Stuttgart. Jörg Klingbeil ist seit vier Jahren Landesbeauftragter für den Datenschutz. Im Gespräch mit dem Staatsanzeiger problematisiert er den Umgang mit Smartphones oder Facebook, aber auch, wie Politiker oder Kommunen zur Sammlung von Daten beitragen.
Wie benutzen Sie Ihr Handy?
Jörg Klingbeil: Ich habe ein betagtes Modell. Ich telefoniere und simse. Das ist es.
Klingt nach dem Verzicht auf ein Smartphone und die damit verbundenen Möglichkeiten aus Datenschutz-Gründen.
Ich bin kein Maschinenstürmer. Ich sehe aber, wie intensiv diese Geräte benutzt werden. Wie die Leute in der Straßenbahn oder im Zug darauf starren, wie sich teilweise eine Sucht entwickelt. Da ist mir der Blick in die Zeitung oder in ein Buch lieber. Oder der völlige Verzicht auf die ständige Erreichbarkeit für einen bestimmten Zeitraum. Ich behaupte, zwei Wochen Urlaub ohne Handy und Internet bringen den denkbar größten Erholungseffekt.
Zum Alltag zumindest gehört die Nutzung heute aber untrennbar dazu. Wie kann man seine Daten schützen?
Smartphones und das mobile Internet bieten unstreitig hohe Bequemlichkeiten für die Nutzer. Nehmen Sie zum Beispiel die Geolokalisation, mit deren Hilfe ich navigieren kann. Die Folge ist dann aber irgendwann die personalisierte Werbung, die über das Sonderangebot an der nächsten Ecke informiert. Mit der rasanten Verbreitung von Apps haben Datenschutz und Datensicherheit nicht Schritt gehalten. Die Nutzer sollten an ihre mobilen Geräte grundsätzlich die gleichen oder sogar noch höhere Sicherheitsanforderungen stellen wie an ihren PC zu Hause, also den Zugang mit Passwort schützen, die Antivirensoftware - am besten verbunden mit Diebstahl- und Privatsphärenschutz - stets aktuell halten, nur vertrauenswürdige Software aufspielen. Große Anbieter wie Apple oder Google sorgen mit ihren Vertriebsplattformen bei den Apps im Prinzip schon für gewisse Sicherheitsstandards. Grundsätzlich ist aber nicht alles zuverlässig, was angeboten wird. Außerdem sollte jeder seine Sicherheitsvoreinstellungen sehr restriktiv wählen.
Können und Wollen sind da oft zweierlei. Der Facebook-Boom ist ungebrochen. Jetzt kommt auch die neue App Home auf den Markt.
Facebook bietet für einige Android-Smartphone-Modelle neuerdings eine Software namens Home an, die aus dem gewohnten Startbildschirm praktisch eine Facebook-eigene Oberfläche macht. Dieser sog. Launcher nistet sich tief im Betriebssystem ein und registriert die anderen Apps, die auf dem Gerät installiert sind. Das neue Angebot hängt offenbar damit zusammen, dass sich die Internetnutzung - gerade bei jungen Leuten - immer mehr auf mobile Geräte verlagert und Facebook wegen des Börsengangs gezwungen ist, möglichst passgenaue und damit einträgliche Werbung auf den kleinen Smartphone-Displays unterzubringen. Insofern ist das eine pfiffige Idee, sich in den Vordergrund zu drängeln und den Zugriff auf alle anderen Apps von einem zentralen Punkt aus zu steuern, wo man alles unter Kontrolle hat.
Sie sprechen von einer Krake.
Da über Home alle Apps gestartet werden, kann Facebook im Hintergrund alle Daten über die Nutzung der Apps sammeln. Die Datensammelwut der internationalen Internetkonzerne ist - offen gesagt - auf nationaler Ebene aber nicht in den Griff zu bekommen. Zumindest die EU-Mitgliedsländer müssen ihr Datenschutzrecht harmonisieren. Damit ein Unternehmen wie Facebook seinen europäischen Sitz nicht mehr nach Irland verlegt, weil es dort weichere datenschutzrechtliche Vorgaben - übrigens auch viel niedrigere Steuersätze - gibt.
Sie sind für die Behörden im Land zuständig. Sind Sie zufrieden mit deren Verhältnis zu den sozialen Medien?
Was für Privatleute gilt, gilt auch für Behörden. Wenn viele sich in sozialen Netzwerken tummeln, löst das einen Sogeffekt aus und man meint, dabei sein zu müssen. Allerdings sind öffentliche Stellen an Recht und Gesetz gebunden und sollten mit gutem Beispiel vorangehen, was die Präsenz in datenschutzrechtlich problematischen Netzwerken angeht. Zwar konnten einige Begehrlichkeiten der öffentlichen Seite, etwa der Sicherheitsbehörden in Bezug auf Fahndungsaufrufe in sozialen Netzwerken, schon zurückgedrängt werden. Aber der Trend, in sozialen Netzwerken präsent zu sein, ist ungebrochen. Nicht zufrieden machen können uns alle Regulierungsbestrebungen. Bundesinnenminister Friedrich hat Forderungen nach strengeren gesetzlichen Schranken 2011 mit dem Vorschlag einer freiwilligen Selbstregulierung der sozialen Netzwerke gekontert. Jetzt schreiben wir 2013 und nichts ist passiert. Zugleich geht sozialen Netzwerken, die sich an deutsches Datenschutzrecht halten, die Luft aus. SchülerVZ stellt bekanntlich demnächst den Betrieb ein …
… und immer mehr Politiker wie Kommunen tummeln sich in Facebook.
Facebook hat vor kurzem Zahlen veröffentlicht, wonach aktuell 76 Prozent der Bundestagsabgeordneten dort ein eigenes Profil haben. Im gleichen Atemzug hat Facebook allerdings auch seine immer wieder festgestellten Probleme mit dem Datenschutz als Mythen bezeichnet.
Die Politiker könnten ja aber auch Vorbilder für eine bessere Nutzung sein.
Ehrlich gesagt, wäre mir lieber, der Ministerpräsident wäre gar nicht in Facebook, auch nicht mit einer Fan-Page. Auf jeden Fall aber sollten alle Landesbehörden und die Kommunen grundsätzlich auf den Gefällt-Mir-Button von Facebook verzichten, weil darüber personenbezogene Daten auch von nicht bei Facebook registrierten Seitenbesuchern gesammelt werden und das Surfverhalten verfolgt werden kann. Außerdem sollte das Kultusministerium per Erlass darauf hinwirken, dass Schulen Facebook nicht einsetzen, zum Beispiel zur Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern. Darüber haben sich schon Eltern bei mir beschwert.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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