Kultusministerin stellt Gemeinschaftsschulen vor

16.01.2012 
Redaktion
 
Gemeinschaftsschule

Stuttgart. Das Herzstück grün-roter Bildungspolitik, nicht zuletzt ein Prestigeprojekt für Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer, ist auf den Weg gebracht: Die SPD-Politikerin hat an diesem Montag in Stuttgart jene 34 Standorte bekannt geben, an denen ab Herbst 2012 zum ersten Mal in Baden-Württemberg Gemeinschaftschulen angeboten werden. 

An dem Konzept, dessen gesetzliche Grundlage im April im Landtag verabschiedet wird, scheiden sich die Geister. CDU und FDP kritisieren die Neuerung als „Einheitsschule“, obwohl viele Entwicklungen hin zu veränderten Lernformen bereits unter den im vergangenen März abgewählten politischen Mehrheiten angestoßen wurden.

„Ich habe persönlich nicht erwartet“, so die Ministerin auf der Pressekonferenz, „dass schon so viele Schulen eine neue Pädagogik entwickeln konnten.“ Die Lehrerverbände, auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die ausdrücklich für die Gemeinschaftsschule ist, üben dennoch Kritik, zum Beispiel an der Ausstattung. Es gibt viele Warnungen, dass die neuen Methoden lediglich funktionieren können, wenn  Lehrkräfte zu Mehrarbeit und Selbstausbeutung bereit sind.

Städtetag übt Kritik an Finanzierung der Schulsozialarbeit

Dem Städtetag missfällt, dass Kultus- und Sozialministerium — beide von der SPD geführt — angeblich die Zuständigkeit für die Finanzierung der versprochenen Schulsozialarbeit zwischen beiden Häusern hin und her schieben.„Ein Missverständnis“, versucht die frühere Mannheimer Bürgermeisterin die Vorwürfe auszuräumen. Mit den Kommunalen Spitzenverbänden sei vereinbart, dass sich das Land zu einem Drittel an den Kosten für die Schulsozialarbeit beteiligt. Das gelte auch für die  Gemeinschaftsschulen. Und wenn das Geld nicht reiche, dann müsse verhandelt werden.

Überhaupt lässt sich Warminski-Leitheußer in ihren Optimismus kaum zu bremsen. Die neue Schulform sei ein Zeichen dafür, dass das Land „Speerspitze für die Wegbereitung modernster Pädagogik wird“. Es gelte, wirklich alle Kinder individuell zu fördern, „Stärken zu stärken und Schwächen auszugeichen“.   

Auch Kriterien wurden vorgestellt

Präsentiert hat das Team des Ministeriums — mit dabei auch Norbert Zeller, früher Vorsitzender des Schulausschusses im Landtag — nicht allein die Standorte der sogenannten Starterschulen, sondern auch bestimmte Kriterien. „Viele Schulen praktizieren seit Jahren eine neue Lernkultur“, so Zeller, Dies sei aber von Vorgängerregierung nicht honoriert, sondern  abgelehnt worden. Der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete betonte die Rolle der Schulträger. Zahlreiche Kommunen hätten sich längst auf den Weg gemacht, bauliche Veränderungen seien vollzogen, Fortbildungen finanziert: „Wir haben sehr viel Unterstützung erfahren.“

Die 34 Schulen, die als erste die Bezeichnung Gemeinschaftsschulen führen dürfen, müssen sich an den Qualitätsanforderungen orientieren, die für den renommierten Deutschen Schulpreis erarbeitet wurden. Unter anderem werden „planvolle und kontinuierliche Förderung des individuellen und kooperativen Lernen“ verlangt, demokratisches Engagement, pädagogisch fruchtbare Beziehungen mit außerschulischen Partnern und hohe Professionalität der Leitung.  Alle Schulen bieten gemeinsamen Unterricht von der fünften bis zur zehnten Klasse, werden als rhythmisierte Ganztagsschulen geführt, sind offen auch für Kinder mit Behinderung und setzten auf die aktive Mitarbeit der Eltern.

Matthias Wagner-Uhl, einer der beteiligten Schulleiter, kann die Ressentiments nicht verstehen. Vor allem, weil auch in Baden-Württemberg erfolgreiche Gemeinschaftsschulen seit langem selbstverständlich seien. „Alle Grundschulen arbeiten nach diesem Konzept“, so der Schulleiter der Grund- Haupt- und Werkrealschule Neuenstein im Hohenlohekreis. Miteinander und voneinander zu lernen sei dort selbstverständlich. „Nach vier Jahren werden aber sehr viele soziale Beziehungen gelöst, sehr viele örtliche Netzwerke zerbrochen“, kritisiert der Vater von drei Kindern, der auch in der Lehrerfortbildung tätig ist. Die neue Gemeinschaftsschule wolle solche gewachsenen Kontakte erhalten und für den Lernfortschritt und die individuellen Förderung nutzen.

Zeller: „Die kommunale Nachbarschaft ist uns sehr wichtig“

Schon am 1. Februar will das Ministerium Vertreter aller 34 Kollegien an einen Tisch holen, um den Austausch zu befördern. Warminski-Leitheußer will ein Netzwerk gründen, auf das auch Interessierte zurückgreifen können, die 2013/2014 oder 2014/2015 ihre Lern- und Lehrkultur umstellen wollen. Die Arbeit der Starterschulen wird wissenschaftlich begleitet. Alle Nachahmer müssen sich neben einer Debatte über die Qualitätsanforderung mit der Situation in ihrer Region befassen. „Die kommunale Nachbarschaft ist uns sehr wichtig“, erläutert Zeller weiter. Auch über die jetzt ausgewählten Standorte sei mit Schulträgern in angrenzenden Gemeinden diskutiert worden, um den neuen Konzepten einen guten Auftakt zu ermöglichen, „an dem sich viele andere orientieren können“.


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