Stuttgart-21-Gegner setzen auf steigende Projektkosten

11.11.2011 
Redaktion
 

Stuttgart. Im koalitionsinternen Dissens zum Megathema Stuttgart 21 rückt  eine mögliche Kostenexplosion immer weiter in den Mittelpunkt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bekannte sich abermals  dazu, dass das Kündigungsgesetz gescheitert ist, wenn bei der Volksabstimmung nicht ausreichend viele Menschen mit Ja stimmen. Zugleich verwies allerdings auf die immer weiter steigenden Kosten. Und selbst die Projektbefürworter in der SPD nehmen die Zahlen der Bahn nicht mehr für bare Münze.

Am Donnerstagabend wurde Kretschmann mit großem Jubel im Stuttgarter Theaterhaus begrüßt. Vor gut 700 Zuhörer machte er deutlich, dass der Kostendeckel „davor steht“, gerissen zu werden. SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel hat sich an Freitagmorgen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Grünen-Mitglied und Stuttgart-21-Befürworter Stefan Faiß, ebenfalls mit möglichen Mehrkosten befasst. Er geht inzwischen davon aus, dass „der beste Europas“ exakt 4,216 Milliarden kostet. Womit Sozialdemokraten und Grüne in ihrer Bewertung der Situation nur noch 260 Millionen auseinanderliegen. Meinungsverschiedenheiten bestehen im Umgang mit jenen Mitteln – gut 300 Millionen -, die die Bahn ursprünglich für inflationsbedingte Preissteigerungen während der Bauphase vorgesehen hat.  „Diese haben zwangsläufigen Charakter“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Die Bahn hat das Geld, entgegen einem Beschluss der Projektträger aus dem Jahr 2009 inzwischen dem Risikopuffer zugeschlagen.   

Kretschmann geht davon aus, dass es eng und enger wird, weil die Kosten während der Bauzeit bis tief ins nächste Jahrzehnt immer weiter steigen. Schmiedel dagegen erwartet, dass der auch im Koalitionsvertrag festgeschriebene Deckel von 4,526 Milliarden Euro hält und der Puffer von aktuell noch rund 300 Millionen Euro ausreicht, um alle weitere Vergabe- und Baurisiken abzudecken. Zur Erinnerung: 2008 hatte die Bahn Projektkosten in Höhe von 3,076 Milliarden Euro kalkuliert und einen Risikotopf mit knapp 1,5 Milliarden Euro für notwendig erachtet.  „Ich verlasse mich auf das, was die Bahn präsentiert hat“, so der SPD-Fraktionschef. Wenn dies eklatant falsch sei, „dann ist das ein Thema der Bahn“.

Deutlich auseinander sind die Koalitionspartner in Sachen Ausstiegskosten. Kretschmann und Hermann halten 350 Millionen für durchaus realistisch, während Schmiedel von mindestens 1,5 Milliarden Euro ausgeht. Außerdem sieht er keinen prinzipiellen Unterschied zwischen einer Vertragskündigung durch das Land – nach einem entsprechenden Ergebnis am 27.November – und einem Vertragsbruch. „Ob Kündigung oder Vertragsbruch, sei dahingestellt“, sagte Schmiedel. Die Bahn werde bei einem Ja zum Ausstiegsgesetz „das Projekt beenden und auf Schadensersatz klagen“. Die dann notwendigen Zahlungen gingen auf Kosten vieler Projekte im Land, weit über den Verkehrsbereich hinaus.

Der Ministerpräsident dagegen argumentiert dagegen genau anders herum. Schon allein der Schuldenbremse wegen, die ab 2020 per Verfassung keine neuen Schulden mehr erlaube, dürfe er kein unkalkulierbares finanzielles Risiko für das Land eingehen. Noch einmal fordert er die Bahn ihre Rechnungen vorzulegen: „Wenn die so sicher ist, dass ihre Zahlen stimmen und nicht unsere, dann kann sie diese Zahlen auch vorgelegen.“


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