Opposition: Kassensturz ist bloß ein Vorwand für Mehrausgaben

29.06.2011 
Redaktion
 
Landtag
Foto: Der Landtag von Baden-Württemberg

Stuttgart. Eine „schonungslose Bestandsaufnahme“ hatte Finanzminister Nils Schmid (SPD), bei seinem Kassensturz angekündigt. Am Ende war es viele bekannte Zahlen. „Die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, wie hoch der Schuldenberg tatsächlich ist“, sagte Schmid am Mittwoch im Landtag. Die Opposition reagierte mit Gelächter.

Schmid zählte auf, was sein Ministerium in den vergangenen Wochen zusammengetragen hatte. Danach tut sich in den Jahren 2012 eine Deckungslücke von drei Milliarden Euro pro Jahr auf. „Selbst nach Einarbeitung der Ergebnisse aus der Steuerschätzung im Mai werden in der mittelfristigen Finanzplanung in 2012 bis 2014 noch Deckungslücken von rund 1,3 Mrd. bis 2,4 Mrd. Euro bestehen", so Schmid.

Die alte Landesregierung habe viel Haushaltskosmetik betrieben. „Neben den Kernhaushalten existieren Extrahaushalte“, so Schmid. Die darin enthaltenen Schulden von rund 22 Milliarden Euro würden ein erhebliches Risiko darstellen.

Damit belaufe sich die Verschuldung des Landes statt der von der alten Landesregierung stets genannten 43 Milliarden Euro auf rund 65 Milliarden Euro. „Das  sind keine Peanuts“, sagte der Finanzminister. Man trete ein schweres Erbe an, ein „entschlossener Konsolidierungskurs“ sei unumgänglich. Dazu, so Schmid weiter, kämen Pensionsbelastungen. Anhand eines Vergleichs mit Hessen, das ähnliche Berechnungen angestellt habe, lasse einen Rückstellungsbedarf von 70 Milliarden Euro erwarten. „Knapp 1,9 Milliarden sind zurückgelegt.“ Übrig bleibt ein gewaltiger, ungedeckter Scheck auf die Zukunft.

Schmid spricht von „gewaltigem Sanierungsstau“

Bei den 8000 Gebäuden, die sich im Besitz des Landes befinden, gebe es einen gewaltigen Sanierungsstau. Schmid beziffert diesen mit 2,6 Milliarden Euro. „Das können wir nicht über Nacht abtragen.“ Dies gelte auch für den Straßenbau. Hier seien 100 Millionen Euro jährlich notwendig, ab 2012 sind bisher in der Finanzplanung nur 50 Millionen Euro vorgesehen.

Schmid attestierte einen hohen Nachholbedarf. „Die Investitionsquote liege weit unter der, anderer Bundesländer.“ Beim Hochwasserschutz müssten bis zu 450 Millionen bereitgestellt werden, für die Einführung des Digitalfunks bei der Polizei weitere 400 Millionen Euro, diese Ausgaben könnten auf 570 Millionen Euro steigen. Diesen Mehrbedarf werde man schultern müssen.

Zusammengefasst sieht sich der Finanzmister Schulden von 70 Milliarden Euro, und ungedeckte Pensionsverpflichtungen von 68 Milliarden Euro gegenüber. „Erblasten“ nannte Schmid diese. Das „gut bestellte Feld“, welches die CDU anführe, habe nichts mit der Realität zu tun.  „Es schadet dem Land nicht, einen Schuldenberg auch einen Schuldenberg zu nennen.“ Der Kassensturz, unterstrich Schmid, sei ein wichtiger Schritt Richtung Ehrlichkeit und Transparenz. So wolle man zeigen, was in Zukunft in Baden-Württemberg umsetzbar sei.

Der  Finanzminister bemängelte zudem, dass es keine Vermögensbilanz gebe. „Wichtige Informationen, etwa zu Abschreibungen, sind nicht verfügbar.“ Ein anderes Rechnungslegungssystem wünscht sich der Minister. Und er kündigte an, ein Haushaltscontrolling einführen zu wollen.

Für die Opposition sind die aus der Regierung genannten Kritikpunkte nicht mehr als ein Alibi für neue Ausgaben. „ Wenn es in der Zukunft nicht klappt, war es der Schuldenberg der alten Regierung“, sagte CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Neben Rheinland-Pfalz sei Baden-Württemberg das einzige Land, das überhaupt angefangen habe, einen Pensionsfonds aufzubauen. Man habe daneben auch Personal eingespart.

Rülke: „Alles, was Sie verkünden, war uns längst bekannt“

„Der Sanierungsstau wird aufgebauscht, um nicht sparen zu müssen“, sagte auch Hans-Ulrich Rülke, Fraktionschef der FDP. Rülke und Peter Hauk sagten dass sie  Sparvorschläge vermissten. „Alles, was Sie uns heute verkündet haben, war uns längst bekannt“, sagte Rülke. Ähnlich auch die Kritik der Oppositionsparteien CDU und FDP an der Darstellung der Schulden: „Die Werte, die den Schulden gegenüberstehen, darf man nicht unter den Tisch fallen lassen“, sagte Rülke. Einen Ehrgeiz der neuen Landesregierung, die Netto-Nullverschuldung zu erreichen, konnte weder Hauk noch sein FDP-Kollege erkennen. Bei einer Milliarde Euro Steuermehreinnahmen in diesem Jahr wäre es ein Leichtes, zur Nullneuverschuldung der Jahre 2008 und 2009 zurückzukehren. „Dass dies nicht geplant ist und man stattdessen über angebliche Erblasten lamentiert, spricht  Bände zu der Frage der Solidität von Grün-Rot“,  so Rülke. Die Schulden seien so gerechnet worden, wie es die Regierung brauche. „Ein Verschleiern ihres Unvermögens, den Pfad der Konsolidierung weiter aufrecht zu halten.“

Gegen eine Nullverschuldung in diesem Jahr sprach sich die Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann aus: Eine kurzfristige Nullverschuldung bringe nichts, wenn es in den nächsten Jahren eine Deckungslücke von neun Milliarden Euro gebe. Mit dieser Taktik werde man Schluss machen und eine „strategische Haushaltssteuerung“ einführen, diese solle auch ressortübergreifend sein und Einspareffekte nutzen zu können.

In diese Richtung argumentierte auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Schmiedel: „Sie haben Lasten in die Zukunft geschoben, aber keine echte Konsolidierung betrieben“, sagte er. „Dieser Kassensturz dient der Zuordnung von politischer Verantwortung“, unterstrich Nils Schmid am Ende der Debatte. Dies gehöre zur politischen Kultur. „Der Konsolidierungspfad hat in den Verschuldungssumpf geführt“, sagte der neue Finanzminister.


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