Acht goldene Spazierstöcke

23.02.2012 
Redaktion
 
Die meisten ehemaligen Ministerialdirektoren haben noch keinen neuen Job
Ministerpräsident Winfried Kretschmann will alle politische Beamte austauschen. Foto: Staatsministerium

Ministerpräsident Winfried Kretschmann will alle politische Beamte austauschen. Foto: Staatsministerium

Stuttgart. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung zahlt derzeit an acht ehemalige Ministerialdirektoren, die nach dem Regierungswechsel in 2011 in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurden, monatlich Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt rund 57.000 Euro. In der CDU-FDP-Landesregierung gab es neun Ministerialdirektoren. Bis auf eine Ausnahme haben die Betroffenen also noch keine neue Stelle gefunden.

Auf der Suche ist etwa der ehemalige Ministerialdirektor im Wissenschaftsministerium, Klaus Tappeser (CDU). Dieser, vor seiner Zeit im Ministerium Oberbürgermeister in Rottenburg, bewirbt sich für den Bürgermeisterposten im bayrischen Lindau. Im Wahlkampf wirbt er unter anderem damit, „ein preiswerter OB“ zu sein. Denn, so Tappeser, bei seiner Pensionierung würde Lindau sparen, weil seine dort erworbenen Bezüge mit denen aus seiner Stuttgarter Zeit verrechnet würden. Doch dafür muss Tappeser noch gewählt werden.

Bei  Gisela Meister-Scheufelen (CDU) steht hingegen schon fest, wie es weitergeht. Die ehemalige Ministerialdirektorin im Finanzministerium wird ab April ihr neues Amt als Kanzlerin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg antreten.

Das die Ministerialdirektoren ausgetauscht worden sind ist nicht überraschend. Bei dem Regierungswechsel von der Großen zur Kleinen Koalition 1996 wurden ebenfalls in allen bislang von der SPD geführten Ministerien neue Ministerialdirektoren eingesetzt.

Eine neue Dimension ergibt sich durch den geplanten Austausch der vier Regierungspräsidenten. Damit würde die Landesregierung alle politischen Beamten austauschen. Das hat es in dieser Form auf Landes- oder Bundesebene noch nicht gegeben.

Als die SPD 1992 in die Große Koalition eintrat blieben die Regierungspräsidenten ebenfalls im Amt. Die Karlsruher Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle etwa, die damals als SPD-Bundestagsabgeordnete unter der Großen Koalition in ihr Amt kam, blieb dort auch nach dem Regierungswechsel.

Auf der Ebene der Regierungspräsidien seien die politischen Einflüsse sehr gering, so Hans Reibold, Vorsitzender des Verbands der Verwaltungsbeamten (VDV). „In den Regierungspräsidien geht es darum, die Ziele der Dienststellen sauber umzusetzen“, so Reibold.

Doch die Grünen im Land sehen das anders. „Das Amt des Regierungspräsidenten ist der Landesregierung unmittelbar unterstellt. Es muss hier also garantiert werden, dass Personen in diesem Amt die langfristigen politischen Ziele einer Landesregierung vertreten. Das sehe ich bei den derzeitigen Regierungspräsidenten nicht“, so der Landesvorsitzende der Grünen, Chris Kühn.

Für den Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling ist das nicht nachvollziehbar. „Es ist schon bemerkenswert: Die Grünen machen jetzt genau das, was sie den etablierten Parteien von Anbeginn an vorgeworfen haben, nämlich nur nach Posten zu schielen. Wenn die grün-rote Regierung Beamte in den Ruhestand schickt, denen man nichts vorwerfen kann, ist das ein Dammbruch“, so Wehling gegenüber den Stuttgarter Nachrichten.

Schon in der Vergangenheit hat die neue Landesregierung gezeigt, wie groß ihr Bedarf an neuen Posten ist. Für neugeschaffene Stellen in den Ministerien liegen die Kosten nach groben Schätzungen des Beamtenbundes bei 16 Millionen Euro im Jahr.

Wie vielen politische Beamte in der Vergangenheit in den einstweiligen Ruhestand geschickt worden lässt sich nicht genau nachvollziehen. Das Statistische Landesamt ermittelt zwar die Neuzugänge bei den Ruhegeldempfängern. Allerdings unterliegt dort die Kategorie „Einstweiliger Ruhestand“ der Geheimhaltung.

Im Beamtenjargon hat diese Regelungen für die politischen Beamten einen passenden Spitznamen, „der goldene Spazierstock“. Ob in Zukunft vier weitere politische Beamte damit durch das Land laufen werden oder nicht – die Landesregierung hat es in der Hand.


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