„Der Fortschritt ist eine Schnecke“

11.03.2011 
Redaktion
 
Interview
Soziealministerin Monika Stolz im Gespräch
Sozialministerin Monika Stolz (CDU), Foto: Staatsministerium

Sozialministerin Monika Stolz (CDU), Foto: Staatsministerium

staatsanzeiger.de: Der Internationale Frauentag wurde 100. Und so viele berechtigen Ansprüche sind noch lange nicht erfüllt. Was tun?

Monika Stolz: Historisch betrachtet sind die hundert Jahre Synonym für eine Erfolgsgeschichte. Zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte stehen Frauen kurz davor, tatsächliche, nicht nur rechtliche oder formale, Gleichheit und Gleichwertigkeit in allen Lebensbereichen zu erlangen. Natürlich bedeutet dies keineswegs, dass alle Ziele schon erreicht wären. Würde es im Tempo der Vergangenheit weitergehen, würde es noch Jahrzehnte, manchen sprechen gar von Jahrhunderten dauern, bis tatsächliche Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen realisiert wäre. Es ist ja offensichtlich, dass es immer noch erhebliche Defizite und problematische Bereiche gibt, etwa bei der Frage, wie die Bedürfnisse der Berufswelt und jene der Familien optimal und ohne größere Reibungsverluste miteinander verzahnt werden können …

… das passt zum Thema Rollenbilder: die Familie ein Frauenthema?

Endlich nicht nur. Erstmals wird die nicht allein Frauen aufgebürdet. Vielmehr besteht heute ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, dass im 21.Jahrhundert noch familiäre Aufgaben partnerschaftlich gelöst werden können und müssen. Die Rollenbilder von Frauen und Männern haben, unter historischen Gesichtspunkten, in den vergangenen hundert Jahren eine stärkere Veränderung erfahren als in den 2500 Jahren zuvor. Eine besondere Dynamik hatte der Wandel in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts aufzuweisen. Wie stark und tiefgreifend diese Veränderungen waren, macht beispielsweise die Tatsache deutlich, dass ältere Menschen heute Mühe haben, ihren Enkeln zu erklären, wie schwach die gesellschaftliche Stellung der Frauen damals war: Per Gesetz und de facto waren ihr die häuslichen Arbeiten zugeordnet, während sich die Männer harten Berufsalltag beweisen mussten. Arbeiten außerhalb der Familie durften Frauen, wenn überhaupt, nur mit Zustimmung ihres Ehemannes. Mit Ausnahme der Kriegs- und Nachkriegsjahre, als Frauen in sehr viel stärkerem Maße auch klassische Männerrollen übernehmen mussten.

Aber nicht auf Dauer. 

Das ist wahr. Nach wenigen Jahren hatten die Männer ihre klassische Rolle wieder.  Diese Teilung war ein allgemeines gesellschaftliches Phänomen, das in gleicher Weise für die Berufswelt wie für die Übernahme anderer, insbesondere herausragender, sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Funktionen galt. Aber heute sind wir weiter, was Erwartungen und  Zuschreibungen anbelangt.

Nicht aber bei der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit.

Der Fortschritt ist eine Schnecke. Nach wie vor sind wir nicht dort, wo wir sein sollten, wenn wir eine gerechte, partnerschaftliche Rollenaufteilung in unserer Gesellschaft anstreben. Dieses Defizit definiert zugleich die Aufgabenstellungen, die vor uns liegen:  Es muss gelingen, tatsächliche Wahlfreiheit und eine gerechte Verteilung zwischen den Geschlechtern in allen gesellschaftlichen Bereichen zu erlangen.


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