Stuttgart. In seiner Rede vor dem Landtag von Baden-Württemberg hat Bundespräsident Christian Wulff die Abgeordneten aufgefordert, sich an einer Debatte über die Zukunft der Demokratie zu beteiligen. Schließlich hätten sie in der Auseinandersetzung um Stuttgart 21 viele Erfahrungen gesammelt.
Der Pulk um den Bundespräsidenten ist dicht. Landtagsabgeordnete drängen sich um ihn, Minister, Royale und Kirchliche. Christian Wulff schüttelt geduldig Hände. Er unterschreibt in den Liederbüchern der Sängerknaben aus Calw, die zuvor unterm rot geschmückten Weihnachtsbaum im Landtag Weihnachtslieder gesungen haben. Und er stellt sich lächelnd zum Gruppenbild – wahlweise mit früheren oder amtierenden Ministerpräsidenten.
In dieser Woche hat Christian Wulff, der ehemalige Regierungschef von Niedersachsen, seinen offiziellen Antrittsbesuch als Bundespräsident in Baden-Württemberg absolviert. Er verteilt Höflichkeiten, wie es sie beim reihenweisen Händeschütteln oft gibt. Doch er belässt es nicht dabei. Im Plenarsaal des Landesparlaments wird der Bundespräsident politisch.
Von der Europäischen Union und den erforderlichen, vertiefenden Schritten zur europäischen Integration ist die Rede, als er am Rednerpult im holzvertäfelten Raum steht. Vom sozialen Geist und dem Miteinander zwischen Arbeitgebern, Beschäftigten und Gewerkschaften während der Wirtschaftskrise in Baden-Württemberg. Von der Zukunft, die in der grünen Produktion liege. Und vom Länderfinanzausgleich, wonach andere Länder vom Südwesten profitieren. „Das ist auch in Ordnung so“, sagt Wulff, „wenn die anderen sich bemühen, stärker zu werden.“
Derjenige, der das zuletzt weniger in Ordnung fand, sitzt in Reihe eins – keine zwei Meter vom Rednerpult entfernt: Stefan Mappus (CDU). Der Ministerpräsident hat Wulff am Morgen in der Villa Reitzenstein empfangen. Zur Anfahrt am Regierungssitz in der schwarzen Limousine gab es das Badnerlied, zur Abfahrt das der Württemberger. Dazwischen trug sich Wulff ins Gästebuch des Landes ein.
Nun hat Mappus auf einem schwarz gepolsterten Stuhl im Landtag Platz genommen. Neben ihm seine Frau Susanne Verweyen-Mappus und Landtagspräsident Peter Straub (CDU). Dahinter die vier Landtagsfraktionen, auf der Besuchertribüne Altministerpräsident Lothar Späth, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster, kommunale Spitzenvertreter, Bischöfe und der Prinz von Baden. Schwarze Anzüge und weiße Hemden überwiegen. Dazwischen leuchtet der hellgrüne Blazer von Bettina Wulff.
Es ist still im Saal. Aufgeregte Zwischenrufe wie noch am Tag zuvor, als die Opposition das Vorgehen des Ministerpräsidenten beim EnBW-Deal scharf kritisierte und sogar den Saal verließ, gibt es nicht. Stattdessen loben Abgeordnete der Grünen anschließend die Rede des Bundespräsidenten. Unprätentiös sei sie gewesen, rhetorisch gut. „Ich bin zufrieden“, stellt Winfried Kretschmann fest – und meint damit die Äußerung zur grünen Produktion.
Die hat Wulff als Bild der Zukunft gezeichnet. Auf die jüngste Vergangenheit geht er ebenfalls ein: auf Stuttgart 21. „Wir werden Ihre Erfahrungen aus der Diskussion brauchen“, erklärt er den Abgeordneten, „um über die Zukunft unserer Demokratie intensiver zu sprechen.“ Denn die sei längst nicht so gefestigt, wie manche meinen würden. Bürger würden Entscheidungen in den Parlamenten als untransparent empfinden, sie würden sich mehr Beteiligung wünschen.
„Das müssen wir ernst nehmen“, sagt der Bundespräsident und schaut mit einem ebensolchen Blick in die Runde. Später beim Händeschütteln unterm Weihnachtsbaum wird er sagen, dass er die Debatte um die Demokratie erst am Anfang sehe. Dann macht sich der Bundespräsident auf den Weg nach Bad Waldkirch, Breisach, Bad Krozingen und Freiburg.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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