Wenn der Stuttgarter Hauptbahnhof – wie geplant – unter der Erde verschwindet, soll auf den freiwerdenden Gleisflächen ein neuer Stadtteil entstehen: das Rosensteinviertel. Die Stadtspitze sieht dieses Großprojekt in doppelter Hinsicht als einmalige Chance für die Landeshauptstadt.
Stuttgart. Städtebaulich biete das neue Stadtquartier die Möglichkeit, den Stuttgarter Osten und den Norden wieder zu verbinden, betont Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU). Damit werde die seit 100 Jahren bestehende Zerschneidung der Stadt durch die Bahnanlagen überwunden. Und in Sachen Bürgerbeteiligung will die Stadt nach den massiven Protesten gegen das eigentliche Bahnprojekt neue Wege gehen und die Stuttgarter diesen Teil der Stadt quasi selbst planen lassen. „Wir gestalten unsere Stadt von morgen“, heißt deshalb die Veranstaltungsreihe zur Rosenstein-Planung, die an diesem Mittwoch gestartet wurde.
Als Anregung für die Gestaltung des 100 Hektar großen Geländes zwischen Hauptbahnhof, Rosensteinpark und Nordbahnhof werden in den kommenden Monaten Experten aus Utrecht, Hamburg, Wien und Zürich ihre städtebaulichen Großprojekte – so etwa die Hamburger Hafencity - vorstellen. Anschließend sollen Bürger zusammen mit Experten von April 2011 bis Oktober 2012 in Arbeitsgruppen Einzelaspekte erörtern. Nachhaltiges Bauen, Wohnen, Arbeiten, kohlendioxidfreie Mobilität, Kultur/Bildung/Freizeit, Parkerweiterung/Grüngestaltung sowie Stadtplanung/Stadtgestaltung sind bislang als Themen vorgesehen. Im Jahr 2018 will die Stadt die Aufstellung der Bebauungspläne beginnen. Mit dem Baubeginn für den neuen Stadtteil wird 2020/21 gerechnet.
Um den Eindruck zu vermeiden, dass wesentliche stadtplanerische Vorgaben schon feststehen, hatten Schuster und sein Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) zum Auftakt der Bürgerbeteiligung keine umfassende Konzepten vorgestellt. Möglich scheint aus städtischer Sicht nahezu alles zu sein, um das Gebiet auf den heutigen Gleisanlagen attraktiv und lebenswert zu machen. Wohnen und Arbeiten in unmittelbarer Nähe - und das für ganz verschiedene Einkommensgruppen -, urbaner Flair und gleichzeitig ein Leben im Grünen sowie ein ganzes Stadtquartier als ökologisches Vorzeigeprojekt. Man wolle den Rosenstein als „Triple-Zero-Modellprojekt“ entwickeln, nennt das der Stuttgarter OB. Das bedeutet: keine Nutzung fossiler Brennstoffe, keine schädlichen Emissionen und vollständige Recyclebarkeit der verwendeten Baustoffe.
Grundlage für die Diskussionen mit Bürgern und Experten soll aber das Konzept des Stuttgarter Architekturbüros Pesch+Partner sein, die zusammen mit dem Karlsruher Landschaftsarchitekten Henri Brava 2005 beim städtebaulichen Wettbewerb der Stadt den 1.Preis gewonnen hatten. Die sieht im Grundsatz eine urbane Bebauung vor, die bestehende architektonische Strukturen, wie etwa im Nordbahnhofviertel aufnimmt und weiterentwickelt.
Allerdings gibt es nach Aussage von Hahn einige wenige Bereiche, deren Gestaltung bereits fest steht. Nicht mehr zu ändern sei die Bebauung des Europaviertels, in dem gerade die neue Stadtbibliothek entsteht. Das 15,4 Hektar große Gelände an der Heilbronner Straße ist im Eigentum der Bahn, die die Grundstücke an Großinvestoren verkauft. So sollen dort unter anderem große Wohnanlagen, ein Hotel, ein großflächiges Einkaufszentrum und die Sparkassenakademie entstehen. Beplant ist auch das Areal der Wagenhallen, in deren Nachbarschaft in Richtung Pragfriedhof demnächst zwei Berufsschulen gebaut werden sollen.
Ebenfalls nicht zur Disposition stellen will die Stadtspitze die geplante Erweiterung der Parkflächen am Schlossgarten und Rosensteinpark um 20 Hektar, also einem Fünftel der bei einer Tieferlegung des Hauptbahnhofs freiwerdenden Fläche. Der Großteil der Flächen auf dem heutigen Gleisvorfeld und dem Rangier- und Abstellbahnhof soll aber erst in den nächsten acht Jahren konkret beplant werden. Alle Flächen seien Eigentum der Stadt und aus Rücklagen finanziert, erklärt Schuster. Somit stehe die Stadt nicht unter dem Zwang die Flächen rasch und meistbietend verkaufen zu müssen. Grundsätzlich solle die künftige Bebauung nicht mit großen Blöcken großer Bauträger, sondern kleinteilig erfolgen, sichert die Stadtspitze zu. So seien auch Projekte von Baugemeinschaften und -genossenschaften denkbar, sagte Hahn. Areale für Einfamilienhäuser schließt er aber im neuen Stadtviertel ebenso aus wie der Präsident der baden-württembergischen Architektenkammer Wolfgang Riehle. Da müsse ein Umdenken stattfinden und andere Wohnformen gefunden werden, die dem Charakter des innerstädtischen Viertels gerecht würden.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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