Der Weg zum Bioenergiedorf

26.10.2010 
Redaktion
 
Interessierte sehen sich eine Biogasanlage an.

Stuttgart. Bioenergiedörfer werden zunehmend beliebter: 29 dieser energieautarken Dörfer oder Stadtteile wurden seit dem Jahr 2000 in Baden-Württemberg gegründet. Rund 15 sind schon in Betrieb, 14 befinden sich derzeit noch in der Planung oder im Bau. Bund und Land fördern den Ausbau von Bioenergiedörfern. Doch der Weg zum energieautarken Dorf ist steinig und bedarf einer umfangreichen Vorbereitung.

Am Anfang ist die Idee: Die Idee, aus einem Dorf, einer Gemeinde oder einem Stadtteil ein Bioenergiedorf zu machen. Bevor es an die Umsetzung geht, muss aber eine Vielzahl von Voraussetzungen geprüft werden. Denn nicht jedes Dorf eignet sich als Bioenergiedorf. Zunächst gilt es, die Frage zu klären, ob genügend Landwirte bereit sind, ausreichend Flächen zur Verfügung zu stellen, auf denen die Pflanzen, die die Bioenergie liefern sollen, angebaut werden können. „50 bis 100 Hektar Anbaufläche sollten mindestens zur Verfügung stehen“, erklärt ein Sprecher des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Schwierigkeiten seien auch dann zu erwarten, wenn das Dorf in einer Wasserschutzgebietszone liegt. Denn dann sei der Bau von Bioenergieanlagen genehmigungsrechtlich nicht möglich oder mit erheblichem finanziellem Mehraufwand verbunden, teilt ein Sprecher des Ministeriums mit.

Entscheidend ist auch die Frage, wie viele Bürger sich an einem Bioenergiedorf beteiligen wollen und ob es große Wärmeabnehmer wie zum Beispiel eine Schule, ein Freibad oder eine gesamte Verwaltung gibt. Denn ein Bioenergiedorf rechnet sich lediglich mit vielen Abnehmern.

Die Machbarkeitsstudie

Finden sich genügend Interessierte, dann sollte – so empfiehlt das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – als nächstes eine Machbarkeitsstudie bei einem Ingenieurbüro in Auftrag gegeben werden.

Die Machbarkeitsstudie stellt sowohl die technische, als auch die wirtschaftliche Umsetzbarkeit des Vorhabens auf den Prüfstand. Zur Finanzierung der Machbarkeitsstudie können öffentliche Mittel beantragt und die anschlussbereiten Haushalte mit einer geringen Gebühr beteiligt werden.

Die Vorgesellschaft

Wenn auch die Machbarkeitsstudie positiv ausfällt, werden in der Regel Arbeitsgruppen gebildet, die die vielen nun anfallenden Aufgaben unter sich aufteilen. So könnte sich eine der Arbeitsgruppen beispielsweise der Recherche über geeignete Techniken für das Nahwärmenetz und über den Bau der Biogasanlage widmen und die Logistik für Anbau, Ernte und Lieferung der Biomasse klären.

Eine zweite Arbeitsgruppe könnte die Gründung einer Vorgesellschaft vorbereiten und Vorverträge für die Wärmekunden und für die Land- und Forstwirte erarbeiten. Für die Gründung der Vorgesellschaft ist eine öffentliche Gründungsversammlung nötig, bei der auch der Satzungsentwurf beschlossen wird.

„In die Vorgesellschaft sollten alle späteren Wärmekunden und zuliefernden Landwirte eintreten“, lautet die Empfehlung aus dem. Die neu gegründete Vorgesellschaft arbeitet die Vorverträge für die Wärmekunden und die Vorlieferverträge für die Land- und Forstwirte weiter aus und stellt sie auf einer Gesellschafterversammlung vor, wo sie beschlossen werden. Im Anschluss können alle Vorverträge unterzeichnet werden.

Die Vorplanungsstudie

Nun wird abermals eine Studie in Auftrag gegeben: die so genannte Vorplanungsstudie, die die Machbarkeitsstudie konkretisieren und zeigen soll, ob die kalkulierten Preise für die Wärmekunden auch tatsächlich umgesetzt werden können. Denn wenn die Preise zu hoch sind, besteht die Gefahr, dass einige Interessenten aus ihren bereits geschlossenen Vorverträgen wieder aussteigen und die Finanzierbarkeit des Projekts ins Wanken gerät.

Wenn sich die angesetzten Preise mit den Vorstellungen der Abnehmer jedoch decken, ist nun der große Moment gekommen: Die Vorplanungsphase ist abgeschlossen, die Umsetzungsphase kann beginnen.

Im Jahr 2007 sind in Baden-Württemberg rund 2700 Millionen Kilowattstunden Strom und 11 800 Millionen Kilowattstunden Wärme aus Biomasse erzeugt worden. Insgesamt hat die Bioenergie einen Anteil von etwa 76 Prozent der gesamten Nutzung erneuerbarer Energieträger in Baden-Württemberg.

Die Umsetzungsphase

Zu diesem Zweck wird die Vorgesellschaft aufgelöst und eine Betreibergesellschaft gegründet, die für die Finanzierung und den Betrieb der Anlage verantwortlich ist. Gesellschafter sind die Unterzeichner der Vorverträge. Die Betreibergesellschaft beauftragt ein Ingenieurbüro mit der Entwurfs- und Ausführungsplanung und kümmert sich um die Finanzierung. Wenn die notwendigen Genehmigungen und eine Finanzierungszusage durch die Bank vorliegen, können die Bauarbeiten ausgeschrieben werden. Nach dem Vergabeverfahren geht es mit dem Bau der Biogasanlage los.

Zeitgleich mit der Planung sollte auch der Anbau der Energiepflanzen erfolgen, mit denen die Biogasanlage betrieben wird. „Die Landwirte müssen theoretisch schon ein Jahr vor Fertigstellung mit der Anbauplanung beginnen“, heißt es seitens des Bundesministeriums. Da zu diesem Zeitpunkt die Realisierung der Anlagen aber häufig noch ungewiss sei, empfehle sich der Anbau von Wintergetreide. Sollte das Vorhaben Bioenergiedorf scheitern, kann es auch als Nahrungs- oder Futtermittel vermarktet werden kann.

Als Energieträger für Biogasanlagen sind im Jahr 2007 in Baden-Württemberg überwiegend Holz, Pflanzenöl, Biodiesel und Bioethanol, Klärgas und andere Biogase sowie der biogene Anteil des Abfalls genutzt worden.

Der Betrieb der Anlage

Ist die Biogasanlage fertig gestellt, werden Energiepflanzen wie Mais und Getreide, Schilfgras, Reststoffe wie Ernterückstände, tierische Exkremente, Fette, Speisereste, Kartoffelschalen und organische Abfälle fermentiert. Dadurch entsteht Biogas, das direkt in ein Blockheizkraftwerk geleitet und dort in einem Gasmotor zur Strom- und Wärmeerzeugung verbrannt wird. Meist produziert eine Biogasanlage den erforderlichen Strom, der ins Netz eingespeist wird. Die dabei anfallende Wärmeenergie (Abluft) wird über ein Nahwärmenetz verteilt und sorgt, häufig in Kombination mit einer zusätzlichen Hackschnitzelfeuerung im Winter, ganzjährig für warmes Wasser und warme Häuser.


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