„Wir haben noch fünf Monate Zeit, um die Trendwende zu schaffen“

10.05.2017 
Redaktion
 
Interview
Foto: Bündnis 90/ Die Grünen

In Nordrhein-Westfalen müssen die mitregierenden Grünen derzeit um ihren Einzug in den Landtag bangen. Auf Bundesebene liegen sie nach Umfragen nur noch bei sechs bis acht Prozent. Der Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand nimmt Stellung zur Situation der Partei.

Staatsanzeiger: Machen Sie die aktuellen Umfragewerte nervös?

Oliver Hildenbrand: Wir sind natürlich überhaupt nicht zufrieden mit den aktuellen Umfragewerten. Gleichzeitig wissen wir aber, dass Wahlen immer später entschieden werden. Das heißt, wir haben noch fünf Monate Zeit, um die Trendwende zu schaffen. Unser Spitzenkandidat Cem Özdemir hat zu Recht die Parole ausgegeben: Kämpfen statt klagen! Das ist auch der Eindruck, den ich von unseren Kandidaten im Land habe: Sie lassen sich von den Umfragen nicht kirre machen.

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn hat gegenüber Medien gesagt: „Überall da, wo die Grünen ihre Inhalte mit authentischen Personen verbinden können, ohne dass es inhaltliche Friktionen gibt, scheint es ihnen besser zu gehen – wie zum Beispiel in Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg.“ Haben die Grünen auf Bundesebene auf die falschen Leute gesetzt?

Nein. Wir haben mit Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt zwei starke Spitzenkandidaten, die gut in die Zeit passen. Cem Özdemir steht als Schwabe mit türkischen Wurzeln wie kaum ein anderer in der deutschen Politik für gelingende Integration. Katrin Göring-Eckardt ist über die Bürgerrechtsbewegung in der ehemaligen DDR zur Politik gekommen. Sie kann aus ihrer Biografie heraus sehr gut deutlich machen, dass wir Grüne für eine freie und offene Gesellschaft einstehen.

Cem Özdemir hat dieser Tage Bedingungen für eine Koalition formuliert. Dazu gehört bei der SPD der Kohleausstieg, bei der CDU die Ehe für alle. Sind die Grünen derzeit überhaupt in der Position, Bedingungen für eine mögliche Koalition zu stellen?

Koalitionsfragen stellen sich nach der Wahl, nicht vor der Wahl. Die Voraussetzung für starke Grüne in der nächsten Bundesregierung ist ein starkes grünes Ergebnis bei der Bundestagswahl. Wir werden in den nächsten Monaten dafür werben, dass wir die Chance bekommen, unsere Konzepte für Klimaschutz, Weltoffenheit und Gerechtigkeit in der Regierung umzusetzen.

Zum Beispiel?

Wir müssen deutlich machen, dass unsere Kompetenz im Bereich Ökologie und Klimaschutz dringend gebraucht wird. Es geht um die Zukunft unseres Planeten und damit um die zentrale Menschheitsfrage. Die Pariser Klimaschutzziele sind zwar verabschiedet worden, aber noch lange nicht erreicht. Das ist ein politisches Handlungsfeld, das nur wir Grüne beharrlich bearbeiten. In Baden-Württemberg haben wir ein Klimaschutzgesetz verabschiedet und das wollen wir auch im Bund erreichen.

In wieweit lassen sich die Erfahrungen der Grünen aus Baden-Württemberg auf den Bund übertragen?

Wir haben in Baden-Württemberg gezeigt, dass eine Klarheit in den Zielen und eine Geschlossenheit in der Partei wichtige Voraussetzungen für einen Wahlerfolg sind.

In Baden-Württemberg vertreten die Grünen inzwischen Positionen, die sie früher weit von sich gewiesen hätten. Etwa Zustimmung zur Abschiebung nach Afghanistan, oder Kretschmanns Eintreten für den Diesel. Opfern die Grünen damit nicht ihre Visionen und Werte?

Nein. Wir Grüne sind in der Koalition mit der CDU eine starke Stimme für Integration. So haben wir im Koalitionsausschuss erreicht, dass geduldete Asylbewerber künftig vonseiten der Behörden aktiv auf ihre Chancen für einen gesicherten Aufenthalt hingewiesen werden. Die Botschaft ist klar: Wer lange hier lebt, wer gut integriert ist, wer in Ausbildung oder Arbeit ist, soll hier bei uns bleiben dürfen.

Zugleich beteiligt sich Baden-Württemberg an den Abschiebungen nach Afghanistan.

Die Einschätzung, ob Afghanistan ein sicheres Land ist, in das abgeschoben werden darf, liegt beim Bund. Die Länder haben hier nur sehr begrenzte Möglichkeiten. Wir Grüne bleiben deshalb bei unserer Forderung an die Bundesregierung, dass sie endlich eine realistische Beurteilung der Sicherheitslage in Afghanistan vornehmen muss. Im Land haben wir erfolgreich dafür gestritten, dass es klare Leitlinien gibt, um dem besonderen Schutzbedarf von Familien, Frauen und Kindern sowie kranken Menschen gerecht zu werden. Jeder Einzelfall muss sorgfältig geprüft werden.

Das Gespräch führte Stefanie Schlüter.


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