Zwei Drittel der Bürgermeister wurden schon angefeindet

26.02.2021 
Redaktion
 

Foto: dpa-Themendienst/Christin Klose

Kehl. Vor einem Jahr sorgte eine bundesweite Studie für Aufsehen, wonach knapp zwei Drittel der Rathauschefs in Deutschland Opfer verbaler oder tätlicher Gewalt wurden. Ein Student der Hochschule Kehl hat nun die Situation im ländlich geprägten Südbaden untersucht - und kommt zu einem alarmierenden Ergebnis.

Wirtschaftlich stabil, ländlich geprägt: Im äußersten Südwesten ist die Welt noch in Ordnung, dort haben die Bürger Respekt vor Amtsträgern - zumindest im Vergleich mit Großstädten im übrigen Deutschland. Mit dieser These hat Niklas Hödle seine Bachelorarbeit für die Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl begonnen.

Er hat 184 Rathauschefs in Kommunen der Landkreise Rastatt (mit Baden-Baden), Ortenau, Emmendingen, Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach nach ihren Erfahrungen mit Gewalt und Hetze im Amt befragt. An der Online-Umfrage nahmen 75 Bürgermeister teil - und Hödle wurde eines Besseren belehrt: Die südbadischen Amtsträger sind sogar etwas häufiger Opfer von Gewalt geworden als im bundesweiten Schnitt, den eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Zeitschrift "Kommunal" im vergangenen Jahr ermittelt hat. Danach waren 64 Prozent der befragten Bürgermeister schon einmal Opfer von Gewalt und Anfeindungen gegen ihre Person geworden. Im Vergleich dazu wurden 68,1 Prozent der Bürgermeister in Südbaden Opfer von Gewalt und/oder Anfeindungen.

PERSÖNLICHE VERBALE ANFEINDUNG" AM HÄUFIGSTEN

Einen gravierenden Unterschied gibt es aber in der Qualität der Gewalt: In der bundesweiten Umfrage berichten die Bürgermeister verhältnismäßig wenig über verbale Anfeindungen. Nur 46 Prozent der Bürgermeister geben an, solche erlebt zu haben. Dieser Wert war in Hödles Umfrage mit 63,9 Prozent deutlich höher.

Bei den körperlichen Angriffen ist es umgekehrt. Deutschlandweit gaben neun Prozent der Bürgermeister an, Opfer von körperlichen Angriffen geworden zu sein, in der regionalen Umfrage ist diese Zahl geringer und liegt bei 5,6 Prozent der Teilnehmer. Zumindest die körperliche Unversehrtheit der Bürgermeister sei in den sechs befragten Landkreisen also eher gewährleistet, wie die Hochschule Kehl mitteilt.

Die mit Abstand am häufigsten erlebte Form der Gewalt ist die "Persönliche verbale Anfeindung". 63,9 Prozent der Befragten wurden schon Opfer davon. Das bedeutet fast zwei Drittel aller Bürgermeister. Bedroht wurden schon 21 Teilnehmer, also 29,2 Prozent.

Wie heftig Anfeindungen sind, zeigen die anonymisierten Berichte der Rathauschefs: "Ein Wunsch wurde von mir nicht erfüllt, daraufhin wurde ich beschimpft - Alltagssituation", schreibt ein Teilnehmer. Ein anderer berichtet von "Beschimpfungen gegen mich vor meinem Haus in Anwesenheit meines Sohnes".

Fast die Hälfte berichtet von hetze im Netz

Am häufigsten kam es zu Anfeindungen im Rathaus , gefolgt von öffentlichen Veranstaltungen. Insgesamt 48,6 Prozent der Befragten berichten auch von Hetze im Netz, beispielsweise: "Massive Stimmungsmache in sozialen Netzwerken". Hödle sieht in den sozialen Medien, wo jeder frei und anonym hetzen kann, eine Ursache für die hohen Werte seiner Umfrage.

Bei der Gemeindegröße gibt es Unterschiede, weshalb Hödles These vom sicheren Südbaden nicht ganz falsch war: In kleineren Gemeinden werden die Bürgermeister seltener Opfer. In seiner Umfrage gaben mehr als die Hälfte der Befragten an, Bürgermeister in einer Gemeinde mit unter 5000 Einwohnern zu sein. Statistisch spreche dies also für eine eher sichere Region, da auch viele der Bürgermeister, die nicht teilgenommen haben, ihr Amt ebenfalls in diesen kleineren Gemeinden ausüben.

Imagekampagne für Amtsträger könnte helfen

Dennoch ist der ehemalige Rektor der Hochschule Kehl, Paul Witt, der die Arbeit betreut hat, von dem Ergebnis alarmiert: "Ich aber vermutet, dass die Situation im badischen Landesteil positiver ist als im Bundestrend", erklärt er. Es stelle sich die Frage, wer überhaupt noch für das Amt kandidieren wolle.

Eine Möglichkeit, diese Gewalt zu bekämpfen, wäre laut Hödle die Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung. Denkbar wäre für ihn eine Imagekampagne mit sichtbarer Werbung im Alltag. Diese könnte von den kommunalen Landesverbänden oder der Landesregierung ausgehen.

Grafiken und weitere Informationen zur Befragung finden Sie hier.

 

 


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