Steuerschätzer liefern die Grundlage für die Haushaltsplanung

04.11.2010 
Redaktion
 
Tagung der Finanzexperten

Baden-Baden. Der Arbeitskreis Steuerschätzungen kommt zwei Mal im Jahr zusammen. An drei Tagen erstellen die Finanzexperten die Prognosen für das kommende Jahr. Heute ist der letzte Tag der zweiten Runde in diesem Jahr. Um 13 Uhr sollen die Ergebnisse stehen, im Anschluss werden sie offiziell verkündet.

Die Frage, die beim Arbeitskreis im Mittelpunkt steht und auf die jener eine Antwort finden soll, lautet simpel: Wie hoch fallen die Steuermehreinnahmen in der nächsten Zeit voraussichtlich aus? Im Jahr 2008 bereiteten die Steuerschätzer Regierung und Bevölkerung auf schlechte Zeiten vor: Klar war, dass im folgenden Jahr mit dramatische Einnahmeeinbußen gerechnet werden musste. Damals rechnete http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,623869,00.htmlFinanzminister Peer Steinbrück (SPD) allein für jenes Jahr mit 48 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen im Bund. Die damaligen Befürchtungen: Bis 2013 hätten es sogar 350 Milliarden Euro werden können. Doch heute, zwei Jahre später, sieht die Zukunft wieder rosiger aus. Die Prognose der Steuereingänge für die Jahre 2010 bis 2012 sind positiv, das steht fest. Zahlen machen bereits vor der endgültigen Verkündung die Runde:  Das Bundesministerium der Finanzen ließ im Vorfeld verlauten, dass Bund, Länder und Gemeinde mit Steuermehreinnahmen bis zu 62 Milliarden Euro rechnen können. Der Bund erwartet in diesem Jahr ein Steuerplus im Vergleich zur Mai-Schätzung von 7,5 Milliarden Euro, fürs kommende Jahr 8,8 und 2012 zirka 9,3 Milliarden Euro. Die Länder sollen nach den Schätzungen der Finanzexperten des Bundes im gleichen Zeitraum Mehreinnahmen von insgesamt 23 Milliarden Euro haben, die Kommunen insgesamt rund 13,1 Milliarden.

Jede einzelne Steuerart wird geprüft

Doch bei den Steuerschätzungen legen noch weitere — insgesamt acht — Teilnehmer ihre Prognosen vor, so auch die Deutsche Bundesbank, der der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie die Vertreter der fünf großen Wirtschaftsinstitute wie etwa das Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW) oder das Münchner Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (ifo). Insgesamt tagen 36 Steuerexperten von Bund, Ländern und Gemeinden. Neben den bereits Erwähnten sitzen das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und die Finanzministerien der Länder, das Statistisches Bundesamt und der Deutsche Städtetag im Boot. Für das Finanzministerium Baden-Württemberg ist Werner Münzenmeier anwesend. Der Diplom-Volkswirt ist Leiter des Referats „Volkswirtschaftliche Grundsatzangelegenheiten, Steuerschätzung, Europäische Union, Statistik. Die Finanzexperten tragen vor, diskutieren und analysieren, streiten und argumentieren. Und all dies immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit, in der Regel jährlich zweimal, an wechselnden Orten. Im Mai werden Steuerschätzungen für den mittelfristigen Zeitraum erstellt, das heißt, für das laufende Jahr und die vier Folgejahre. Die November-Runde gibt die Kurzfristschätzung und damit eine Prognose der Steuereingänge für das laufende und das kommende Jahr ab. Allerdings wird heuer im Kursaal in Baden-Baden, wo der Arbeitskreis derzeit konferiert, erstmals zusätzlich noch das darauffolgende Jahr, also 2012 geschätzt.

Bei den Schätzungen vorab und während des dreitägigen Diskussionsmarathons nehmen sich die Finanzexperten jede Steuerart einzeln zur Brust, das heißt, beispielsweise die Mehrwertsteuer, die Einkommenssteuer oder die Gewerbesteuer werden einzeln geschätzt. Die gesamtwirtschaftlichen Vorgaben der Bundesregierung sind die Grundlage, von der alle ausgehen. In diesem Jahr rechnete sie mit 3,4 Prozent Wachstum, im nächsten Jahr mit 2 Prozent. Jedes Institut hat eigene Ideen und eigene Regeln, um die eigene Prognose zu berechnen und zu untermauern. Diese Regeln bestehen aus Erfahrungswerten darüber, wie Wirtschaft und Steueraufkommen auf Veränderungen reagieren. Vom gemeinsamen Ergebnis der Tagung und der zu verlautende Prognose müssen indes alle überzeugt sein. Doch wenn die Konjunkturprognosen der Bundesregierung sich nicht bewahrheiten, sind auch die Steuerschätzungen falsch.

Einflüsse sind vielfältig

Trotzdem: Das ganze Beraten, Streiten und Tagen ist nötig, um den Haushaltsplan der nächsten Jahre zu erstellen. Zu sehen, ob man sparen muss, eventuell die Steuern senken oder eventuell gar mehr Geld ausgeben kann. Das wird dann nach der Bekanntgabe der Steuerschätzungen entschieden. Doch darauf sollte sich, trotz voraussichtlich beachtlicher Mehreinnahmen und der ehemals gegebenen Wahlversprechen der jetzigen Bundesregierung keiner voreilig freuen. Immerhin ließ der Finanzminister von Baden-Württemberg, Willi Stächele (CDU) gleich zu Beginn der Sitzungsrunde wissen: „Trotz guter Konjunktur sind Steuersenkungen derzeit nicht machbar.“ Denn: „Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte kann nicht allein mit steigenden Einnahmen erfolgen.“

Und wie gesagt: die Zahlen sind lediglich Prognosen. Gewissheit gibt es hier noch weniger als bei den Wahlprognosen, die Einflussfaktoren sind vielfältig. Das zeigen mannigfaltig die Beispiele der Vorjahre. Die Schätzer hatten sich auch für die Jahre 2002, 2003 und 2004 heftig verschätzt und zu viel Mehreinnahmen verkündet. So wie auch im Mai 2007 ein warmer Geldregen prognostiziert wurde — bis 2011 erhofften sich die Schätzer 200 Milliarden Euro mehr als bis dato gedacht. Doch dann kam die Finanzkrise. Und nun die unerwartet schnelle Erholung von derselben. Fragt sich nur: Quo vadis? Was kommt als nächstes?


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