. Beton sei dagegen ein Energiefresser, begründete er dies.

Bei der Bauwirtschaft Baden-Württemberg stoßen die Pläne auf wenig Begeisterung. „Wir haben Palmers Äußerungen mit Verwunderung zur Kenntnis genommen“, erklärt der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Thomas Möller. Eine Holzbaupflicht verstoße aus seiner Sicht gegen das Vergaberecht, weil Ausschreibungen dann nicht mehr produktneutral seien.

Ob solche Vorgaben vergaberechtlich möglich sind, scheint umstritten. Gerhard Mauch, als Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg unter anderem für Baurecht zuständig, hält eine solche Beschränkung auf eine bestimmte Bauweise prinzipiell für zulässig. Zudem hätten Kommunen bei Förderprogrammen die Möglichkeit, die Verwendung von Holz als Baustoff festzulegen. Möglicherweise brauche es eine Rechtsverordnung der Stadt, um Details zu regeln.

Holzbau hat bei Treibhausgasen großen Vorsprung

Bauverband-Chef Möller hält eine Pflicht für die Holzbauweise nicht nur rechtlich, sondern auch umweltpolitisch für den falschen Weg. Er räumt zwar ein, dass der Holzbau verglichen mit dem Mauerwerksbau bei den Treibhausgasemissionen einen großen Vorsprung habe. Doch die Kommunen müssten als vergebende Stellen ein Interesse daran haben, dass sich der Massivbau weiterentwickele.Und die Branche sei selbst daran interessiert, die Umweltbilanz zu verbessern und habe schon Erfolge vorzuweisen. So gebe es inzwischen klimaneutrale Ziegel. Auch Leichtbaustoffe trügen zu einer ressourceneffizienten und klimaschonenden Bauweise bei.

Zudem müsse man in die Umweltbilanz auch die Lebensdauer und die Verwertung einbeziehen, sagt Möller und fügt hinzu: „Wir setzen auf Recycling.“ Während Bauholz am Ende des Lebenszyklus nicht mehr zum Bauen verwendet werden könne, gelte dies für Materialien des Massivbaus sehr wohl. Der Fachverband Beton- und Fertigteilwerke Baden-Württemberg geht sogar noch einen Schritt weiter und erklärte schon im vergangenen Jahr den Klimavorteil von Holz zum „Mythos“. Holz könne nicht wie mineralische Baustoffe recycelt, sondern nur thermisch verwertet werden. Dabei werde wieder Kohlendioxid freigesetzt.

Verbandschef Möller sieht Holz- und Massivbau nicht als Gegensatz. Man wolle zusammen mit dem Holzbau einen anderen Weg gehen als die einseitige Bevorzugung eines Baustoffs und beispielsweise eine hybride Bauweise entwickeln.

Bürger sollen über die Vorteile aufgeklärt werden

Von Baden-Württembergs Forstminister Peter Hauk erhält Palmer dagegen Unterstützung. Der CDU-Politiker hatte sich im vergangenen Jahr bereits dafür stark gemacht, dass sich die staatliche Bauverwaltung so weit wie möglich auf den Baustoff Holz festlegen solle. Die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) hatte bereits juristische Schritte angekündigt, sollte Baden-Württemberg eine „Holzbau-Offensive“ umsetzen.

Zur Initiative des Tübinger OB sagte Hauk der Nachrichtenagentur dpa: „Wichtig ist, die Menschen über die Vorteile vom Bauen mit Holz für das Klima und für sich selbst aufzuklären und es nicht einfach nur vorzuschreiben.“

Holzbaupflicht ist bau- und vergaberechtlich noch nicht geklärt

Wie die Vorschriften für Bauherren in Tübingen künftig aussehen könnten, scheint noch offen zu sein. Auf eine Anfrage, wie die Holzbaupflicht bau- und vergaberechtlich ausgestaltet und umgesetzt werden könnte, ließ Palmer schriftlich mitteilen: „Darüber ist noch gar nicht entschieden. Die Einführung solcher Pflichten erfordert sicherlich sowohl eine Verbesserung des Rechtsrahmens als auch kommunale Handlungsbereitschaft.“ Interessant seien laut Palmer nicht die allfälligen Bedenken, sondern die Klimabilanz von Holzbau. „Und die ist hervorragend.“

Fast jedes dritte Haus im Südwesten ist mit Holz gebaut

In Baden-Württemberg ist Holz als Baustoff schon heute stärker verbreitet als im Rest der Republik. Während die Holzbauquote (bezogen auf alle Gebäude) nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes bei 17,8 Prozent liegt, ist die Quote laut Bauwirtschaft Baden-Württemberg im Südwesten bei rund 30 Prozent. Am häufigsten werden Ein- und Zweifamilienhäuser in Holzbauweise gebaut. Als Treiber des Erfolgs wird die zunehmende Leistungsfähigkeit und die universelle Anwendbarkeit des Holzbaus gesehen.

 

 


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