Vom Umgang mit jugendlichen Straffälligen

20.05.2011 
Redaktion
 
www.polizei-beratung.de

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Freiburg. „Hass-Treter“ und „Monster-Kids“ wird in Zeitungen getitelt, wenn wieder einmal Bilder einer U-Bahn-Schlägerei im Fernsehen zu sehen sind. „Schnell aburteilen“, „wegsperren“, „abschieben“, sind die Reaktionen vieler Menschen. „Man hat den Eindruck, die Jugendgewalt sei mehr geworden. Aber was mehr geworden ist, ist die Berichterstattung darüber“, meint Klaus Jünschke, Erziehungswissenschaftler aus Köln bei der Tagung „Sind wir am Ende unserer  Geduld? - Neue Wege in der Arbeit mit jungen Straffälligen“ in Freiburg.

Mit Unterstützung der Stadt und der Heinrich-Böll-Stiftung hatte das Jugendhilfswerk Fachleute aus Jugendhilfe, Justiz und Forschung zur Verständigung darüber eingeladen, ob es die sogenannten „Brutalo-Kids“ überhaupt gebe und wie mit ihnen umzugehen sei. 160 Sozialarbeiter, Therapeuten, Staatsanwälte, Richter und Polizisten waren gekommen.

Erkennbarer Zusammenhang zwischen Strafe und Straftat

„Eine schnelle Reaktion auf eine Straftat ist auch unser Anliegen“, leitete Oberstaatsanwalt Eckart Berger aus Freiburg die Referatsreihe ein. Für Jugendliche müsse ein Zusammenhang zwischen Strafe und Straftat noch erkennbar sein, damit die Strafe wirke. „Schnell und kompromisslos sind wir auch bei Straftaten gegen ,höchstpersönliche Rechtsgüter`“, womit der Jurist Körperverletzung, Misshandlung, Bedrohung und Einschüchterung meinte.

Mit der Einschränkung „kompromisslos aber nicht gnadenlos“ setzte sich Berger aber auch gleich von der verstorbenen Richterin Kirsten Heisig aus Berlin ab, deren pointierte Stellungnahme für härteren Umgang mit straffälligen Jugendlichen im Subtext der Referate mitschwang. „Denn hinter der Straffälligkeit stecken vielfältige gesellschaftliche Ursachen“, weiß Berger. Dennoch brauche es für manche Jugendliche das Gefängnis - und sei es auch bloß, um in Form von Bewährungsauflagen damit drohen zu können.

"Jugendliche lernen im Knast Brutalität, Gewalt und Ohnmacht"

„Falsch“, widersprach Klaus Jünschke, der sich mit seinem Kölner Appell gegen Rassismus e.V. seit Jahren für Jugendliche im Gefängnis einsetzt. „Die Zelle ist kein pädagogischer Ort“, der dem erzieherischen Auftrag des Jugendrechts gerecht würde. Jünschke weiß, wovon er spricht: Seit vielen Jahren begleitet er Gesprächsgruppen Jugendlicher in der Justizvollzugsanstalt, ist im Auftrag der Stadt Köln als Gefängnisbeirat tätig und war selbst 16 Jahre im Gefängnis, sieben davon in schwerer Einzelhaft: „Jugendliche lernen im Knast Brutalität, Gewalt und Ohnmacht.“

Entgegen des öffentlichen Eindrucks sei die Zahl der Jugendlichen in Haft tatsächlich klein, „vielleicht eine halbe Schulklasse für eine Stadt wie Freiburg. Mit so einer kleinen Zahl kann man doch sozialpädagogisch umgehen.“ Jünschke sah keine andere Möglichkeit angesichts von Suchtproblematik, behandlungsbedürftigen psychischen Krankheiten oder Verunsicherungen der Jugendlichen im Zusammenhang mit ihrem Status als Asylbewerber.  Erwachsene seien verantwortlich für die Beschädigung von Kindern und Jugendlichen und deshalb auch dafür, was Kinder und Jugendliche  anstellen. „Milde, nicht Härte wirkt,“ schloss Jünschke.

In der Schweiz sind Zehnjährige strafmündig

„Eltern, die alle Hilfe für ihre Kinder boykottieren, Behörden, die wichtige Maßnahmen nicht bezahlen, Sozialarbeiter, die nichts fordern für ihre Jugendlichen, da komme ich ans Ende meiner Geduld“, offenbarte Annette Denz: „Manchmal allerdings auch beim einen oder anderen Jugendlichen.“ Denz ist stellvertretende Leiterin des Aufnahmeheims Basel, das für und mit straffälligen Jugendlichen Maßnahmen und Perspektiven klärt.

Ein anderes System und eine andere Philosophie, so wurde in Denz Ausführungen deutlich, leitet den Umgang mit delinquenten Jugendlichen in der Schweiz. So sind Schweizer bereits mit zehn Jahren strafmündig. Auf eine begangene Straftat folgt stets eine doppelte Reaktion: eine Strafe und eine erzieherische Maßnahme, insgesamt ein flexibles und recht offenes System.  Angesichts der 3000 Jugendlichen, mit denen Denz in ihrem Berufsleben bereits zu tun hatte, plädiert sie aber doch für eine geschlossene Unterbringung Jugendlicher als Basis für die weitere Entwicklung.

Am Ende des Tages sah Angela Fiedeler, Organisatorin der Tagung, erreicht, was das Vorbereitungsteam beabsichtigt hatte: eine kontroverse Debatte über jugendliche Straffälligkeit und die Chance, Hilfen über die institutionellen Grenzen hinweg zu verbessern.


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