Klimawandel: Globale Voraussagen sind schwer auf Regionen herunterzubrechen

28.01.2011 
Redaktion
 
Foto: ddp

Stuttgart. Der Umweltausschuss im Landtag Baden-Württemberg lud am gestrigen  Donnerstag zu einer öffentlichen Anhörung über die Folgen des Klimawandels im Land. Dabei wurden zwei Dinge deutlich: Es wird wärmer, aber vor allem tut noch viel mehr Forschung Not.

„Es geht um nicht weniger als die Zukunft des Landes.“ Mit durchaus eindringlichen Worten eröffnete Ulrich Müller (CDU), Vorsitzender des Umweltauschusses im Landtag Baden-Württemberg, am Donnerstag die öffentliche Anhörung im Plenarsaal. Aber es ging auch nicht um irgend ein Thema, es ging um „Aspekte der Auswirkungen des Klimawandels in Baden-Württemberg“. Basis für die Anhörung war ein interfraktioneller Antrag (Drucksache 14 / 7090) an die Landesregierung zur Herausforderung Klimawandel im Land. Acht Sachverständige referierten darüber, wie sich das regionale Klima entwickelt, es sich möglicherweise auswirkt und welche Anpassungen denn notwendig seien.

„Die Beschäftigung mit dem Klimawandel verlief in drei Phasen“, so Müller. „Vor etwa zehn, fünfzehn Jahren war es ‚pfui’ über die Auswirkungen zu sprechen. In der zweiten Phase musste man der Realität ins Auge sehen. Nun in der dritten Phase wissen wir, wir müssen langfristig etwas tun und uns auf die Auswirkungen einstellen.“ Jetzt schon müssten die Bäume für die Forstwirtschaft von morgen gepflanzt, die Konsequenzen für die Zukunft gezogen werden. Dafür müsse man so konkret es geht, einschätzen können, wie die Zukunft aussieht.

Lage, Höhenstrukturen und Gewässer spielen eine Rolle

Doch es ist nicht so einfach, die globalen Voraussagen auf die Bundesländer und die dortigen Regionen herunterzubrechen. Wie sich der Klimawandel vor Ort auswirkt, das hat auch mit der geografischen Lagen und den orografischen Gegebenheiten, also den Höhenstrukturen und den Fließverhältnissen von Gewässern zu tun. Am KIT-Zentrum Klima und Umwelt in Karlsruhe haben Forscher drei Globalmodelle des Klimawandels mit sieben Regionalmodellen zusammengebracht und variiert, um Szenarien des Klimawandels im Land erstellen zu können.

Einbezogen haben sie auch die Daten aus „Kliwa - Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft“, jenem längerfristigen Untersuchungsprogramm, das Baden-Württemberg und Bayern im Jahr 1999 mit dem Deutschen Wetterdienst ins Leben gerufen haben. Seit dem Jahr 2007 ist auch Rheinland-Pfalz als Partner dabei. „Um mit diesen Modellen und Daten Szenarien zu erstellen, braucht es enorme Hochleistungsrechner“, beschrieb Christoph Kottmeier, Leiter und Wissenschaftlicher Sprecher des KIT-Zentrums Klima und Umwelt. „Aber es gibt noch zu viele Variablen und Unsicherheiten, als dass wir eine konkrete Prognose für das Land abgeben könnten. Bisher ist das Bild, das wir haben, noch unscharf.“ Um dieses schärfer zu machen und daraus Anpassungsstrategien vor Ort zu entwickeln, bräuchte es noch mehr Forschung und Wissen auf diesem Gebiet.

Die Sommer werden trockener, die Winter feuchter

Gesagt werden könne indes, dass in Europa ganzjährig ein Temperaturanstieg auszumachen sei, dieser aber für die jeweiligen Teilgebiete sehr unterschiedlich ausfalle. Die Niederschläge nähmen etwa in Skandinavien zu, im Mittelmeerraum ab. „Wir befinden uns im Übergangsbereich“, erklärte Kottmeier. So sei – bei wechselhaften mittleren Niederschlagswerten von Jahr zu Jahr – im Sommer eine geringe Abnahme der Niederschläge, im Winter eine Zunahme auszumachen. Kurz: Der Tendenz nach werden die Sommer trockener, die Winter feuchter. „In allen zwölf Modellen allerdings ist eine Zunahme der Starkniederschläge zu verzeichnen. Und das ist sicherlich kein zufälliges Ereignis“, betonte der Forscher.

Anders sehe es beim Sturmklima aus, da sei keine gravierende Änderung zu bemerken. „Daraus könnte man schließen, dass es bei den jetzigen Stürmen bleibt“, so Kottmeier. Auch in Sachen Konvektion – das Aufsteigen erwärmter Luftmassen bei gleichzeitigem Absinken kälterer Luft in der Umgebung kann vor allem in den Sommermonaten für teils heftige Gewitter mit Schauern und starken Windböen sorgen – gebe es noch kein klares Ergebnis. „Was Extremwetterereignisse angeht wie starke Gewitter, Hagel, Sturmböen und Tornados, die die Versicherer schon sehr stark jetzt verspüren, können wir für das Land keine tatsächliche Häufigkeit ableiten.“

Trends zu Niederschlagshöhen sind schwer zu prognostizieren

Das bestätigte auch Paul Becker, Vizepräsident und Leiter Klima und Umwelt beim Deutschen Wetterdienst. „Bei der Temperatur bewegen wir uns auf einem sicheren Terrain. Aufzeichnungen in Baden-Württemberg einer langen Reihe der Jahre 1881 bis 2010 beweisen, sie hat sich erhöht, an manchen Orten gar bis um zwei Grad. Aber die Trends zu Niederschlaghöhen zu prognostizieren, da tun sich die Meteorologen meistens schwer.“ Und entsprechend schwieriger seien die ein- oder zweistündigen Starkregen vorauszusagen, die im Land so manchen Keller voll laufen lassen. Aber genau derlei zu wissen, wäre freilich für die Kommunen interessant, um Vorkehrungen treffen zu können.

Entsprechend betonte Bernd Katzenberger vom Landesamt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBU), als er über die Erkenntnisse aus dem Projekt Kliwa berichtete, dass ob der zwangsläufig unsicheren Prognosen die Anpassungsmaßnahmen möglichst nachjustierbar und „klimarobust“ sein müssten und vor allem auch bei unterschiedlichen Entwicklungen in der Zukunft Sinn machen sollten. So sei es eben sinnvoll, neue Bauwerke beim Bau so zu planen, dass sie bei Bedarf mit geringem Aufwand nachgerüstet werden könnten. „Bei einem Hochwasserdamm etwa bedeutet dies, dass auf der Landseite ein Geländestreifen freigehalten wird, um später – wenn nötig - den Damm erhöhen zu können. Oder wenn es um die Kanalisation geht, dass sich eine Kommune bereits das Land sichert, um ein weiteres Rückhaltebecken einrichten zu können“, so Katzenberger.

Das LUBU hat mit den Daten regionaler Klimaprojektionen für alle Flussgebiete im Land flächendeckend im Ein-Kilometer-Raster Wasserhaushaltsmodelle erstellen lassen. Diese sind auch in der Hochwasser-Vorhersage-Zentrale für die Hoch- und Niedrigwasservorhersage täglich im Einsatz. Und gemäß den hydrologischen Modellrechnungen nehmen insbesondere die kleineren Hochwasser deutlich zu.


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