Energiewende geht nur mit Ausbau der Windkraft

04.07.2011 
Von: Susanne Suchy
 
Redaktion
 
Foto: MEV

Foto: MEV

Stuttgart. Er war noch nie so gut besucht. Beim „3. Windbranchentag Baden-Württemberg“ war die König-Karl-Halle im Haus der Wirtschaft Stuttgart bis auf den letzten Platz mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft gefüllt. Und das lag nicht nur daran, dass unter anderem der erste grüne Ministerpräsident des Landes, Winfried Kretschmann, sowie dessen Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) sprachen — war doch zuvor noch nie ein Ministerpräsident Gast beim Windbranchentag —, sondern dass es um nichts weniger als den zukünftigen Ausbau der Windenergie im Land ging.

Die Branche begrüßt den Ausstieg aus der Atomkraft und man will durchaus investieren – zumal Baden-Württemberg in Sachen Windenergie die rote Laterne trägt –, aber es herrscht Verunsicherung. Schließlich doktert derzeit in Berlin die Bundesregierung an der Novelle des Erneuerbaren Energien Gesetz, kurz EEG, herum, und damit auch an der Förderung der Windkraft.

Und dazu gibt es täglich neue Wasserstandsmeldungen. So bat Franz Untersteller um Verständnis, dass seine Worte vielleicht schon in ein paar Stunden nicht mehr gelten könnten. Plante doch die Bundesregierung ursprünglich eine Vergütungskürzung für die Windenergie an Land indem sie die Verringerung der Förderung, die so genannte Vergütungsdegression, von ein auf zwei Prozent pro Jahr erhöhen wollte.

Da waren Baden-Württemberg — interessanterweise im Schulterschluss mit dem ebenfalls am Ende der Skala in Sachen Windkraft dümpelnden Bayern — dagegen und brachten in de Bundesrat ein, dass die Degression bei einem Prozent bleibt. Was dort mit Mehrheit angenommen wurde. Doch dagegen hat sich nun die CDU-Bundestagsfraktion, vor allem Abgeordnete aus Baden-Württemberg, massiv gewandt. „Derzeit werden ständig Verhandlungsergebnisse immer wieder einkassiert“, so Untersteller. „Gestern früh waren wir noch bei ein Prozent, heute früh höre ich, dass es eineinhalb Prozent Degression sein sollen.“

Hintergrund: Die Bundesregierung will vor allem Offshore-Windanlagen fördern, doch damit könnten Onshore-Windanlagen benachteiligt werden, dagegen wendet sich Baden-Württemberg. Im Land wird freilich noch viel Potenzial gesehen: Lediglich 0,8 Prozent des Stromverbrauchs werden derzeit von der Windkraft gedeckt. Doch nach einem Gutachten der Deutschen WindGuard GmbH, die der Bundesverband Windenergie e.V. (BWE) und der Wirtschaftsverband Windkraftwerke e.V. (WVW) beauftragten, sind mit den jetzigen Novellierungsplänen der Bundesregierung 60 Prozent der geplanten Windenergieprojekte in Deutschland gefährdet.

Ursprünglich sollte auch der Systemdienstleistungsbonus (SDL) Ende des Jahres komplett wegfallen. Diesen erhalten Neuanlagen und aufgerüstete Altanlagen, wenn sie aufgrund ihrer elektrischen Eigenschaften eine bessere Netzintegration, damit Stabilität des Stromnetzes ermöglichten. Neuester Stand in Sachen SDL ist indes, dass dieser bis 2014 weiter gezahlt wird, aber statt 0,5 Cent pro Kilowattstunde sollen es nun noch 0,48 Cent sein. Diese Verlängerung begrüßt man im Umweltministerium grundsätzlich, ist aber der Überzeugung, dass das „modifizierte Referenzertragsmodell“,  welches Baden-Württemberg beim Bund eingebracht hat, eine bessere Lösung darstellt. Denn dieses wurde zunächst einmal abgelehnt, dafür die SDL-Verlängerung auf den Tisch gebracht.

Beim derzeitigen Referenzertragsmodell werde die maximale Förderdauer von 20 Jahren mit der höheren Anfangsvergütung dann erreicht, wenn 82,5 Prozent des Referenzertrages, also der geplanten Windausbeute am Standort erzielt werden. Aber damit würden Ertragswerte unter diesen 82,5 Prozent nicht mehr differenziert gefördert, so Untersteller, sondern so behandelt, als würden sie diese 82,5 Prozent des Referenzertrages erreichen. 

