Dauderstädt sagt nein zu Pensionskürzungen

16.01.2015 
Redaktion
 
Foto: dbb

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Köln. Auf Klaus Dauderstädt können sich die 1,7 Millionen Beamten in Deutschland – davon 200.000 im Südwesten – verlassen. Obwohl der Chef des Deutschen Beamtenbunds (DBB) selber kein Beamter ist, hält er die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums hoch. Dies machte er am Montag bei der DBB-Jahrestagung klar, die unter dem Motto „Verfassung ohne Verfallsdatum – Gesellschaft im Wertewandel“ stand. Dauderstädt weiß: So bald wird es keine Zweidrittelmehrheit für ein Grundgesetzänderung zulasten der Beamten geben.

Staatsanzeiger.de: Herr Dauderstädt, ist Artikel 33 des Grundgesetzes noch zeitgemäß? Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg würde den Verweis auf die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums am liebsten abschaffen.

Klaus Dauderstädt: Ich halte das Grundgesetz noch immer für zeitgemäß. Der Beamtenstatus erlaubt es, den Bürgern dieses Landes streikfreie Leistungen anbieten zu können. Artikel 33 wurde 2006 neu formuliert. Insofern gibt es immer Anpassungen. Wir haben dabei die Grundsätze eines modernen Berufsbeamtentums zu berücksichtigen. Das schließt auch Kritik daran ein.

Können Sie verstehen, dass Winfried Kretschmann keine Lust mehr hat, mit den Beamten zu reden, weil er an deren Fähigkeit zur Einsicht in notwendige Veränderungen zweifelt?

Das von einem ehemaligen Beamten zu hören, ist schwierig. Ich gehe davon aus, dass jede Landesregierung im Gespräch mit ihren Beschäftigten bleiben sollte.

Das Statistische Bundesamt hat kürzlich festgestellt, dass ein Polizist im Ruhestand etwa doppelt so vermögend ist wie ein vergleichbarer Vorarbeiter oder Meister. Muss das sein?

Da muss man genau schauen, was da verglichen wurde. In Teilen der Privatwirtschaft mag das stimmen. Wenn Sie den öffentlichen Dienst meinen, würde ich jedoch widersprechen. Dort bekommen Facharbeiter eine Zusatzversorgung, die dazu führt, dass sie eine den Beamten vergleichbare Altersversorgung erreichen.

Über diese Zusatzversorgung wollen die Länder bei den Tarifverhandlungen reden. Sie sagen, sie könnten sie nicht mehr stemmen. Bei der Pension wird es bald ähnlich aussehen. Wenn Sie jetzt sagen würden: Wir akzeptieren Einschnitte bei Zusatzversorgung und Pension, wenn der Dienstherr den öffentlichen Dienst für Neueinsteiger attraktiver macht – wäre das nicht ein Zeichen, dass der Beamtenbund auf der Höhe der Zeit ist?

Die Frage der Eingangsbesoldung würde ich nicht von Zugeständnissen bei der Pension oder bei der Zusatzversorgung abhängig machen. Wir haben ein Fachkräftegewinnungsgesetz beim Bund, das Zuschläge auf die bestehende Besoldung bei Mangelberufen erlaubt. Wir sehen im Tarifbereich, dass einige Arbeitgeber, um einen Arzt für das Gesundheitsamt oder einen Ingenieur für die Gewerbeaufsicht zu bekommen, etwas drauflegen – außertariflich. Und das können wir auch gerne gesetzlich oder tariflich festschreiben. Abstriche bei der Pension kommen für mich nicht infrage – insbesondere nicht bei denjenigen, die sich nicht mehr wehren können, weil sie schon im Ruhestand sind. Das war und ist die Geschäftsgrundlage für dieses Arbeitsverhältnis.

Für Bundesinnenminister Thomas
de Maizière ist die Pension Kern der Attraktivität des Beamtenstatus.
Sehen Sie das ähnlich?

Das ist so. Die soziale Sicherung der Beamten ist ein wesentlicher Unterscheidungspunkt gegenüber anderen Arbeitsverhältnissen. Dazu gehört die Altersversorgung. Dazu gehört aber auch das Beihilfesystem als adäquate Ergänzung eines Kranken- und Pflegeversicherungssystems. Dazu gehört die Unfallvorsorge als Alternative zur Unfallversicherung und die Tatsache, dass man nicht in die Arbeitslosenversicherung zahlen muss, wenn man auf Lebenszeit eingestellt ist.

Was würde es bedeuten, wenn das Bundesverfassungsgericht das Streikverbot für Lehrer kippt? Ist dann der Anfang vom Ende des Berufsbeamtentums erreicht?

Das ist eine Frage, die in ihrer Perspektive so unrealistisch ist, dass ich sie nicht beantworten mag. Ich glaube nicht, dass das Bundesverfassungsgericht das macht.

Müssen Lehrer Beamte sein?

Wir gehen davon aus, dass sie auch hoheitliche Aufgaben haben. Insofern gilt der Maßstab des Artikels 33, wonach Personen, die hoheitliche Aufgaben ausführen, Beamte sein müssen, auch für Lehrer. Wenn ich über ein Notenniveau entscheide, das über das berufliche Fortkommen eines Schülers bestimmt, ist das ein hoheitlicher Akt, der nicht unwesentlich ist und vor einem Verwaltungsgericht angefochten werden kann. Außerdem muss sich der Staat entscheiden: Wenn er den Bildungsbereich streikfrei gesichert wissen will, sollte er Lehrer verbeamten.

Und wie sieht es mit den Lokführern aus? Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten: Würden Sie die Privatisierung der Bahn rückgängig machen?

Das soll im Bundeskabinett schon diskutiert worden sein. Es gibt eine Anfrage der Fraktion der Linken im Bundestag; die Antwort der Bundesregierung lautete: Das haben wir damals so entschieden, das wollen wir jetzt nicht korrigieren. Aber theoretisch wäre das denkbar. Der Lokführer übt zwar keine hoheitliche Tätigkeit aus. Er hat aber eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Und wenn das öffentliche Verkehrssystem als eine so wichtige Infrastruktureinrichtung angesehen wird, dass es nicht in private Hand mit Streikgefahr geraten sollte – das gilt übrigens auch für Fluglotsen –, dann kann man darüber nachdenken. Da der Staat sowohl Alleineigentümer als auch Gesetzgeber ist, hat er die Perspektive, dies zu gestalten.

Die Schweizer haben vor einigen Jahren die Unkündbarkeit ihrer Beamten abgeschafft. Ist die Unkündbarkeit wirklich unverzichtbar?

Nein. Sie ist nicht mit dem rechtlichen Status unlösbar verknüpft. Es gibt ja auch bei uns Wahlbeamte auf Zeit. Aber in der Funktion, in der der Beamte normalerweise tätig ist, gehört die Unkündbarkeit zum Konzept. Die Unkündbarkeit ist die Grundlage dafür, dass der Beamte auf sein Streikrecht verzichtet.

Manche Beamte leisten deutlich weniger als andere. In der Privatwirtschaft würden sie vermutlich entlassen, der Staat schleppt sie mit, weil sie unkündbar sind. Kann sich ein moderner Staat das leisten?

Dass nicht alle Menschen Höchstleistungen erbringen, ist eine Tatsache. Doch das muss ein Arbeitgeber aushalten. Wir haben außerdem bei den Beamten disziplinarrechtliche Instrumente, um Schlechtleistungen zu bestrafen. Das kann bis zur Rückstufung und zur Zuweisung anderer Aufgaben führen, denen der Betreffende gerecht werden kann. Neue Instrumente brauchen wir dafür nicht.


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