Landtag debattiert über Transitzonen

29.10.2015 
Redaktion
 

Stuttgart. Mit der von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) vorgeschlagenen Einrichtung von Transitzonen für Flüchtlinge an den deutschen Außengrenzen  konnte sich der Landtag nicht wirklich inhaltlich auseinander setzen. Vielmehr war in der von der FDP-Fraktion dazu beantragten aktuellen Debatte von „Sprechblasen“ und „Phantomdebatten“ die Rede. Die Opposition ist solchen Einrichtungen zur Kontrolle der Flüchtlingsströme nicht abgeneigt, Grüne und SPD stellten fest, es gebe bisher überhaupt kein Konzept dafür.  Abgeordnete der Opposition warfen Grün-Rot vor, sich in der Frage der Transitzonen nicht zu positionieren. Die Redner der Regierungsfraktionen und Innenminister Reinhold Gall (SPD) wiesen dies mit der Begründung zurück, es gebe dazu keine Definition und vor allem überhaupt kein Konzept, über das ernsthaft diskutiert werden könnte. 

Die Landesregierung versuche, gemeinsam mit den Kommunen und ehrenamtlichen Helfern mit dem Flüchtlingsproblem umzugehen, sagte Gall. Aus seiner Sicht sollten Menschen mit Bleiberecht „so gut wie möglich“ integriert werden. Die anderen ohne Bleiberecht will Gall in ihre Herkunftsländer zurückführen. „Das System der Außengrenzen der EU ist notleidend“, urteilte der Minister. Dies könne jedoch nicht im Landtag von Baden-Württemberg gelöst werden. Angesichts von 1050 täglich im Südwesten ankommenden Flüchtlingen will Gall „den Zuzug strukturell ordnen“ und für eine „geregelte Aufnahme und zügige Durchführung von Asylverfahren“ sorgen.  Menschen, die kein Bleiberecht haben, sollen „möglichst freiwillig“ zur Rückkehr in ihre Heimat bewegt werden. Ziel der Landesregierung sei die Beschleunigung der Verfahren und die zügige Rückführung in sichere Herkunftsstaaten, erklärte Gall.

Rülke kritisiert Rückführungspraxis von Grün-Rot

Hans-Ulrich Rülke hatte zu Beginn der Debatte den Grünen vorgeworfen, „gar keine Begrenzung“ angesichts der hohen Flüchtlingszahlen zu wollen. Unter Hinweis auf die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – „wir schaffen das“ – sagte der FDP-Fraktionschef, Deutschland könne zwar die Aufnahme der Flüchtlinge schaffen, aber nicht in jedem Jahr eine Million und dann auch noch den Familiennachzug zulassen. Wer vorübergehend Schutz genießt, müsse zurückgeführt werden, wenn der Fluchtgrund weggefallen ist. Rülke kritisierte die Rückführungspraxis von Grün-Rot. In diesem Jahr habe es erst 1600 Rückführungen gegeben; dies seien zwar doppelt so viel wie 2010, aber die Zahl der Flüchtlinge habe sich verzwanzigfacht. Erneut kritisierte er die Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) herausgegebene Broschüre für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer, in der abgelehnten Asylbewerbern geraten werde, sich durch Heirat der Rückführung zu entziehen oder sich ins Kirchenasyl zu flüchten.

Dem CDU-Abgeordneten Thomas Blenke ist der unkontrollierte Zuzug ein Dorn im Auge. „Wir brauchen geordnete Verfahren, gesteuerte und begrenzte Zuführung und die zügige Rückführung“, sagte der Innenexperte. Für Blenke wären Transitzonen ein „wichtiger Baustein dafür“.  Transitzonen könnten auch helfen, die Einreise zu verweigern. Er forderte die Landesregierung auf, das geänderte Verfassungsrecht auch umzusetzen. 

Grüne kritisieren fehlendes Konzept für Transitzonen

Für die Grünen konstatierte Hans-Ulrich Sckerl, es gebe für solche Zonen überhaupt kein Konzept. „Die Transitzone hat gute Chancen, zum Phantom des Jahres zu werden.“  Es gebe vom Bund keinen Vorschlag dazu. Solche Phantomdebatten würden in der Flüchtlingskrise nicht weiter helfen, sondern nur die Bevölkerung verunsichern. Sckerl sagte, Baden-Württemberg werde die Bund-Länder-Beschlüsse umsetzen; er ist sich sicher, dass diese Beschlüsse wirken werden. Die Flüchtlingskrise sei jedoch nur dann zu schaffen, wenn alle Partner in Europa mitmachen. Er riet zur Vorsicht bei Diskussionen, damit nicht radikale Kräfte gestärkt werden.

Baden-Württemberg werde am Ende des Jahres um eine Großstadt mit 100 000 Menschen reicher sein, sagte Nikolaos Sakellariou (SPD).  Er wies darauf hin, dass das Grundrecht auf Asyl „Ewigkeitsgarantie“ habe. Dennoch sei Ordnung beim Grenzübertritt geboten. Die Transitzonen („kein Mensch weiß, was das ist“) als Mittel dafür seien schon deshalb nicht möglich, weil dazu Niemandsland gebraucht werde; dieses stehe aber zwischen Österreich und Deutschland nicht zur Verfügung und sei höchstens an den EU-Außengrenzen machbar. Außerdem könnten diese Einrichtungen nur als Haftzone funktionieren. „Deshalb sind Transitzonen überhaupt nicht umsetzbar“, betonte Sakellariou. Dagegen sei die Drehkreuz-Variante wie in Heidelberg die richtige Variante. Außerdem würden Diskussionen um die Bewältigung der Flüchtlingskrise „nicht die Fluchtursachen beenden“.


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