Stuttgart. Knapp 140 Straßenbauprojekte stehen für Baden-Württemberg als vordringlicher Bedarf im Bundesverkehrswegeplan. Eine Priorisierung entscheidet jedoch über die Reihenfolge. Doch das Landesverkehrsministerium arbeitet an einer Regelung, nach der Kommunen auch selbst Planungen vorantreiben können. Wie diese aussehen könnten, erläutert der Amtschef im Verkehrsministerium, Ministerialdirektor Uwe Lahl im Interview.
Allein im Bundesverkehrswegeplan sind in Baden-Württemberg 137 Projekte im vordringlichen Bedarf, darunter auch viele Ortsumfahrungen. Wie lange müssen die Kommunen darauf warten?
Uwe Lahl: Rund die Hälfte der Projekte ist bereits planerisch begonnen oder sogar im Bau. Die andere Hälfe priorisieren wir. Die Priorisierung soll bis zum Herbst vorliegen. Allerdings wird sie aus Landessicht erfolgen. Das heißt beispielsweise, dass ein Lückenschluss Vorrang vor einer Ortsumfahrung hat, die eine Kommune vom Verkehr entlasten soll. Die vordringlich priorisierten Projekte werden wir dann der Reihenfolge nach angehen, sobald andere Projekte abgearbeitet sind und die Straßenbauverwaltung wieder freie Kapazitäten hat.
Gibt es Möglichkeiten für die Kommunen, ihre Ortsumfahrung selbst zu planen?
Wir haben Eckpunkte für eine Änderung der Verwaltungsvorschrift Finanzierungsbeteiligung Straßen erarbeitet. Wir sind mit dem Entwurf noch in einem frühen Stadium. Die Idee dazu wurde im Gespräch mit kommunalen Akteuren entwickelt. Im nächsten Schritt wollen wir diese Eckpunkte mit den kommunalen Spitzenverbänden besprechen. Wir müssen auch noch mit dem Koalitionspartner darüber reden.
Das heißt, es gibt bereits Kommunen, die gerne Projekte selbst planen möchten?
Auf uns sind drei Landkreise zugekommen. In deren Gebiet liegen mehrere Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan. Die drei Kreise haben sich abgestimmt und würden gerne zwei oder drei Projekte, sofern diese in der Priorisierung weiter hinten liegen werden, selbst planen. Für uns stellte sich deshalb die Frage, wie wir damit umgehen, wenn Kommunen auf uns zukommen und sagen: Wir möchten selbst planen.
Das klingt doch zunächst mal gut. Schließlich entlastet es die Straßenbauverwaltung des Landes.
Das stimmt. Doch es gibt dabei noch mehr zu beachten. Wir möchten uns einerseits unsere Priorisierung nicht zerschießen lassen. Auch wollen wir hinterher nicht eine Reihe von unfertigen Planungen auf dem Tisch haben, die der Straßenbauverwaltung dann viel Arbeit machen. Die Erfahrungen mit kommunalen Planungen in diesem Bereich waren in der Vergangenheit unterschiedlich. Andererseits wollen wir die Kommunen auch nicht ausbremsen.
Die Lösung?
Wenn die Kommunen Projekte planen wollen, sollen sie auch die volle Verantwortung dafür übernehmen. Das heißt, sie planen das Projekt auf eigene Kosten bis zur Baureife, also einem abgeschlossenen Planfeststellungsbeschluss und gegebenenfalls erfolgreich durchgefochtenen Klagen. Danach übernimmt das Land Ausschreibung und Bau.
Anders als früher erstattet das Land die Kosten für die Planungen nicht mehr?
Nein. Wir würden aber die drei Prozent der Investitionssumme weitergeben, die der Bund für Planungskosten vorsieht. Sollte der Bund zukünftig mehr Geld dafür zur Verfügung stellen, würden wir selbstverständlich auch den höheren Betrag weiterreichen. Doch damit werden die Planungskosten nicht gedeckt sein. Sie liegen derzeit bei etwa 10 bis zu 20 Prozent. Das Delta ginge zulasten der Kommunen, die selbst planen wollen. Allerdings würden wir die Kommunen auch nicht allein lassen mit der Planung. Sie würden von den Regierungspräsidien betreut und unterstützt.
Selbst wenn die Planungen stehen und ein Projekt baureif ist - stehen denn bei der Straßenbauwirtschaft überhaupt die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung, um all die Straßen zu bauen und zu sanieren, die bis 2030 im vordringlichen Bedarf stehen?
Das macht uns große Sorgen. Denn die Preise schießen derzeit durch die Decke. Bei Ausschreibungen können wir manchmal froh sein, wenn wir überhaupt ein Angebot bekommen. Zum Teil erleben wir auch eine deutliche Preissteigerung, in Einzelfällen bis zur Verdoppelung des kalkulierten Preises. Doch wenn die Mittel vom Bund weiter in der angekündigten Form fließen, werden sich auch die Unternehmen daran anpassen, ihre Kapazitäten aufstocken. Und dann werden auch die Preise wieder sinken.
Im vergangenen Jahr konnten sie zwar deutlich mehr Gelder verbauen als in den Jahren zuvor, dennoch mussten 17 Millionen Euro auf 2017 geschoben werden. Wie sieht es mit den Kapazitäten der Straßenbauverwaltung angesichts der plötzlichen deutlichen Mittelsteigerung beim Bund aus?
Wir haben bereits aufgestockt und 200 Stellen geschaffen, um die erhöhten Mittel auch umsetzen zu können. Allerdings lief bis 2016 noch gleichzeitig ein Stellenabbauprogramm, so dass der Nettoaufwuchs geringer ausfiel. Insgesamt haben wir rund 1100 Mitarbeiter in der Straßenbauverwaltung. Wenn der Landtag den Haushaltplänen folgt, werden wir 2019 nochmals 50 Stellen erhalten und 2020 weitere 30.
Die Bayern erhalten sogar noch mehr Geld als Baden-Württemberg vom Bund, scheinen jedoch keine Probleme zu haben, die Mittel auszugeben.
Die Bayern können mehr oder weniger mit allen Projekten beginnen. Sie haben aber auch mehr als doppelt so viele Mitarbeiter in der Straßenbauverwaltung wie wir.
Mehr zum Thema lesen Sie im Staatsanzeiger in der Ausgabe vom 18. August 2017 auf Seite 1.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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