Faktencheck zur Rheinbrücke in Karlsruhe

17.11.2011 
Von: Marcus Dischinger
 
Redaktion
 
Landesregierung erprobt neue Beteiligungskultur
Foto: Dischinger

Karlsruhe. Die Rheinbrücke hat aktuell keinen Sanierungsstau, muss aber in einigen Jahren von Grund auf saniert werden. Das ist auf einen kurzen Nenner gebracht eines der wesentlichen Ergebnisse des ersten Tags einer Veranstaltung, bei der die Landesregierung in Karlsruhe eine neue Form von Beteiligungskultur erprobt. Sie hat Bürgerinnen und Bürger zum Faktencheck eingeladen: Erörtert wird, ob die Achse über den Rhein bei Karlsruhe einen weiteren Übergang benötigt und wie die alte Brücke saniert werden könnte.

Das ist keine Mediation - wie im Fall der Erweiterung des Instituts für Transurane auf dem Gelände des ehemaligen Forschungszentrums nördlich von Karlsruhe - und schon gar keine Schlichtung wie im Falle von Stuttgart 21, betonten Ministeriumsvertreter im Vorfeld. Am Tisch sitzen Vertreter unterschiedlicher Interessengruppen, die Vorträgen von Fachleuten lauschen. Im Anschluss an die Vorträge gibt es Fragerunden. Das Verfahren des Faktenchecks ist tatsächlich noch nicht erprobt, und es findet außerhalb des offiziellen Planfeststellungsverfahrens statt.

Bund will Sanierung der alten und Bau einer zweiten Brücke

Ausgangspunkt ist das Bestreben des Bundes, die 50 Jahre alte Brücke zu sanieren und aufgrund ihrer mangelnden Leistungsfähigkeit mit einer weiteren Brücke zu ergänzen. Diese soll rund 1,5 Kilometer nördlich der jetzigen Brücke errichtet und auf badischer Seite auf die Südtangente geführt werden. Änderungen in der Planung könnte es noch geben, weil der Bund vor wenigen Wochen einen Finanzierungsvorbehalt aufgehoben hat. Dabei ging es um die Weiterführung der Trasse auf die Bundesstraße 36, einer anderen nahegelegenen Fernverkehrsstraße, um so die Karlsruher Südtangente zu entlasten. Diese Variante könnte nun ebenfalls gebaut werden.

In Rheinland-Pfalz sind politische und wirtschaftliche Interessenvertreter für den Bau einer zweiten Rheinbrücke. In Baden-Württemberg ist die Sachlage weitaus komplizierter. Das – damals auch für Verkehr zuständige - Innenministerium der alten Landesregierung hatte sich hinter das Vorhaben des Bundes gestellt. Ebenso das Regierungspräsidium Karlsruhe, das auf badischer Seite das Planfeststellungsverfahren durchführt, das im Februar begonnen hat.

In Karlsruhe selbst sind Befürworter einer zweiten Brücke in der Minderheit 

In Karlsruhe selbst allerdings sind lediglich die CDU-Gemeinderatsfraktion, Oberbürgermeister Heinz Fenrich (CDU) und die Vertreter der Wirtschaftsverbände für den Bau. Eine Allianz aus den restlichen Gemeinderatsfraktionen und den Umweltverbänden ist dagegen.

Hinzu kommt, dass die Karlsruher Landtagsabgeordnete Gisela Splett (Grüne), Staatssekretärin im Landesverkehrsministerium für Verkehr ebenfalls erklärte Gegnerin einer zweiten Rheinbrücke ist. Aufgrund der offiziellen Planungen sind ihr aber offenbar weitgehend die Händen gebunden, eine radikale Abkehr von dem Projekt „Zweite Rheinbrücke“ zu betreiben. Bloß so ist es erklärbar, dass Ministerialrat Andreas Hollatz aus dem Ministerium vor versammelter Bürgerschaft die Notwendigkeit einer weiteren Überquerung unterstreichen darf, um anschließend von „Chefin“ Gisela Splett zurückgerufen zu werden: Der Ministeriumsmitarbeiter verkündet dann, dass alle anderen Varianten, beispielsweise die von Bürgerinitiativen vorgeschlagene Ersatzbrücke an selber Stelle, natürlich ebenfalls machbar seien.

