„Es gibt eine Reihen von Hürden, die noch zu überwinden sind“

25.05.2012 
Redaktion
 
Interview mit Ortwin Renn zur Energiewende
Ortwin Renn, Vorsitzender des Nachhaltigkeitsbeirats Baden-Württemberg. Foto: Privat

Ortwin Renn, Vorsitzender des Nachhaltigkeitsbeirats Baden-Württemberg. Foto: Privat

Stuttgart. Der Nachhaltigkeitsbeirat hat sein letztes Gutachten an Umweltminister Franz  Untersteller (Grüne) übergeben. Der wissenschaftliche Beirat wird künftig durch einen gesellschaftlichen Beirat ersetzt. Im Interview erläutert der Vorsitzende des Beirats, Ortwin Renn, welche Punkte die Wissenschaftler bei der Energiewende für besonders wichtig halten. Den ersten Teil des Interviews lesen Sie an diesem Freitag in der Print-Ausgabe des Staatsanzeigers.

Staatsanzeiger. Bei der Energiewende gilt es auch den Wärmebereich zu beachten.  Es wird immer wieder über die Sanierung von Gebäuden diskutiert. Sie haben auch eine deutliche Steigerung der energetischen Sanierung von Gebäuden, insbesondere auch öffentlichen Gebäuden, vorgeschlagen.  Wurde da in der Vergangenheit einiges versäumt?

Ortwin Renn: Wir wissen heute, dass die Sanierung – wenn wir mal die CO2-Vermeidungskosten nehmen - die preiswerteste Form ist, um Klimaschutz zu betreiben.  Die alte Landesregierung  hatte ja mit dem Erneuerbaren-Wärme-Gesetz bereits eine Modernisierung auch für Altbauten vorgesehen. Da war sie Vorreiter in Deutschland.  Es ist einfach die Frage, wie hoch setze ich die Anreize für diesen Bereich an. Denn ohne Anreize wird es nicht gehen. Und da stellt sich auch die Frage, ob wir das Geld haben, dies zu tun.

Es wird also teuer.

Für die öffentlichen wie bei privaten Gebäude muss viel Geld in die Hand genommen werden. Aber letztendlich zahlt sich das aus. In einer Zeit, in der die Einnahmen des Staates recht günstig ausfallen, kann man durchaus Investitionen in energetische Gebäudesanierung unterstützen, sowohl für die öffentlichen als auch die privaten Gebäude. Gesetzlich wurde schon viel gemacht. Die Möglichkeiten und die Verpflichtungen sind da. Aber ist auch klar, dass eine energetische Sanierung zunächst einmal teurer ist. Und bis sich die Sanierung amortisiert, dauert es halt  längere Zeit. Hier sind also Finanzhilfen notwendig.

Kommunen haben dann die Möglichkeit, über Energieeinsparcontracting einiges zu erreichen. Wäre das auch eines der zuvor angesprochenen neuen Standbeine für Energieversorger?

Vom Prinzip und von der Theorie her unbedingt. Die bisherigen Versuche sind nicht alle positiv verlaufen. Das lag aber auch daran, dass noch nicht die richtige Organisation gefunden wurde. Und: Dass auch noch nicht die erforderlichen Skaleneffekte eingetreten sind. Aber im Prinzip ist es so, mit einem Energieeinsparcontracting kann ich meine Energiekosten konstant halten und für den Contractor ist es dann besonders lukrativ, wenn er möglichst viel Energie einspart und möglichst effiziente Technologien anbietet. 

Warum wird das nicht viel häufiger gemacht?

Es gibt eine Reihen von Hürden, die noch zu überwinden sind, auch einige rechtliche Hürden, etwa bei Haftungsfragen oder wie lange man sich binden muss. Es ist klar, dass kein Contractor groß in Effizienz investieren wird, wenn man nach einem Jahr den Contractor wechseln kann. Zugleich muss aber auch der Contractor ein Stück weit überwacht werden.  Auch gab es in der Vergangenheit bereits Fälle, bei denen diejenigen, die einen Contractor hatten und somit einen Fixpreis für ihre Energiekosten zahlten, nicht mehr so auf Energiesparen hin orientiert waren. Dann besteht die Gefahr, dass die Effizienzgewinne durch Mehrverbrauch kompensiert werden. 

Das zeigt bereits, dass Energiesparen auch Verhaltensänderungen bedingt. In wie weit kann man die den Menschen aufzwingen?

Gar nicht. Sie können drei Dinge tun: wirtschaftliche Anreize setzen, Angebote erstellen, von denen die Menschen einen Nutzen haben,  und versuchen durch Information und Einsicht eine Verhaltensänderung zu bewirken.

Wo muss denn Ihrer Meinung nach die Landesregierung bei der Energiewende ein besonderes Augenmerk drauf haben?

Das entscheidende ist die systemische Vernetzung. Wir werden feststellen, dass die Versorgungssicherheit kritisch wird, sobald wir weit über 20 oder 30 Prozent regenerative Stromerzeugung haben. Und da ist es wichtig, eine sinnvolle systemische Vernetzung von Puffern, Speichern,  Stromim- und -exporten zu haben.  Im Wärmebereich ist wichtig, dass wir für den Altbau Wärmekonzepte anbieten, die in bestehende Strukturen gut integrierbar sind.  Zum Beispiel wäre es angebracht, sinnvolle Konzepte für Nahwärmenetze herzustellen,.

Es ist das letzte Gutachten des bestehenden Nachhaltigkeitsbeirats. Künftig soll es einen neuen Nachhaltigkeitsbeirat geben, an dem Vertreter unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppierungen beteiligt sind und der direkt beim Ministerpräsidenten angesiedelt ist. Bedeutet das eine Stärkung für die Arbeit des Nachhaltigkeitsbeirats?

Das Konzept hat sich geändert. Bislang war es ein wissenschaftlicher Beirat, der in erster Linie umweltbezogene Themen unter wissenschaftlichen Kriterien beurteilt hat  und daraus Empfehlungen abgeleitet hat. Nun soll es ein gesellschaftlicher Beirat werden. Da geht es nicht mehr nur um die Frage, was wissenschaftlich begründbar ist, sondern auch was machbar ist und wie Konsens hergestellt werden kann.  Damit ändert sich  das grundsätzliche Aufgabenfeld dieses Beirats. Ich persönlich halte das für sinnvoll.  Der Nachhaltigkeit wird es sicher gut tun, wenn über den wissenschaftlichen Bereich hinaus auch die gesellschaftlichen Gruppierungen mit eingebunden werden.


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