Stuttgart. Bei der Abstimmung über den Rückkauf der Aktien des Energieversorgers EnBW vom französischen Energieversorger EDF kam es im Landtag an diesem Mittwoch zum Eklat: Sozialdemokraten und Grüne verließen aus Protest über die Art und Weise, wie das Geschäft abgewickelt worden war, den Saal. Die Fraktionen von SPD und Grünen seien nicht bereit „als Staffage“ an der Abstimmung teilzunehmen, hatte SPD-Fraktionsvorsitzender Claus Schmiedel zuvor erklärt. Die Abgeordneten der Regierungsfraktionen stimmten dem Wiedereinstieg und dem damit verbundenen Nachtragshaushalt zu.
Am Montag vergangener Woche hatte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) überraschend bekannt gegeben, dass das Land den Anteil der EDF an der EnBW zurückkaufen werde, jenen Anteil von 45 Prozent, den das Land im Jahr 1999 an die EDF verkauft hatte. Der Verkauf erfolgte zu einem Preis von 41,50 Euro je Aktie. Der Preis schließt den Dividendenanspruch für 2010 mit ein. Insgesamt ergibt sich daraus ein Kaufpreis von 4,67 Milliarden Euro. Ein Deal, für den der Regierungschef nun in einer Regierungserklärung im Parlament warb.
Der Finanzausschuss hatte an diesem Dienstag mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und FDP bereits dem nun im Landtag verhandelten Gesetzentwurf zur Übernahme von Garantien und Genehmigungen in einem Umfang von 5,9 Milliarden Euro zugestimmt. Darin enthalten sind neben dem Kaufpreis von 4,67 Milliarden Euro eine weitere Milliarde Euro enthalten, die das Land nach Aussagen von Mappus benötigen würde, wenn alle Aktionäre mit Ausnahme des Zweckverbands Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) ihre Anteile an das Land verkaufen wollten. Zu diesem Übernahmeangebot ist das Land gesetzlich verpflichtet. Mappus geht jedoch davon aus, dass diese Summe nicht benötigt wird, da er bei den Kommunen, die noch Anteile an der EnBW haben, kein Verkaufsinteresse erwartet. Allenfalls zwei Prozent der Anteile, die sich derzeit im Streubesitz befinden, könnten zum Verkauf angeboten werden.
Die Oppositionsparteien hingegen warfen Ministerpräsident Mappus vor, bei dem Geschäft die Rechte des Parlaments verletzt zu haben. Kretschmann sprach von „Machtmissbrauch“, von der „Verbiegung eines Verfassungsartikels wie es dieses Land noch nie erlebt hat“. Denn Mappus hatte sich beim Rückkauf der EnBW-Aktien auf das Notbewilligungsrecht nach Artikel 81 der Landesverfassung berufen. Danach darf der Finanzminister die Genehmigung für über- und außerplanmäßige Ausgaben „im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses“ erteilen. Die Genehmigung des Landtags muss dann nachträglich eingeholt werden.
„Dieser Artikel ist für außergewöhnliche Vorkommnisse vorgesehen, in denen sehr schnell finanziell eingegriffen werden muss“, sagt Kretschmann. Als Beispiel nennt er Naturkatastrophen, wo die Regierung schnell und unbürokratisch handeln müsse. Nach Ansicht von Grünen und SPD bestand beim EnBW-Deal hingegen keine besondere Eilbedürftigkeit. Denn der Konsortialvertrag zwischen den beiden Großaktionären EDF und OEW läuft erst Ende 2011 aus. Und auch wenn die EDF verkaufen wollte, hätte die OEW ein Vorkaufsrecht gehabt.
Mappus hingegen sagt, dass der Rückkauf der Aktien ausschließlich jetzt möglich gewesen sei. Einerseits weil die EDF zum Verkauf bereit gewesen sei, andererseits auch weil es jetzt die Möglichkeit der Finanzierung am Kapitalmarkt gegeben habe. Er erkannte allerdings an, dass das Notbewilligungsrecht nach Artikel 81 eine Ausnahme bleiben müsse. Er wisse, dass dieses Vorgehen für ein Parlament eine gewisse Zumutung sei.
Denn auch wenn der Landtag das Geschäft abgelehnt hätte, wäre es gültig. Nils Schmid, Spitzenkandidat der SPD für die kommende Landtagswahl, kritisierte dann auch: „Die Beratungen im Landtag sind nichts anderes als ein Placebo.“ Doch die Frage des Parlamentsvorbehalts sei keine Lappalie, die man in Verkaufsverhandlungen einfach beiseite schieben könne, bloß weil die EDF diesen nicht akzeptieren wollte.
Schmid warf Mappus auch vor, dass er den Auftrag für die Abwicklung des Verkaufs freihändig an die Investmentbank Morgan Stanley vergeben hatte, dessen Chef Dirk Notheis ebenfalls CDU-Mitglied und ein Freund von Mappus ist. Es sei üblich, dass zwei oder drei Banken bei so einem Handel im Vorfeld einbezogen würden. Diese hätten selbst jedes Interesse an Vertraulichkeit und Geheimhaltung, weil sie sonst keine Aufträge mehr bekämen, so Schmid. „Sie haben vielleicht nach Recht und Gesetz gehandelt, aber nicht nach Anstand und Moral“, warf Schmid dem Regierungschef vor.
CDU-Fraktionschef Peter Hauk hingegen verteidigte Mappus Entscheidung. Es habe fachliche Gründe gegeben, Morgan Stanley zu beauftragen, da die Bank beide Unternehmen kannte, die EDF und die EnBW. Die fachliche Kompetenz von Notheis könne niemand bestreiten. Dass der Bankchef zufällig Unionsmitglied sei, habe mit dem Geschäft nichts zu tun, so Hauk. Der CDU-Politiker sprach auch von der Opposition genannte Risiken an, wie etwa die Brennelementesteuer, die die Geschäftserwartungen der EnBW dämpfen könnte. Denn immerhin ist die EnBW mit 50 Prozent Atomstrom am stärksten davon betroffen. Doch die Chancen, die sich durch den Kauf ergeben, seien weitaus größer, so Hauk.
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke forderte die Oppositionsparteien auf, doch vor den Staatsgerichtshof zu ziehen. Gleichzeitig sprach er sich für eine schnellen Weiterverkauf der Anteile aus. Am Wochenende hatte die FDP-Bundestagsabgeordnete Judith Skudelny noch erklärt, sie fände die Umstände der Beauftragung befremdlich. „Allein die Tatsache, dass Aktien eines gewinnbringenden Unternehmens verkauft werden, ist noch lange kein Grund für das Land sie auch zu kaufen“, hatte die Bundestagsabgeordnete gesagt. Besonders die Finanzierung erschien der Insolvenzanwältin nicht optimal. „Ein Aktienerwerb der nur durch Kreditaufnahme finanziert ist, macht den Erwerber komplett von der aktuellen Wirtschaftssituation abhängig“, erläutert Skudelny weiter. Zumal auch ein Umsatzeinbruch bei vermeintlich stabilen Unternehmen, wie denen in der Energiebranche, nicht ausgeschlossen sei. Es sei daher äußerst riskant, durch Dividenden die Kreditkosten bedienen zu wollen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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