„Standorte in Süddeutschland liegen aber oftmals unterhalb dieses Wertes. Im Ergebnis bedeutet das, dass die wirtschaftliche Anreizwirkung des EEG für diese Standorte im Binnenland deutlich verringert wird.“ Im modifizierten Referenzertragsmodell des Landes sollen Standorte, die in den ersten fünf Betriebsjahren einen Ertrag von weniger als 82,5 Prozent Referenzertrag erzielt haben, ab dem sechsten Betriebsjahr eine erhöhte Vergütung erhalten, damit sie in den Bereich der Wirtschaftlichkeit kämen. „Ausdrücklich festhalten möchte ich, dass sich die EEG-Umlage mit dem vorgeschlagenen Modell in den nächsten 5 Jahren nicht erhöhen würde“, so Untersteller. Auch würden damit Offshore-Anlagen nicht benachteiligt. „Wir werden im weiteren Verfahren auf Bundesebene für unser Modell kämpfen.“ Während ihre Vorgängerin bis zum Jahr 2020 den Windenergieanteil in Baden-Württemberg auf maximal zwei Prozent der Bruttostromerzeugung verdoppeln wollte, plant die neue Landesregierung diese auf zehn Prozent auszubauen. Dazu bedürfe es einen Zubau von rund 130 bis 150 Anlagen pro Jahr, heißt es. Derzeit überarbeiteten zehn von zwölf Regionalverbänden ihre bestehende Windkraftplanung. Faktengrundlage ist der neue Windatlas. Um neue geeignete Standorte für Windenergieanlagen zu finden, will man statt der bisherigen Schwarz-Weiß-Regelung eine weniger starre „Weiß/Grau“-Lösung: So soll es weiterhin Vorranggebiete für Windräder geben, aber die Restfläche wäre nicht automatisch Ausschlussgebiet und könnte über die örtliche Flächennutzungsplanung auf kommunaler Ebene geregelt werden. Kommunen sollen stärker bei der endgültigen Standortfestlegung mitsprechen: Beim Ausbau der Windkraft sollen Kommunalverwaltungen und Naturschutzverbände deutlich stärker als bisher einbezogen werden, um so eine höchstmögliche Akzeptanz sicherzustellen. Hängt dich derzeit manches Windrad im Hochschwarzwald am artengschützten Auerhahn, obwohl gar nicht klar ist, ob das Tier im geplanten Revier überhaupt brütet.

Untersteller wie Kretschmann plädierten außerdem dafür, die Bürgerschaft möglichst umfassend bei Planungen zu beteiligen und mitzunehmen, aber auch örtliche Unternehmen. Ideal dafür seien sogenannten „Bürgerwindparks“. Es werde Proteste geben und die müsse man ernst nehmen und mit den Menschen reden, so Kretschmann. Es gebe dabei zwei Ebenen: „Die oberste ist die Energiewende und die schaffen wir nicht ohne Ausbau der Windkraft und auch einer Energieeffizienzoffensive“, so der Ministerpräsident. „Die nächste Ebene ist die lokale und kommunale.“ Man müsse sehen, was die Bürger vor Ort wollen, was die Bedarfe der Kommunen seien. Dabei müssten Ökologie und Ökonomie Hand in Hand gehen, die Verfahren transparent und einfacher werden. „Es gibt keine Verspargelung der Landschatt, die Menschen sollen auch noch ihren Ausblick auf Berge und Wälder haben.“ Wichtig se zudem, deutlich zu machen, dass der Windenergieausbau Land wie Kommunen durch Steuereinnahmen, Einkommen und Unternehmensgewinne eine Zunahme der Wertschöpfung von mehreren hundert Millionen Euro, so Kretschmann.  Beim Bundesverband der Windenergie wird betont, dass das Land trotz roter Laterne schon jetzt von der Windkraft profitiert:

Viele Komponente für Windanlagen werden von Zulieferern aus Baden-Württemberg produziert.


Kontakt

Ihre Ansprechpartnerin in der Redaktion

Redaktionsassistentin Staatsanzeiger
Doris Kugel
Telefon: 07 11.6 66 01-290
E-Mail senden

Unser Team

Ihr Kontakt zu unseren Redakteurinnen und Redakteuren

Zum Team

Praktikums-Tagebuch

Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger. 

Zum aktuellen Tagebuch

Der Kommunal-Newsletter

Wissenswertes zu kommunalpolitischen Themen für Sie als Gemeinderat/Gemeinderätin mit einem wöchentlichen Newsletter direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Abonnieren Sie jetzt den 
Kommunal-Newsletter.

Newsletter abonnieren