Kretschmann: Heimat ist nicht etwas, was Politik machen kann

14.02.2018 
Redaktion
 
Foto: dpa

Biberach. An Promis mangelt es nie, wenn Baden-Württembergs Grüne zum Aschermittwoch nach Biberach laden. In früheren Zeiten war die Veranstaltung jahrelang eine Attraktion, dem sogar Außenminister Joschka Fischer regelmäßig die Ehre gab. Längst hat „Vernarrt in grün“ nicht mehr nur den Charakter eines Familientreffens. Selbst der CDU-Finanzbürgermeister der Großen Kreisstadt Biberach, Roland Wersch, rühmte die inzwischen 33jährige Tradition und ihre Beliebtheit bei grünen Aushängeschildern.

„Bei uns herrscht Freiheit, und das ist der Sinn von Politik“: Schon seit einiger Zeit nutzt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seine Reden in Biberach für nachdenkliche Botschaften. Nicht weil er humorlos sei, sondern ganz im Gegenteil: „Humorlosigkeit ist immer ein gutes Indiz dafür, dass man aufpassen muss.“ Als Beispiel nannte der Ministerpräsident Politiker wie Trump, Putin und Erdogan. Aber die Zeit sei ernst und „die Welt in Unordnung“. Der Ex-Studienrat, bekannt für seine philosophische Ader, versuchte die Unterschiede zwischen Nationalismus auf der einen und Patriotismus auf der anderen Seite herauszuarbeiten. Es gebe Anzeichen dafür, dass manche vergessen hätten, „wie Nationalismen die Völker in größtes Unglück gestürzt haben“.

Und er forderte auch seine Grünen auf, sich mit dem Begriff der Heimat zu befassen, vor allem ihn nicht von anderen besetzen zu lassen. Er könne nicht verstehen, sagte er mit Blick auf die CSU, warum es ein Heimatministerium brauche, da sich doch eigentlich jedes Ministerium mit der Heimat zu befassen haben. „Das klingt mir nach Politkitsch“, so Kretschmann. Die Politik solle sich da heraushalten. Heimat sei nicht etwas, das Politik machen könne, sagte Kretschmann. Das gehe einfach nicht, denn „irgendwann kriegen wir dann noch ein Liebesministerium“.

Auch die Bemühungen um eine neue Große Koalition und die schiefgegangenen Jamaika-Verhandlungen waren Thema in der überfüllten Biberacher Stadthalle. Wie Kretschmann bedauerten auch die beiden Ex-Parteivorsitzenden Cem Özdemir und Claudia Roth das Platzen der Gespräche mit Union und FDP. Kretschmann nahm sich speziell FDP-Chef Christian Lindner zur Brust, den niemand vor die Alternative gestellt habe, gar nicht oder falsch zu regieren. Die Alternative sei eine ordentliche Regierung gewesen, und die habe er nicht hinbekommen.

Roth verlangte gerade mit Blick auf die Flüchtlingspolitik die Rückbesinnung „auf unser humanistisches Erbe, das uns doch so wichtig und schätzenswert sein sollte“. Laut Grundgesetz sei die Würde des Menschen unantastbar, nicht etwa nur die Würde bestimmter Menschen. „Der liebe Gott hätte der CSU das C längst aberkannt“, so die Bundestags-Vizepräsidentin, die unweit von Biberach aufgewachsen ist. Özdemir wollte zudem die Gelegenheit für „eine Klarstellung“ nutzen, nachdem beim Heidenheimer Parteitag im Dezember Debatten über ihn als möglichen Nachfolger von Kretschmann aufgekommen waren. Letzte Klarheit stellte er allerdings mit seinem Satz „Wir haben einen großartigen Ministerpräsidenten, der ist es, der bleibt es und wir werden alles tun, dass das so bleibt“ auch nicht her.


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