Stuttgart. Wie CDU und FDP im Land zum Betreuungsgeld stehen, wollte die SPD in der heutigen Sitzung des Landtages wissen. Gebe es Rückenwind für die Einstellung der Landesregierung oder gelte „Augen zu und durch“?
„Aus meiner Sicht wird da eine familienpolitische Geisterfahrt absolviert“, eröffnete Rainer Hinderer (SPD) die Debatte. Eine Auszahlung des auf Bundesebene diskutierten Betreuungsgeldes an Eltern, deren unter dreijährige Kinder zuhause betreut werden, würde diese Kinder von einer frühkindlichen Bildung und die Mütter von einem frühen Wiedereinstieg in den Beruf abhalten. 150 Euro monatlich pro Kind könnten die Integration von Frauen mit Migrationshintergrund erschweren und Unterschiede zwischen Mann und Frau verfestigen. „Das Betreuungsgeld setzt falsche Ansätze“, sagte Hinderer.
Probleme sieht er vor allem bei bildungsfernen Familien, deren Kinder seltener Zugang zu frühkindlicher Bildung und Betreuung hätten. „Das Betreuungsgeld passt nicht in unsere Zeit“, so Hinderer. Rekonstruiert werde ein vermeintliches Familienidyll aus dem vergangenen Jahrhundert. Es werde keine Verantwortung für den Ausbau von Kindertagesstätten übernommen, darüber hinaus seien Kosten von zwei Milliarden Euro zu erwarten. Dass das Betreuungsgeld unnötig sei, hätten aber schon Teile der CDU erkannt.
Die Großen Koalition sei es gewesen, die Ende 2008 im Kinderförderungsgesetz aufgenommen habe, mehr Betreuungsplätze für unter Dreijährige zu schaffen und ab 2013 Eltern, die ihre Kinder nicht betreuen lassen, monatlich eine Zahlung zukommen zu lassen, erinnerte Elke Brunnemer (CDU). „Es ist eine Frage der Verlässlichkeit, diese Regelung umzusetzen. Wir spielen unterschiedliche Lebensentwürfe nicht gegeneinander aus. Ob das Betreuungsgeld der richte Weg ist, darüber haben wir hier und heute nicht zu entscheiden, das läuft auf Bundesebene.“ Es sei die Aufgabe der Eltern, zu entscheiden, wie sie ihre Kinder erziehen wollen. Für die Landesfraktion habe diese Wahlfreiheit oberste Priorität. Ihr Appell an SPD und Grüne: „Trauen Sie jungen Eltern zu, dass sie verantwortungsvoll entscheiden.“ Man könne nicht alle unter Generalverdacht stellen. Außerdem sei Kinderbetreuung nicht der einzige Weg für Integration und gegen Fachkräftemangel.
„Es handelt sich um eine reine Fernhalteprämie“, sagte Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Grüne). Was da auf bundespolitischer Ebene diskutiert werde, habe nichts mit den Lebensentwürfen der Menschen zu tun, sondern belohne Nichtinanspruchnahme und Nichterwerbstätigkeit. Vor allem Geringverdienende würden animiert werden, Beruf und Ausbildung zu unterbrechen.
Außerdem könnten nicht alle frei entscheiden, viele bräuchten zwei Einkommen. Viel eher sollten die Kindertagesstätten ausgebaut werden. „Politik soll nicht Lebensentwürfe bewerten oder mit Bargeld belohnen, sondern Rahmen schaffen, um gleichberechtigt Entwürfe umsetzen zu können“, so Schneidewind-Hartnagel. Die Grünen würden erwarten, dass die CDU ihre Pläne zum Betreuungsgeld aufgebe.Dass es sich nicht um eine Herzensangelegenheit der FDP handele, gab Jochen Haußmann zu. Er glaubt, dass das Betreuungsgeld durchaus der Lebenswirklichkeit entspreche.
Das Betreuungsgeld verletze aber das Gleichstellungsgebot, argumentierte Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD). „Es ist kurios, dass Familien belohnt werden, wenn sie Kindertagesstätten nicht in Anspruch nehmen.“ Die Herdprämie sei ein Rückfall in die 1950er Jahre, doch gerade in Baden-Württemberg sollte ein Interesse bestehen, möglichst viele Fachkräfte zu haben. „Wir müssen nicht belohnen, dass Frauen zuhause bleiben, das obliegt der Wahlfreiheit des Einzelnen“, so Altpeter. Wenn die von der grün-roten Landesregierung eingebrachte Bundesratsinitiative behandelt werde, könne man sich auch mal „ein kleines Stück aus der Koalition herausbewegen“, forderte die Ministerin.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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