Mannheim. Die schwarzen Roben gebieten Respekt und heischen Ehrfurcht. die Gesichter der Richter und Anwälte aber sind sehr jung. Auch das Publikum im Zuhörerraum zeichnet sich durch Jugendlichkeit aus. Die Woche der Justiz in Baden-Württemberg machte es möglich: Schüler und Schülerinnen des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums Weinheim durften im großen Sitzungssaal des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) in Mannheim darüber verhandeln und entscheiden, ob im Gewerbegebiet von X-Stadt eine Moschee gebaut werden darf. Das Urteil im Namen des Volkes: X-Stadt hat die Baugenehmigung zurecht erteilen. Die Klage der Anlieger wurde abgewiesen.
Alles bloß Übung. Das Verwaltungsgericht Mannheim, das hier tagte, gibt es gar nicht, den Fall in der Realität auch nicht. Lediglich der Vorsitzende Richter, der war echt, Jan Bergmann, Richter am VGH. Er sorgte mit Umsicht und Geschick dafür, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Rollen als beisitzende Richter, Protokollbeamte, Anwälte und Parteienvertreter wie bei einer offiziellen Gerichtsverhandlung streng nach der Verwaltungsgerichtsordnung ausgefüllt haben.
Das Gericht bejahte die Zulässigkeit der Anfechtungsklage. Die Kläger, Chefs von Autohäusern, beantragten, die Baugenehmigung für die Moschee in ihrer Nachbarschaft aufzuheben: Das islamische Kulturzentrum passe nicht in das Gewerbegebiet und störe den Geschäftsbetrieb. Das Minarett sei höher als der Turm einer Kirche in der Nähe. Der Gebetsruf des Muezzins sei zu laut.
Der Oberbürgermeister von X-Stadt verteidigte die erteilte Baugenehmigung. Der Bebauungsplan erlaube ein Gebäude für kirchliche Zwecke im Gewerbegebiet. Ein Minarett gehöre zu einer Moschee wie ein Kirchturm zu einer christlichen Kirche. Und der Moscheenverein assistierte: Das Minarett sei nur aus bauästhetischen Gründen um einen halben Meter höher als der benachbarte Kirchturm. Damit sei keinesfalls eine Provokation der christlichen Mehrheitsgesellschaft beabsichtig. Argumente und Gegenargumente prallten aufeinander.
Erst etwas verlegen lächelnd, dann aber mit Eifer waren die Schüler dabei, ihren Part auszufüllen. Einhellige Meinung danach: „Es ist gar nicht so einfach Recht zu sprechen. Nur ein Bauchgefühl reicht dabei nicht. Es geht um Fakten.“
Vorher hatten die Gymnasiasten einer realen Verhandlung beigewohnt. Der 1. Senat des VGH unter dessen Präsidenten, Dr. Karl-Heinz Weingärtner hatte zu entscheiden, ob ein Konzert rechtsextremer Skinheads 2006 von der Stadt Geislingen aufgelöst werden konnte. Der Senat urteilte: Weil das Konzert in einem fensterlosen Kellerraum mit nur einem schmalen Eingang und ohne Fluchtwege abgehalten wurde, konnte das Verbot aus feuerpolizeilichen Gründen ausgesprochen werden. Grundsätzlich aber falle ein Skinheadkonzert unter den Schutz der Versammlungsfreiheit.
In einer Abstimmung vor der Urteilsverkündung hatten die Schüler in großer Mehrheit anders votiert: Sie meinten, dass die Entscheidung der Ordnungsbehörde falsch gewesen sei. Gemeinschaftskundelehrer Peter Plattmann erklärt die vom Richterspruch abweichende Meinung der Schüler: „Dem Auftritt der Stadt Geislingen konnte man zum Teil nicht folgen.“ Es sei für die jungen Leute auch schwer nachzuvollziehen, dass vor Gericht nicht mit offenem Visier gekämpft werde. Man sage nicht, dass man aus einer Werthaltung heraus ein Konzert der Rechtsextremen verbiete, sondern müsse dafür feuerpolizeiliche Gründe ins Feld führen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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