Wiesloch. Auf dem Landesparteitag am Samstag in Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) gaben sich die SPD-Ministerinnen und Minister kämpferisch. Der Landesvorsitzende und Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid skizzierte die Leitlinien für eine neue Wirtschaftspolitik. Er verwies auf die Altlasten aus 60 Jahren CDU-Regierung und bat die mehr als 300 Delegierten Parteibasis um Unterstützung für den Sparkurs der Landesregierung und den am Vortag esignierten Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück im anstehenden Bundestagswahlkampf.
Er werde an den beschlossenen und noch geplanten Einschnitten im Haushalt festhalten, sagte Schmid in seiner Rede: „Ich scheue keinen Konflikt, wenn es darum geht, unseren Haushalt zu sanieren“. Er könne zwar verstehen, dass die Streichung von Lehrerstellen die Gemüter errege. Aber angesichts der von den früheren CDU-Regierungen in 60 Jahren hinterlassenen Schulden gehe es nicht anders. Und im Übrigen gelte: „Das ist nicht der Untergang des Abendlandes.“
Bildung und Wirtschaft gehörten für die SPD untrennbar zusammen. Dies zeige beispielsweise der drohende Fachkräftemangel, besonders im Mittelstand, den zu bekämpfen eine der wichtigsten Aufgaben der Regierung sei. „Von 2020 an eine ganztägige Betreuungsgarantie vom ersten Geburtstag bis zum letzten Schultrag zu schaffen“ sei eines der Ziele, die er für Baden-Württemberg anstrebe. Die SPD sei und bleibe „die Partei des sozialen Aufstiegs durch Bildung.“ Schmid erhielt minutenlangen Beifall für seine Ausführungen.
Die zuletzt auch in der Fraktion kritisierte Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer konnte mit einem engagierten Auftritt ebenfalls punkten und erhielt demonstrativ anhaltenden Applaus für ihre Rede. In dieser verteidigte sie ebenfalls die beschlossene Streichung von rund 11 600 Lehrerstellen als notwendig – obwohl sie dies schmerze: „ich kämpfe um jede einzelne Lehrerstelle, jetzt und in Zukunft“. Die Regierung insgesamt und das Bildungsressort im Besonderen hätten mit finanziellen Altlasten aus CDU-Zeiten zu kämpfen; Warminski-Leitheußer bezifferte diese für ihr Ressort mit insgesamt 750 Millionen Euro.
Vor allem aber unterstrich sie die ihrer Meinung nach großen und vielen Erfolge in bisher gerade einmal 15 Monate Regierungszeit: „Wir haben es geschafft, das dreigliedrige Schulsystem zu knacken, sagte die Ministerin: „Damit haben wir Geschichte geschrieben“. Denn „niemand wird das jemals wieder zurücknehmen können“.
Warminski-Leitheußer zufolge ist die Gemeinschaftsschule „der Renner in der bildungspolischen Veränderung des Landes“. So gebe es bereits 100 Interessensbekundungen für die zweite Tranche, und bei den seit Schuljahrbeginn Gemeinschaftsschulklassen würden mit einer Ausnahme alle zweizügig angeboten - der großen Nachfrage wegen. „Dass wir Gegenwehr bekommen, zeigt, dass wir an der richtigen Stelle ansetzen“, meinte Warminsko-Leitheußer zur Kritik an ihrer Schulpolitik, besonders an der Einführung der Gemeinschaftsschule. Dennoch werde sie mit der Regierung „bis 2020 ein bedarfsgerechtes Ganztagsschulangebot in Baden-Württemberg schaffen“.
Sowohl dem schon lange vor dem Parteitag gestellten Antrag des Landesvorstands zur Wirtschafspolitik wie dem Initiativantrag zur Bildung stimmten die Delegierten ohne große Kontroversen zu.
Mit einem anderen Antrag freilich scheiterte die Parteispitze freilich: Innenminister Reinhold Gall wollte den Kommunen das Recht einräumen, unter bestimmten Voraussetzungen zeitlich und lokal eng begrenzt Alkoholverbote in ihrer jeweiligen Gemeinde zu verhängen. Unterstützt wurde Gall vom SPD-Landesvorstand, in der Debatte machte sich unter anderem Arbeits- und Sozialministerin Katrin Altpeter für ihren Kollegen stark.
Dieser Antrag – schon in veränderter, abgemilderter Form eingebracht, um den Skeptikern in der Partei entgegenkommen - wurde aber mit so deutlicher Mehrheit abgelehnt, dass sich eine Auszählung der Stimmen erübrigte. Angenommen wurde dagegen ein Antrag der Jusos, die sich ohne Wenn und Aber gegen ein Alkoholverbot aussprachen - in Einklang mit den Beschlüssen des Ulmer Parteitags 2010 und dem Koalitionsvertrag, wie in der Debatte mehrfach betont wurde.
Innenminister Gall trug es mit Fassung. Nach der Abstimmung sagte er: „Demokratie ist auch, wenn man sich mit seiner Meinung einmal nicht durchsetzen kann. Und die Erfahrung habe ich heute gemacht.“ Das Alkoholkonsumverbot, wie es die Befürworter des Antrags nannten, dürfte damit für längere Zeit vom Tisch sein.
Dagegen erhielt der Antrag, künftig die SPD-Listen bei Kommunalwahlen gemäß dem Reißverschlussverfahren aufzustellen problemlos die – für eine Änderung eines Parteistatuts notwendige - Zweidrittelmehrheit. Künftig wird also die sogenannte „weichen“ Quote praktiziert, bei der Wahllisten der Partei abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt werden. Diejenigen, die sich in der Debatte für den Antrag aussprachen, warnten, andernfalls falle die Partei in die 1960er oder 1970er-Jahre zurück. Eine Befürworterin meinte gar: „Wenn dieser Antrag nicht beschlossen wird, dann ist das nicht mehr meine SPD.“
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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