Zwischenbilanz nach 30 Jahren naturnaher Waldwirtschaft

04.10.2010 
Redaktion
 

Stuttgart. Es gibt sechs Kriterien, um naturnahe Waldwirtschaft beurteilen zu können. Baumartenwahl, Stabilität, Mischung, Naturverjüngung, Wildbestände und Pflege. Nach drei Jahrzehnten ziehen Forstkammerpräsident Roland Burger und Ulrich Kohnle von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg Bilanz: Wie es um die 400 000 Hektar Staatswald und eine Million Hektar Kommunal- und Privatwald in Baden-Württemberg hinsichtlich der Naturnähe bestellt ist.

Der Privatwald besteht zu einem Drittel aus Laubholz, der Kommunalwald gar zur Hälfte. Auch der Totholzbestand ist mit 19 Prozent in den Wäldern ausreichend – die Kommunal- und Privatwälder im Land sind deswegen zu 51 und 42 Prozent als naturnah zu beschreiben. Im Staatswald ist die Baumartenwahl mit Laubbäumen und Tannen zu 60 Prozent ebenfalls bereits sehr naturnah.

Ökologisch und physikalisch stabil bedeutet bei Bäumen, dass sie nicht anfällig für zerstörende Insektenarten sind und bei Stürmen nicht allzu schnell einknicken. Besonders die Fichtenbestände waren vor drei Jahrzehnten noch zu 20 Prozent instabil, da sie auch auf nassen, kalkhaltigen Böden in großer Menge wuchsen. Mittlerweile reduzierten Forstbetriebe diese labilen Bestände auf 10 Prozent.

Die Baumarten im Südwesten sind gut durchmischt – mit natürlicher Dominanz der Hauptbäume Buche und Tanne. Auf diese Weise verteilen die Förster Risiken wie Sturm-, Insektenschäden oder Verbiss auf mehrere Sorten. Außerdem erhöht Bio-Diversität die Produktivität des Waldes. Nur noch knappes Viertel des Staatswaldes dominieren Nadelbäume.

Der Forst soll sich auf natürliche Weise verjüngen. Doch junge Bäume sind anfällig für Wildverbiss, wenn es zu viel Reh- und Rotwild gibt. Die Tiere beißen zu gern die kleinen, stickstoffhalten Triebe der Jungpflanzen ab. Vor 1980 gingen viele Förster dagegen mit chemischen Mitteln vor oder pflanzten selbst neue Bäume, die weniger stickstoffhaltig und somit weniger anfällig sind. Lediglich ein Viertel des Staatswaldes verjüngte sich damals natürlich: Zum einen, indem Jäger die Wildbestände im angemessenen Rahmen halten. Und zum Anderen, indem Förster die jungen Bestände einzäunen. Mittlerweile liegt die Quote bei zwei Dritteln. Durch die effektive Arbeit der Jäger hat sich der Wildbestand an seine natürliche Lebensgrundlage angepasst und alle Bäume außer der Eiche können sich nun ohne teure Schutzmaßnahmen natürlich fortpflanzen. Ulrich Kohnle betont allerdings, dass die Jäger in ihren Anstrengungen nicht nachlassen sollen.

Nach den Stürmen Lothar, Kyrill und Wiebke waren Pflanzungen und intensive Pflege der Bäume für viele Förster unumgänglich. Ansonsten aber ist es ein wichtiger Teil des naturnahen Waldes, dass der Mensch nicht in die Eigendynamik des Forstes eingreift.

Stichwort: Biodiversität erhöht Produktivität der Wälder
Welches Ökosystem im Wald am besten funktioniert, haben Wissenschaftler wie Michael Scheerer-Lorenzen von der Universität Freiburg in Experimenten versucht herauszufinden. Die Frage dabei genau lautete: Wie hoch sollte die Diversität unter den Baumarten sein, damit der Wald optimal produktiv und gesund ist? Um das zu erforschen, wurden weltweit - darunter auch in Thüringen und Baden-Württemberg - Testfelder mit unterschiedlich vielen Baumsorten angelegt. Die Forscher haben jede Baumart auf seine optimalen Wuchs-Bedürfnisse abgeklopft - Schatten, Sonne, Mineralien. Immer mit dem Fokus, wie der Baum hartes Starkholz produzieren kann.
Nach einem guten Jahrzehnt ließ sich feststellen, dass im Südwesten Deutschlands Buche und Fichte besonders gut harmonieren und einen höheren Ertrag beider Sorten bringen als die jeweiligen Monokulturen. Zudem erhöht sich bei dieser Kombination der Kohlenstoff-Gehalt, wodurch die Bäume gleichzeitig weniger sturmgefährdet sind. Die richtige Biodiversität im Wald beschleunigt die Zersetzung des Totholzes, wodurch der Boden an Mineralien gewinnt und der Wald produktiver wird. Zudem zeigen die Forschungs-Ergebnisse, dass bei einem guten Mischverhältnis der Baumsorten der Forst auf Dauer gegenüber Pflanzenfressern und Krankheiten resistenter ist. Das Problem der Forschung: Außer bei der Kombination Buche und Fichte gibt es bisher kein einheitliches Bild, um in allen Fällen sagen zu können, wie die „richtige“ Biodiversität aussieht.

 


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