Ein Ergebnis des ersten Tags: Bestehende Brücke ist in befriedigendem Zustand

Nach dem ersten Tag des Faktenchecks, bei dem es vorwiegend um den Bestand ging, ist klar, dass die bestehende Brücke derzeit die Note 2,9 erhält – nach Schulnoten also ein „befriedigender“ Zustand. Auch wurde zum ersten Mal ein Verfahren vorgestellt, wie die Brücke nachhaltig saniert werden könnte. Das Verfahren mit ultrafestem Beton wurde bislang lediglich in den Niederlanden vier Mal erprobt. Die Ergebnisse seien sehr gut, so Walter Katzik vom Regierungspräsidium Karlsruhe, in der Ausführung sei das Verfahren aber „extrem schwierig und aufwändig“. Das sei „Uhrmacherwerk auf einer Brückenbaustelle“, so Katzik. 15 Tage Vollsperrung seien dafür notwendig. Diese könnten auf Sonntage gelegt werden. Insgesamt veranschlage man neun Monate Sanierungszeit. Die Baden-Württembergische Landesregierung will sich beim Bund jetzt dafür einsetzen, ein Pilotprojekt im eigenen Bundesland umzusetzen. Baden-Württemberg hat 640 Brückenbauwerke, von denen zwei Drittel sanierungsbedürftig sind.

Ob Verkehrszunahme zweite Brücke erfordert, bleibt umstritten

Uneinigkeit besteht weiterhin in der Frage der Belastung der bestehenden Brücke. Während die Befürworter einer zweiten Rheinbrücke steigenden Verkehr bis 2025 vor allem im Schwerlastverkehr prognostizieren, sagen die Gegner, seit Jahren stagniere der Verkehr und verweisen auf die Möglichkeit, den öffentlichen Personennahverkehr zu stärken. Deshalb sei eine weitere Brücke, die unnötig Natur und Mensch belaste unnötig. Beide Seiten haben für ihre jeweiligen Haltungen Gutachten parat.Klar ist aber schon seit längerem: Auf der Brücke, einst ausgelegt auf 33000 Fahrzeuge am Tag, fahren heute zwischen 78000 und 84000 Fahrzeuge. Da komme es auf einige tausend Fahrzeuge mehr oder weniger – je nach Gutachten – auch nicht an, behaupten die Fürsprecher. Dass die Lage vielleicht gar nicht so prekär ist, wie von den Befürwortern immer wieder skizziert, beweist allerdings auch der Fakt, dass in der Spitze, morgens zwischen sieben und acht Uhr, laut eines dritten Gutachtens im Auftrag der Stadt Karlsruhe 4400 Fahrzeuge pro Stunde die Brücke passieren. Das sind aufgrund der Kapazitäten rund 500 Fahrzeuge zu viel. Das führt zu Verspätungen von bis zu zehn Minuten im Mittel – für einen Ballungsraum wie Karlsruhe vergleichsweise erträgliche und zumutbare Werte. Außerhalb der Stoßzeiten aber läuft der Verkehr auf der Brücke weitgehend problemlos.

Am morgigen Dienstag geht es in Karlsruhe weiter mit dem zweiten Teil des Faktenchecks. Dann kommen unter anderem die vorgesehene Trasse einer zweiten Brücke und deren Auswirkungen noch einmal auf den Prüfstand. Die Ergebnisse werden auch Ende November bei einer gemeinsamen Sitzung der Regierungskabinette aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz eine Rolle spielen, ebenso beim Erörterungstermin des offiziellen Verfahrens. Inwiefern die Ergebnisse jedoch das offizielle Verfahren überhaupt beeinflussen können, ist völlig ungeklärt.


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