"Wichtig ist die Bereitschaft der Mitarbeiter sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen"

27.10.2016 
Redaktion
 
Interview
Foto: Falkenberg

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Der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund ist gestiegen. Die Gestaltung der Lebensbedingungen von Zuwanderern vor Ort spielt damit auch in den Kommunalverwaltungen eine größere Rolle. Interkulturelle Teamarbeit ist dabei ein wichtiger Baustein. Die Stuttgarter Personalexpertin Kathrin Falkenberg, die öffentliche Institutionen in Entwicklungs- und Veränderungsprozessen begleitet, verrät, wie sich die Zusammenarbeit erfolgreich gestalten lässt.

Staatsanzeiger: Frau Falkenberg, kulturelle Vielfalt, statt nationaler Einfalt - arbeiten heterogene Arbeitsgruppen produktiver?

Kathrin Falkenberg: Die Vorteile multikultureller Teams liegen auf der Hand. Sie können produktiver, effektiver, innovativer und kreativer sein. Anders als monokulturelle Arbeitsgruppen vereinen sie eine große Vielfalt an Arbeitsstilen, neuen Perspektiven und Lösungsansätzen in sich. Das kann zu einer höheren Qualität an Ideen, zu schnelleren und besseren Entscheidungen und auch Ergebnissen führen. Die Realität sieht oft anders aus. Ob es tatsächlich gelingt das Potential zu nutzen, das in heterogenen Teams steckt, hängt von der Führungskraft ab. Erschwerte Kommunikation, geringe Gruppenstabilität, geringer Gruppenzusammenhalt, erhöhter Stress und ein größerer Abstimmungsbedarf Einzelner - der Umgang mit diesen Hauptherausforderungen entscheidet letztlich über den Erfolg der Zusammenarbeit. Jeder Teamleiter sollte sich deshalb bewusst machen, dass Arbeitsgruppen, die eine nationale und damit kulturelle Vielfalt aufweisen, zumindest am Anfang einen größeren Bedarf an Input mit sich bringen.

Das heißt?

Genau wie beim Hausbau gilt auch hier: Das Fundament muss richtig und stabil gebaut sein. Wer eine multikulturelle Arbeitsgruppe zusammenstellt, sollte darauf achten, dass ihre Mitglieder dieselbe Zielsetzung verfolgen. Mit einem gemeinsamen Ziel vor Augen ziehen alle an einem Strang. Auf dieser Basis kann sich ein nachhaltiger Teamgeist entwickeln. Außerdem sollten möglichst viele Vertreter unterschiedlicher Kulturen vertreten sein. Das wirkt der Bildung kleiner kultureller Einzelgruppen entgegen.

Gilt das auch mit Blick auf Frauen die ein Team leiten?

Die Auffassungen in diesem Punkt können sich je nach Herkunftsland deutlich unterscheiden. Wenn ein Team zusammengestellt wird, sollte im Vorfeld auch die Tatsache Berücksichtigung finden, dass sich die Geschlechterrollen in anderen Ländern deutlich von den im Westen geltenden Auffassungen unterscheiden . Um Probleme zu vermeiden, sollten dementsprechend auch weibliche Vertreter dieser Kulturkreise zum Team gehören. Sie können helfen entsprechende Denk- und Verhaltensmuster abzuschwächen, denn anders lässt sich ein einmal gestecktes Ziel nicht erreichen.

Andere Länder, andere Kommunikations- und Konfliktstrukturen. Was bedeutet das für die Zusammenarbeit?

Die Tatsache, dass andere Kulturen durch Kommunikations- und Konfliktstrukturen geprägt sind, die sich von unserer Praxis deutlich unterscheiden, stellt nicht zwingend ein Hindernis dar. Dass Menschen mancher Kulturkreise Kritik nicht offen, sondern eher indirekt äußern oder weit ausholen, bis sie auf den Punkt kommen, sollte einer Führungskraft bewusst sein. An ihr liegt es Transparenz zu schaffen, indem Regeln für die Kommunikation und die Zusammenarbeit im Team festgelegt werden. Doch das allein genügt nicht. Damit sich eine offene, harmonische und vertrauensvolle Teamkultur entwickelt, sollten Vorgesetzte - öfter als bei monokulturellen Teams - Meinungen und Sichtweisen gezielt abfragen. So verbessert sich schrittweise die Kommunikation innerhalb der Gruppe.

Müssen Teamleiter also ein gewisses Maß an interkultureller Kompetenz mitbringen?

Führungskräfte müssen ein Gefühl dafür entwickeln, die Rollen im Team so zu verteilen, dass spezifisches Know-how und kulturelle Stärken optimal zum Tragen kommen. Ein gewisses Maß an interkultureller Kompetenz ist deshalb unerlässlich. Die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren und in andere Kulturen hineindenken zu können sowie eine positive Grundeinstellung, Neugier an der Bereicherung und Empathie sind wichtige Voraussetzungen, um ein heterogenes Team zum Erfolg zu führen.

Ist das im öffentlichen Dienst heute schon gegeben?

Im Gegensatz zur Wirtschaft, in der internationale Beziehungen und Kooperationen in vielen Unternehmen zum Alltag gehören, hat der öffentliche Dienst hier sicherlich noch Entwicklungspotentiale. Im vergangenen Jahr sind viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Unter ihnen befinden sich potentielle Fachkräfte, die die nicht nur die Wirtschaft sucht, sondern auch der öffentliche Dienst. Deshalb kann es nur von Vorteil sein, wenn sich die Verwaltungen im Land in punkto Interkulturalität gut aufstellen. Das trägt zu einem positiven Arbeitgeberimage bei. Darüber hinaus findet die Integration zu einem Gutteil in den Kommunen statt. Um sie nachhaltig zu gestalten, wird die Verwaltung künftig vermehrt mit Bürgern anderer Herkunft stärker zusammenarbeiten müssen. Interkulturelles Know-how wird daher wichtiger.

Wie lässt ich dieses Know-how generieren?

Niemand muss lange im Ausland gelebt haben, um sich interkulturelles Know-how anzueigenen. Wichtig ist die Bereitschaft der Mitarbeiter sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Hier kommt wieder den Führungskräften eine entscheidende Rolle zu. Teamworkshops und Schulungen im Vorfeld, die Einbeziehung der Mitarbeiter von Anfang an, sind unerlässlich für den Erfolg. Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, im Vorfeld ihre Erwartungen und auch Ängste und Befürchtungen äußern zu können. Gerade in öffentlichen Verwaltungen gibt es kurze Weg zu den Nachbarabteilungen beispielsweise der Ausländerbehörde, hier ein Praktikum absolvieren und sich mit den Kollegen austauschen – Best Practice gelebt.


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