Hermann: Eine Maut sollte streckenbezogen und zeitvariabel sein

28.05.2020 
Redaktion
 
Verkehrsminister Winfried Hermann. Foto: Verkehrsministerium

Verkehrsminister Winfried Hermann. Foto: Verkehrsministerium

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die Bundesregierung berät, hat Deutschland ein schlechtes Zeugnis bei der Klimapolitik ausgestellt. Die nationalen Ziele seien zu niedrig und zudem in der Vergangenheit bereits mehrfach nicht erreicht worden, heißt es in dem Gutachten der Professoren mit dem Titel „Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“. Ein Sorgenkind ist der Verkehr. Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) nimmt im Interview Stellung zu dem Gutachten.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen schlägt eine deutschlandweite PKW-Maut vor, die sich an Fahrstrecke, Schadstoffausstoß, Lärm und CO2-Emissionen orientiert. Was halten Sie von diesem Vorschlag?

Winfried Hermann: Ich muss vorausschicken, dass es dazu keine Regierungs- oder Koalitionsmeinung gibt. Selbst in meiner eigenen Partei gibt es unterschiedliche Positionen. Persönlich vertrete ich schon lange eine Maut, die die sogenannten „externen Kosten“ des Verkehrs, also die Umweltbelastungen und den Klimaschaden, berücksichtigt. Sie sollte streckenbezogen und auch zeitvariabel sein. Damit könnten wir besser als mit anderen Abgaben oder Steuern die technologische Entwicklung, hin zu klima- und umweltfreundlichen Antrieben, fördern. Ebenso hätte eine solche Maut einen Verkehrslenkungseffekt.

Wäre sie gerecht?

Sie wäre auch gerecht: Wer viel und zu den Hauptverkehrszeiten fährt, zahlt mehr als diejenigen, die wenig und in den Nebenzeiten fahren. Für notwendige Verkehre, die nicht ausweichen können und für beruflich/wirtschaftlich zwingende Verkehre, wäre noch ein Ausgleich zu schaffen.

Die Sachverständige Lamia Messari-Becker fordert  einen nationalen Emissionshandel oder auch den Energieverbrauch pro gefahrenem Kilometer zu berücksichtigen. Das würde auch E-Autos einschließen. Wie bewerten Sie diesen Vorschlag?

Der SRU empfiehlt, den PKW-Verkehr zurückzudrängen und Rad- und Fußverkehr sowie öffentlichem Nahverkehr mehr Raum zu geben. Die Professorin Lamina Messari-Becker von der Universität Siegen hat hier allerdings eine abweichende Auffassung. Der Autoverkehr müsse in den Städten zweifellos reduziert werden, schreibt sie, dies müsse aber differenziert betrachtet weren. Auch müsse es funktionierende, zumutbare und etablierte Alternativen geben.

Auf nationaler Ebene können wir über die Kfz-Steuer, die Maut und über die Energiesteuer (Mineralölsteuer) den CO2-Ausstoß bepreisen und reduzieren. Die beschlossene allgemeine CO2-Bepreisung im Rahmen des Klimaschutzpaketes des Bundes ist im Prinzip richtig, wird aber aufgrund der geringen Höhe kaum Lenkungswirkung im Verkehr entfalten. Jedenfalls wird damit auf absehbare Zeit die E-Mobilität noch keinen Impuls bekommen.

Grundsätzlich will der SRU den Individualverkehr zurückdrängen und mehr Platz für Rad- und Fußverkehr schaffen. Ein Ziel, was Baden-Württemberg  ja auch verfolgt. Was sind die Grundvoraussetzungen dafür?

Wir brauchen in den Städten eine faire Verteilung der knappen Fläche. Rad- und Fußverkehr sowie der ÖPNV brauchen mehr Platz. Eine Verringerung des motorisierten Individualverkehrs, um insbesondere innerstädtisch mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen, ist nur durch ein umfassendes, integriertes, intermodales Verkehrsmanagement möglich. Den Verkehrsinformationen kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. In urbanen Bereichen kann intelligente Verkehrssteuerung unter anderem  mit einer Beschleunigung des öffentlichen Verkehrs, Einrichtung von Busspuren, neuer Quartierraumgestaltung mit Flächenneuaufteilung, Akzentuierung von Rad- und Fußverbindungen auf geeigneten Achsen wesentliche Beiträge leisten.

Aber das ist aufwändig.

Temporäre Umgestaltungen wie Pop-Up-Radwege können schnell und kostengünstig realisiert werden. Für einen dauerhaften und gestalterisch überzeugenden Umbau sind aber darüber hinaus ausreichende Finanzmittel und Planungskapazitäten erforderlich. Das Land fördert daher im Rahmen des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes lebendige und verkehrsberuhigte Ortsmitten. Darunter fallen beispielsweise der Umbau und Rückbau von innerörtlichen Straßen sowie verkehrstechnische Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse für den Rad- und Fußverkehr, zur Erhöhung der Verkehrssicherheit oder zur Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Straßenraum. Die Reduzierung der Belastung durch Lärm und Luftschadstoffen werden ebenfalls berücksichtigt.

Mehr zum Thema lesen Sie im E-Paper des Staatsanzeigers in der aktuellen Ausgabe auf Seite 2.


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